Fernsehen

Steht Sendergruppe ProSiebenSat.1 vor der Zerschlagung?

Die italie­ni­sche Mediaset hat ihren Stimm­rechts­an­teil an der ProSiebenSat.1 Media SE auf 24,9 Prozent erhöht und verfügt damit nun de facto über eine Sperr­mi­no­rität bei der Münchener Sender­gruppe. Ohne Zustim­mung aus Mailand geht nichts mehr.
Von Björn König

Foto: ANSA/Matteo Bazzi Mediaset-Zentrale in Cologno Monzese
Foto: ANSA/Matteo Bazzi
In Italien gilt ein bekanntes Sprich­wort: "Il denaro è un buon servo ed un cattivo padrone". Auf Deutsch bedeutet dies "Das Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr". So in etwa dürfte der neue ProSiebenSat.1-Vorstands­chef Rainer Beau­jean womög­lich auch über den nun wich­tigsten Aktionär seiner Sender­gruppe denken, zumin­dest sein Vorgänger Max Conze tat dies sicher.

Die italie­ni­sche Gruppo Mediaset des ehema­ligen italie­ni­schen Minis­ter­prä­si­denten Silvio Berlus­coni hält nun eine de facto Sperr­mi­no­rität von 24,9 Prozent der Stimm­rechte bei ProSiebenSat.1. Da auf Haupt­ver­samm­lungen ohnehin nicht immer alle stimm­be­rech­tigten Aktio­näre anwe­send sind, haben die Italiener nun freie Bahn. Das bedeutet einfach formu­liert: In München werden keine Entschei­dungen mehr gegen den Willen von Mediaset getroffen. Daran wird auch die Betei­li­gung des tsche­chi­schen Inves­tors Daniel Kret­insky nichts mehr ändern können.

Kontrolle im Aufsichtsrat

Foto: ANSA/Matteo Bazzi Mediaset-Zentrale in Cologno Monzese
Foto: ANSA/Matteo Bazzi
Dass Mediaset künftig über den Aufsichtsrat erheb­liche Kontrolle auf ProSieben ausübt, ist prak­tisch sicher. Übli­cher­weise werden entspre­chende Posten mit den Finanz­chefs der Groß­ak­tio­näre besetzt. Im Falle von Mediaset wäre dies Marco Gior­dani, der seit dem Jahr 2000 über den Haus­halt der italie­ni­schen Medi­en­gruppe wacht. Zudem leitet er Media­sets Pay-TV-Geschäft "Mediaset Premium".

Natür­lich sind auch andere Konstel­la­tionen möglich, doch die (finan­zi­elle) Unab­hän­gig­keit ist in München defi­nitiv dahin. Die Italiener werden bei ProSieben wahr­schein­lich zügig auf Einspa­rungen drängen und Syner­gien im Bereich Verwal­tung und Technik heben wollen. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass der tech­ni­sche Sende­be­trieb und das Marke­ting künftig aus Mailand abge­wi­ckelt, Lizenzen zusammen erworben oder Inhalte gemeinsam produ­ziert werden.

ProSiebenSat.1 vor der Zerschla­gung?

Klar ist auch, bei dem aktu­ellen Gemischt­wa­ren­laden aus der Zeit von Vorstands­chef Max Conze wird es nicht bleiben. Rainer Beau­jean hat bereits mit den "Aufräum­ar­beiten" begonnen, mittel­fristig dürfte man sich von allen Berei­chen trennen, die nicht zum Kern­ge­schäft Fern­sehen und Unter­hal­tung gehören. Die Rede ist hierbei insbe­son­dere von der NuCom-Group, über die ProSiebenSat.1 beispiels­weise an Portalen wie Elite Partner oder Verivox betei­ligt ist.

Auf der anderen Seite wird Mediaset sich genau anschauen, welche "Filet­stücke" sich beson­ders gut in Mediaset inte­grieren lassen. Inter­es­sant sind hier neben dem eigent­li­chen linearen TV- und Strea­ming-Geschäft ganz sicher auch die eigenen Produk­ti­ons­ka­pa­zi­täten. Beispiels­weise produ­ziert die ProSieben-Tochter Red Arrow Studios für Amazon die Serie "Bosch" sowie "Love is Blind" für Netflix. In seiner aktu­ellen Zusam­men­set­zung wird der Konzern jedoch in Zukunft kaum weiter bestehen.

Chance für Strea­ming

Inter­es­sant ist natür­lich, was bei einer engeren Zusam­men­ar­beit zwischen Mediaset und ProSieben mit den Strea­ming-Diensten passiert. Beide Unter­nehmen verfügen mit Joyn sowie Mediaset Play über eigene non-lineare Produkte. Joyn hatte bereits eine Expan­sion nach Öster­reich ange­kün­digt, mögli­cher­weise steht nun Italien ganz oben auf der Agenda.

Umge­kehrt wäre es natür­lich genauso denkbar, dass Mediaset bei Joyn irgend­wann den Stecker zieht und ein eigenes Produkt nach Deutsch­land bringt. Darüber kann man aktuell nur speku­lieren, doch eines ist schon jetzt klar: Die Zeit der zwei eigen­stän­digen deut­schen Medi­en­kon­zerne RTL und ProSieben neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu.

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