Hauptversammlung

ProSiebenSat.1: Zurück zum Kerngeschäft TV?

Vor der ProSiebenSat.1 Haupt­ver­samm­lung in dieser Woche kommt es zum Show­down. Groß­ak­tionär Mediaset wirft dem ehema­ligen Manage­ment schwere Versäum­nisse vor und sieht die bishe­rige Stra­tegie als geschei­tert an.
Von Björn König

Aufgrund der Corona-Pandemie hält ProSiebenSat.1 in diesem Jahr eine virtu­elle Haupt­ver­samm­lung ab. Vorstands­chef Rainer Beau­jean muss sich aber trotzdem auf ein heftiges Gewitter einstellen. Der neue italie­ni­sche Groß­ak­tionär Mediaset ist nämlich mit der bishe­rigen Konzern­stra­tegie alles andere als zufrieden. Dessen Finanz­chef Marco Gior­dani machte seinem Ärger auch nicht etwa in einem persön­li­chen Gespräch, sondern in einem Inter­view mit dem Nach­rich­ten­ma­gazin "Spiegel" Luft, was nicht gerade auf eine gute Bezie­hung zwischen dem ProSiebenSat.1-Manage­ment und seinem neuen Groß­ak­tionär hindeutet.

Keine Stra­tegie für TV-Geschäft

Foto: Mediaset Mediaset-Finanzchef Marco Giordani
Foto: Mediaset
Marco Gior­dani stellte im Gespräch mit dem "Spiegel" unmiss­ver­ständ­lich klar, dass Mediaset die unter ProSiebenSat.1-CEO Max Conze einge­führte Stra­tegie grund­sätz­lich ablehnt. Seiner­zeit hatte das Unter­nehmen versucht, sich mit der Betei­li­gung an Inter­net­por­talen vom klas­si­schen TV-Werbe­ge­schäft unab­hän­giger zu machen. Diese Stra­tegie sei jedoch aus Sicht von Mediaset krachend geschei­tert: Der Versuch, sowohl eine TV-Sparte als auch Portale wie Verivox oder Parship zu betreiben, habe dazu geführt, "dass die Sender gelitten und Markt­an­teile an RTL verloren haben", so Gior­dani.

Mit der Aussage dürfte Gior­dani aller­dings bei CEO Rainer Beau­jean offene Türen einrennen, denn der Manager hat nach dem unfrei­wil­ligen Abgang seines Vorgän­gers Conze bereits mit den Umbau­ar­beiten begonnen. Mittel­fristig wird sich ProSiebenSat.1 also ohnehin vom Portal­ge­schäft trennen und sich wieder auf das Kern­ge­schäft Enter­tain­ment konzen­trieren.

Vorerst kein Über­nah­me­an­gebot

Der Manager machte weiterhin deut­lich, dass Mediaset die Entwick­lung bei ProSiebenSat.1 zunächst weiter beob­achten wolle. Eine Komplett­über­nahme der Sender­gruppe und deren Inte­gra­tion in den Mediaset-Konzern stehe aktuell zwar nicht zur Debatte, an einer Konso­li­die­rung des euro­päi­schen TV-Marktes führe jedoch kein Weg vorbei. Tech­ni­sche Syner­gien seien aus seiner Perspek­tive beispiels­weise bei Strea­ming-Lösungen möglich, um Kosten zu sparen. Hier deutet sich also bereits die Vermu­tung an, dass Mediaset seine Strea­ming-Lösung mit Joyn in Deutsch­land verschmelzen will.

Ob diese Stra­tegie jedoch auch von anderen Groß­ak­tio­nären, wie dem tsche­chi­schen Investor Daniel Kret­insky oder der US-Betei­li­gungs­ge­sell­schaft KKR mitge­tragen wird, ist bislang unklar. Mediaset hält im Gegen­satz zu Kret­insky aller­dings eine stra­te­gi­sche Betei­li­gung und beab­sich­tigt eine euro­päi­sche Medi­en­gruppe unter dem Namen "Media for Europe" aufzu­bauen. Es ist also sehr wahr­schein­lich, dass der Konzern weitere Aktien aus dem Free­float (Streu­be­sitz) zukauft oder womög­lich mittel­fristig Betei­li­gungs­an­teile der anderen insti­tu­tio­nellen Inves­toren über­nehmen will.

"An uns kommt niemand vorbei"

Im Gespräch mit dem "Spiegel" ließ der Mediaset-Finanz­chef schließ­lich keinen Zweifel daran, wer in München der neue Herr im Haus ist: "An uns kommt niemand vorbei", so Gior­dani. Die weitere Zukunft von ProSiebenSat.1 entscheidet sich also in Mailand. Über nicht ganz unbe­rech­tigte Sorgen, dass die Mediaset-Eigen­tü­mer­fa­milie Berlus­coni nun womög­lich sogar poli­ti­schen Einfluss auf die deut­sche Sender­gruppe nehmen könnte, reagierte Gior­dani gelassen: "Heute sollten sich Poli­tiker eher vor der Markt­macht von Google und Face­book fürchten". Selbst wenn jedoch ProSiebenSat.1 und Mediaset endgültig verschmelzen, wäre der Kampf gegen die großen US-Giganten Netflix und Amazon noch lange nicht gewonnen. Selbst den Italie­nern ist klar, dass die euro­päi­sche Medi­en­branche für diesen Kampf einen äußerst langen Atem haben muss. Und zwar nicht nur mit Blick auf das Konto.

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