Historische Überraschungen

Bill "Shake" Spear mit beschä­menden und billigen Hacks in Microsofts Quellcode

Microsoft hat den Quellcode alter Programme veröffentlicht. In diesem finden sich einige durchaus lesenswerte Bezeichnungen und Kommentare. Wir haben eine Sammlung dieser historischen Relikte für Sie zusammengestellt.
Von Kaj-Sören Mossdorf

Ausschnitte aus dem Quellcode von einer frühen Microsoft-Word-Version. Quellcode aus frühem Word
Screenshot: Leon Zandman
Microsoft hat diese Woche den Quellcode von frühen MS-DOS- und einer Word-Version zusammen mit dem Computer History Museum in Mountain View der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der heutige Weltkonzern begann 1980 zusammen mit IBM, auch als Big Blue bekannt, die Arbeit an dem Projekt "Chess". Zunächst lieferte Microsoft einen Übersetzer für eine Programmiersprache, wurde von IBM aber später gebeten, ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln.

Ausschnitte aus dem Quellcode von einer frühen Microsoft-Word-Version. Quellcode aus frühem Word
Screenshot: Leon Zandman
Als Grundlage griff der Konzern aus Redmond auf ein bereits bestehendes System der Firma Seattle Computer Products zurück. Aus Microsofts Entwicklung sollte später PC-DOS beziehungsweise MS-DOS werden. Heutzutage kennen wir das System als Windows, auch wenn es seit dem zahlreichen Veränderungen und Erweiterungen unterlaufen ist. Nur wenige Partnerschaften haben die Entwicklung des Personal Computers - wie wir ihn heute kennen - im Verlauf der Geschichte so geprägt, wie die Kooperation zwischen Microsoft und IBM.

Kurz nach dem ersten Erscheinen von MS-DOS veröffentlichte der Konzern die erste Version von Microsoft Word. Das Programm war damals auf die Nutzung per Maus - damals noch ein recht junges Konzept - ausgelegt. Sechs Jahre später gelang mit der Version, deren Quellcode sich nun zusammen mit dem Code von MS-DOS 1.1 und 2.0 in den Händen des Computer History Museums befindet, der Durchbruch.

Niederländischer Entwickler deckt Kuriositäten im Quellcode auf

Im Quellcode legen Entwickler in einer Programmiersprache das Verhalten der Anwendung fest. Damit sich andere Entwickler beziehungsweise der Schreibende selbst sich in dem Code später noch zurechtfindet, werden Kommentare verwendet um beispielsweise bestimmte Codezeilen zu erklären. Genau in diesen Kommentaren ist der niederländische Entwickler Leon Zandman nun auf einige Kuriositäten gestoßen.

In einer Anmerkung im Quellcode von Word findet sich beispielsweise ein Auszug aus Hamlet von Bill "Shake" Spear, dessen Wortlaut für die Ewigkeit im Programm erhalten bleiben soll. Anscheinend war hier ein Entwickler mehr als glücklich einen Fehler behoben zu haben und sah es als angebracht an, mit dem Gedicht die Menschheit - vermutlich aber sich selbst - zu würdigen. An einer anderen Stelle findet sich gar ein Kommentar, der noch weiter geht. Hier bezeichnet sich das Team selbst als Götter.

Ein Gedicht von Bill Shake Spear. Gedicht von Bill "Shake" Spear
Screenshot: Leon Zandman
An einer anderen Stelle sieht es dann aber wiederum ganz anders aus. Hier sind die Hinweise voller Erklärungen für Behelfslösungen. Dass die Entwickler wenig begeistert von den Notlösungen waren, zeigen Beschreibungen der Hacks als minderwertig, beschämend, grauenhaft und grob. Noch weiter geht ein Entwickler im Quellcode von MS-DOS. Er benennt eine Funktion im Programm frei übersetzt als schlimmen, schädlichen, verdorbenen Furz. Wer sich selbst schon einmal mit der Entwicklung von Programmen beschäftigt hat, der dürfte die Verzweiflung, die wir hinter der Benennung vermuten, spüren oder zumindest nachempfinden können. Ähnlich gereizt dürfte auch der Programmierer gewesen sein, der sich im Quellcode von Word mit - frei übersetzt und zensiert - "noch einem verdammten"-Trick behilft.

Dass Microsoft manchmal kritisiert wird, nicht unbedingt viel von seinen Nutzern zu halten, dürfte niemand bestreiten können. Ein anderer Kommentar im Code dürfte jeden Zweifel aus dem Weg räumen. Bei der Deklaration einer Variable weißt der Entwickler darauf hin, dass der dumme Nutzer ein Netzwerk von Novell, einer anderen Firma, verwendet.

Am Ende einige Worte zur Übersetzung

Zugegeben, viele der Benennungen und Kommentare sind recht schwer in die deutsche Sprache zu übersetzen. Deshalb empfehlen wir am Ende dieses Artikels einen Blick in den Twitter-Stream von Leon Zandman zu werfen. Die Götter von Microsoft. Die Götter von Microsoft
Screenshot: Leon Zandman
Für historisch Interessierte sind diese Leckerbissen aus der Frühzeit des Computers mehr als lesenswert. Angehende Entwickler dürfte es beruhigen, dass sich auch Microsoft-Entwickler schon mit Frustration, Wut und Verzweiflung auseinander setzen mussten und ihren Gefühlen in den Kommentaren freien Lauf gelassen haben. Einige von ihnen hätten aber vermutlich nie erwartet, dass sich knapp 30 Jahre nach dem Entstehen des Programms noch Menschen für ihre Kommentare interessieren würden.

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