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219 Warnmeldungen: Ein Jahr Cell Broadcast in Deutschland

Wenn ein Hoch­wasser droht, müssen die Anwohner schnellst­mög­lich infor­miert werden - und zwar alle. Das Warn­system Cell Broad­cast soll hierbei helfen.
Von mit Material von dpa

Ob Brände, Hoch­wasser, verun­rei­nigtes Trink­wasser oder der Fund von Welt­kriegs­bomben: Ein Jahr nach dem offi­ziellen Start des Handy-Alarm­sys­tems Cell Broad­cast hat es bereits 219 Warn­mel­dungen über drohendes Unheil über­mit­telt. Offi­ziell ist der Dienst am 23. Februar 2023 in Deutsch­land nach einem vorhe­rigen Probe­betrieb gestartet.

Schnelles Warn­mittel

"Gerade in akuten Gefah­ren­situa­tionen hat sich Cell Broad­cast als schnelles und zuver­läs­siges Warn­mittel in Deutsch­land erfolg­reich bewährt", erklärte der Präsi­dent des Bundes­amtes für Bevöl­kerungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe (BBK), Ralph Tiesler, heute in Bonn. Wenn das Smartphone nervig schrill klingelt, erscheint eine Warnmeldung auf dem Bildschirm, in deutscher oder englischer Sprache Wenn das Smartphone nervig schrill klingelt, erscheint eine Warnmeldung auf dem Bildschirm, in deutscher oder englischer Sprache
Foto: o2-Telefónica
Ob ein Amok­lauf in Hamburg, eine Explo­sions­gefahr in Essen, die Sturm­flut in Ostfries­land, extremes Glatteis in Unter­franken, ein Groß­brand in Potsdam: Das Kata­stro­phen-Warn­system "Cell Broad­cast" wurde bereits 219-mal seit dem Start in Deutsch­land einge­setzt – hinzu kamen 43 Aktua­lisie­rungen zu bestehenden Warnungen.

Stär­kung des Bevöl­kerungs­schutzes

Mit diesem zusätz­lichen Warn­mittel sei ein "weiterer wich­tiger Schritt zur Stär­kung des Bevöl­kerungs­schutzes erreicht" worden. Die meisten Warnungen gab es in Nord­rhein-West­falen (59), gefolgt von Rhein­land-Pfalz (32), Bayern auf Platz 3 (25) und dem Bundes­land Hessen (20).

Probe­betrieb seit 2022

o2-Telefónica erläutert, wie die Warnmeldungen zu den Kunden kommen. Das Verfahren ist in allen Netzen identisch. o2-Telefónica erläutert, wie die Warnmeldungen zu den Kunden kommen. Das Verfahren ist in allen Netzen identisch.
Grafik. o2-Telefónica
Cell Broad­cast ergänzt offi­ziell seit dem 23. Februar 2023 die bereits vorhan­denen Warn­kanäle, also Sirenen, Rund­funk, TV und Apps wie Nina oder Katwarn. Bei dem in Deutsch­land recht neuen System werden Nach­richten wie Rund­funk­signale an alle kompa­tiblen Geräte geschickt, die in einer Funk­zelle einge­bucht sind - daher der Name "Cell Broad­cast". Es erscheint ein Text auf dem Handy-Display, der auf eine Gefahr hinweist, und das Handy schrillt laut. Der Probe­betrieb hatte bereits 2022 begonnen.

Trau­riger Anlass: Ahrtal

Anlass für die Einfüh­rung von Cell Broad­cast in Deutsch­land war die Flut­kata­strophe im Ahrtal in Rhein­land-Pfalz und Nord­rhein-West­falen im Sommer 2021 mit mehr als 180 Toten.

Alle Netze strahlen Cell Broad­cast aus

Alle vier Netz­betreiber in Deutsch­land über­mit­teln nur die Signale, sind aber für den Inhalt der Nach­richten nicht verant­wort­lich, der in allen Netzen iden­tisch ist. Es ist auch nicht bekannt, wie viele Menschen diese Nach­richten aktuell empfangen haben oder nicht. Bevor der Cell Broadcast Dienst offiziell freigegeben wurde, fanden einige vorher angekündigte Probealarme statt. Bevor der Cell Broadcast Dienst offiziell freigegeben wurde, fanden einige vorher angekündigte Probealarme statt.
Foto: Vodafone Deutschland
Wann und was ausge­strahlt wird, entscheiden die zustän­digen Kata­stro­phen­behörden vor Ort. Da kann es auf dem Land auch einmal eine viel­leicht "harmlos" erschei­nende Warn­mel­dung für einen Dach­stuhl­brand in 20 bis 30 km Entfer­nung geben. Aber auch ein zunächst "harm­loser" Land­regen könnte sich schnell zu einer Flut­welle entwi­ckeln - im Ahrtal wurde das viel zu spät erkannt.

Mein Handy klin­gelt, Deines nicht?

Es kann auch vorkommen, dass von zwei Handys in einem Raum nur eines "klin­gelt", das andere aber schweigt. Die Ursa­chen können viel­schichtig sein. So könnte das eine Handy eine veral­tete Soft­ware enthalten, die mit dem aktu­ellen SMS-Cell-Broad­cast-Proto­koll nicht klar kommt. Bei bestimmten (älteren) Geräten muss der SMS-CB-Kanal "919" manuell einge­stellt werden, was aber auch keine Garantie dafür ist, dass es dann auch funk­tio­niert. Dass man seinem Handy die jeweils aktu­ellste verfüg­bare Soft­ware spen­diert, sollte selbst­ver­ständ­lich sein.

Denkbar ist auch, dass ein Gerät zum Zeit­punkt des Alarms in einem "Funk­loch" war und nichts empfangen hat. Die Hand­netz-Betreiber sind für Feed­back dankbar, um ihre Systeme zu verbes­sern oder zu opti­mieren.

Wer ist betei­ligt?

Neben den Netz­betrei­bern Telekom, Voda­fone, o2-Telefónica oder 1&1-Mobil­funk sind weitere Dienst­leister invol­viert. Weniger bekannt dürfte sein, das die mecom Medien-Commu­nika­tions-Gesell­schaft, ein Toch­ter­unter­nehmen der dpa, u.a. das Modu­lare Warn­system "MoWaS" für die Bundes­repu­blik Deutsch­land entwi­ckelt und betreibt. Mit MoWaS werden amtliche Warn­mel­dungen für die Bevöl­kerung erfasst und an eine Viel­zahl von Warn­mul­tipli­katoren, darunter Medien, Warn-Apps wie NINA usw., gesi­chert verteilt.

Darf es eine App sein?

Teile der Warn-App NINA werden von der dpa-Abtei­lung "Custom Content" im Auftrag des Bundes­amts für Bevöl­kerungs­schutz und Kata­stro­phen­hilfe (BBK) mit amtli­chen Infor­mationen bestückt, die öffent­lich verfügbar sind. Die App NINA alar­miert inzwi­schen nicht nur bei bundes­weiten Groß­ereig­nissen, sondern auch bei lokalen Vorfällen, beispiels­weise bei mögli­chem Hoch­wasser durch Stark­regen. In Hessen gibt es eine Vari­ante der App "Katwarn", die unter dem Etikett "Hessen­warn" weitere Infor­mationen ausstrahlt, z.B. über vermisste Personen.

Cell Broad­cast ist in jedem aktuell neu verkauften Handy oder Smart­phone enthalten und ab Werk einge­schaltet. In den Tiefen der Einstel­lungen findet man teil­weise noch einen "Test­kanal", über den "Test­nach­richten" ausge­strahlt werden können, aber nicht müssen.

Handy im Funk­loch - wird wieder­holt?

War das Handy während eines Alarms ausge­schaltet oder befand sich im Funk­loch, kann es durchaus sein, dass die letzte Nach­richt verloren bleibt, also nicht nach­geholt wird. Während des Alarms hingegen könnte eine Nach­richt mehr­fach nach­ein­ander ausge­strahlt werden, um kurz­zei­tige Funk­löcher oder Empfangs­pro­bleme auszu­glei­chen.

Gäste, die mit einer auslän­dischen SIM-Karte in ein deut­sches Netz einge­bucht sind, erhalten diese Nach­richten eben­falls, mögli­cher­weise auto­matisch in engli­scher Sprache. Steht das eigene deut­sche Handy­netz nicht und nur ein konkur­rie­rendes Netz zur Verfü­gung (wo man sich nicht einbu­chen darf), ist der Cell-Broad­cast-Empfang nicht möglich, da das Handy ja das fremde Netz nur für Notrufe benutzen könnte.

Geheim­tipp Dual-SIM

Verwendet der Nutzer ein Dual-SIM-Gerät mit SIM-Karten verschie­dener Anbieter, kann der Alarm auf einer oder beiden SIM-Karten eingehen und signa­lisiert werden. Mit zwei getrennten Netzen in einem Gerät ist die Chance höher, solche Nach­richten auch dann zu empfangen, wenn ein Netz "fehlen" sollte. Wer es genau wissen möchte, kann auch noch eine Warn-App wie NINA (für Android oder für iOS oder Katwarn (für Android, für iOS und auch für die Huawei AppGallery (bzw. Hessen­warn für Android, für iOS) instal­lieren.

Und wenn das Handy versagt?

Ist der Akku restlos leer oder in Gegenden, in denen es über­haupt kein Netz zu empfangen gibt, bleiben die Handys auch im Alarm­fall stumm. Viel­leicht gibt es eine noch funk­tio­nie­rende Alarm­sirene oder Radio-Empfang auf UKW oder ggfs. DAB+.

Handy­masten brau­chen Strom. Dabei kann der Wind helfen.

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