Vor 25 Jahren: Liberalisierung des Telefon-Markts startete
Heute vor 25 Jahren am 1. Januar 1998 wurde Telekommunikationsgeschichte geschrieben. An diesem Tag verlor die Deutsche (Bundespost) Telekom ihre Alleinherrschaft über Telefon- und Datenverbindungen. Der Telekommunikationsmarkt wurde liberalisiert.
Jüngere Leser wissen wohl nicht mehr, dass bis dahin die Deutsche Bundespost den deutschen Telekommunikations- und Postmarkt als sogenannter "Monopolist" beherrschte. Die "Post" bestimmte nicht nur über die Nutzung der Netze, sondern setzte auch die Preise fest, vermietete Endgeräte an ihre Kunden und verbot aufgrund des Fernmeldeanlagengesetzes die Nutzung eigener Telefone, Faxgeräte oder Modems. Wer an seiner Telefondose herumschraubte, beging eine "Straftat".
Zum Start der Liberalisierung startete die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) ihren Betrieb. Heute heißt sie Bundesnetzagentur und ist auch für Strom, Gas und Eisenbahnen zuständig.
Spürbare Liberalisierung: Call by Call
Ein spürbarer Effekt der Liberalisierung war die Einführung von Call by Call (CbC) und Preselection.
Beide Dienste waren damals absolut neu und können bis heute genutzt werden. Endkunden der Deutschen Telekom konnten erstmalig bei der Wahl einer Rufnummer eine "Sparvorwahl" vorne dran stellen, und ihre Telefonrechnungen auf einen Schlag spürbar senken.
Call by Call: Funktionsweise und Einschränkungen
Seit 25 Jahren möglich: Call by Call
Foto/Grafik: teltarif.de
"Verbindungsnetzbetreiberkennzahl" - so nannten die Behörden die Call-by-Call-Vorwahlen, die ab Januar 1998 offiziell nutzbar waren, vorher gab es schon vorsichtigen Probebetrieb. Es war die Zeit, als im Telefon-Marketing gerne "englisch" klingende Begriffe geprägt wurden, nach dem "Handy" (die Briten sagen "Mobile" oder "Mobile Phone") jetzt also "Call by Call", die Briten würden es "Dial-Around-Service" nennen.
Um diese Technik nutzen zu können, musste und muss der Kunde seinen Anschluss weiterhin bei der Deutschen Telekom haben. Private Mitbewerber hätten diese Technik auch anbieten können, waren aber nie dazu verpflichtet und schreckten vor den massiven Kosten und dem Risiko, dass die Kunden nur "Rosinen picken" würden, zurück.
Call by Call: Wie funktioniert das genau?
Nehmen wir ein Beispiel: Ich möchte Tante Augste in Berlin unter der Rufnummer 030-123456 erreichen. Dann schaue ich z. B. auf teltarif.de nach, welche Sparvorwahl gerade günstig ist und wähle dann 010xx-030-123456 an einem Stück. Die Verbindung wird dann über den Anbieter xx geführt. Obwohl der Leitungsweg länger sein kann, war und ist es (oft noch) günstiger als vorher alleine über die Telekom. Aufgrund des hohen Andrangs von neuen Anbietern zu Beginn der Liberalisierung, mussten bald noch weitere Call-by-Call-Vorwahlen nach dem Format 0100yy eingeführt werden. Wenige CbC-Anbieter verlangten eine Registrierung, bevor man sie nutzen konnte.
Auch für den Mobilfunk war über Call by Call kurz diskutiert worden, aber die Mobilfunkanbieter betonten, dass der Aufbau eines Netzes "teuer" sei, und auf dem Funkweg zwischen Handy und der nächsten Festnetzvermittlung des Mobilfunkanbieters wäre das "Monopol" geblieben. Es gab wohl mal technische Vorbereitungen im Mobilfunknetz, aber die Geschichte wurde nie weiter verfolgt.
Möglich bleibt die Sparvorwahl für Anrufe vom Festnetz zum Mobilfunk, und da macht es Sinn: Wer einen Standard-Telefonanschluss (mit und ohne Internet) der Telekom hat und nicht den "MagentaEINS" Rabatt nutzen kann (Kombination mit vorhandenem Telekom Mobilfunk Vertrag), zahlt nach wie vor 19 Cent pro Minute zu Mobilfunk, minutengenau, d.h. 61 Sekunden kosten dann schon 38 Cent.
Alternative Preselection?
Wem Call by Call zu "lästig" war, der kann und konnte sich eine Preselection einstellen lassen. Dann wird in der Vermittlung vollautomatisch 010xx vor alle gewählten Rufnummern eingefügt. Das kann aber durch Wahl einer anderen Spar-Vorwahl "überschrieben" werden. Wer später seine Preselection wieder loswerden möchte (z. B. weil die Tarife uninteressant oder viel zu teuer geworden sind oder weil der eigene Anschluss längst eine Flatrate besitzt), muss bei zwei Anbietern kündigen: Beim Preselection-Anbieter und bei der Telekom. Vorsicht: Unbedingt nachhaken, ob die Preselection wirklich aus allen System gelöscht wird!
Test auf Preselection?
Um zu testen, welcher Anbieter aktuell geschaltet ist, wählt man am Festnetz die Kurzwahl 0310 (für die Preselection von Ferngesprächen) oder 0311 (für die Preselection von Ortsgesprächen) und sollte dann eine Ansage hören "Sie telefonieren über das Netz von xx". Zunächst waren nur günstige Ferngespräche möglich, 2003 kamen auch günstigere Ortsgespräche dazu. Anfangs konnte man über 010xx0310 auch herausfinden, wie der Anbieter mit der Vorwahl 010xx heißt, diese Funktion gibt es leider nicht mehr.
Call by Call mit Einschränkungen
Sollte der bisherige Telekom-Kunde zu einem alternativen "Vollanschluss-Anbieter" wechseln, kann er keinen Call by Call mehr nutzen und muss komplett zu den Konditionen des neuen Providers telefonieren. Dessen Tarife können speziell zu Mobilfunk deutlich teurer sein (oft 25-29 Cent/Minute). Bei Anrufen zu Sonderrufnummern blieb Call by Call schon immer außen vor, die waren schon immer bundesweit einheitlich tarifiert.
Nach 14 Jahren: Pflicht zur Tarifansage
Durch die Dynamik des Marktes änderten sich die Preise fortwährend. Die Liberalisierung war also gleichzeitig die Geburtsstunde von teltarif.de. Hier konnten und können interessierte Telefon-Kunden vor dem Gespräch nachschauen, welche Sparvorwahl aktuell günstig ist. Doch manche Anbieter ändern ihre Preise täglich oder sogar stündlich.
Das wurde dem Gesetzgeber dann doch zu bunt: Seit Mai 2012 müssen Call-by-Call-Anbieter eine Tarifansage vorschalten. Vor dem Aufbau des eigentlichen Telefonats kann der Kunde also prüfen, ob der Preis noch stimmt, und gegebenenfalls schnell auflegen. Vorsicht: Manche nennen Euro-Preise andere Cent-Preise, je nachdem was "günstiger" klingt. Einige Anbieter, die als besonders seriös wahrgenommen werden möchten, geben für ihre Tarife freiwillig eine Tarifgarantie.
Call by Call: Seriöses Geschäftsmodell oder Möglichkeit für Abzocke?
Neben seriösen Call-by-Call-Anbietern, die rechtzeitig vorab über Tarifänderungen informierten, gab und gibt es immer wieder auch schwarze Schafe, die entweder recht kurzfristig oder auch mehrmals am Tag ihre Tarife änderten. Die Anbieter hatten bemerkt, dass manche Verbraucher sich eine Call-by-Call-Tarifübersicht auf Papier ausdrucken, neben das Telefon legen und dort dann oft wochenlang sorglos ohne weitere Preis-Kontrolle nutzen.
Hatte sich dann eine bestimmte Call-by-Call-Vorwahl zu einem bestimmten Ziel als "Schnäppchen" ins Gedächtnis der Kunden eingeprägt, erhöhten bestimmte Betreiber ausgerechnet für diese Nummer die Preise drastisch. Wo traditionell viel ins Ausland telefoniert wird, beispielsweise an Weihnachten, zum Jahreswechsel oder in der Reisezeit, lohnte sich das. Manche Anbieter hatten zu wenig Leitungen gemietet, und dann hörten die Anrufer ein Besetztzeichen oder es klappte gar nicht.
Derweilen sorgten unabhängige Vergleichs- und Informations-Dienste wie beispielsweise teltarif.de für Klarheit. teltarif.de startete schon Ende 1997 mit der Webseite und Anfang 1998 mit dem teltarif.de-Newsletter und ersten Newsmeldungen, später wurde der Call-by-Call-Tarifvergleich die wichtigste Anlaufstelle. Dieser ist nicht nur im Internet abrufbar, auch regionale Tageszeitungen veröffentlichen Auszüge daraus. Ganz Hartgesottene können den Tarifvergleich sogar noch per Videotext am Fernseher abrufen. Den allerersten Artikel von teltarif.de finden Sie bis heute im Netz.
Abnehmende Bedeutung von Call by Call
Im Laufe der Geschichte ist die Pflicht der Deutschen Telekom erloschen, Call by Call anzubieten. Doch trotz aller Streitigkeiten gelang es dem Interessenverband VATM, mit der Telekom eine freiwillige Verlängerung des Call-by-Call-Angebotes auszuhandeln. Vorläufig bis Ende 2024, vielleicht auch noch länger.
Zu beachten ist, dass Call by Call nach wie vor nur mit einem Original-Telekom-Anschluss funktioniert. Wenn die Telekom sich mit einem privaten Mitbewerber zusammengetan hat und den Anschluss über fremde Leitungen und Systeme realisiert (Marke "Magenta Zuhause Regio"), dann geht Call by Call nicht mehr.
Längst gibt es bezahlbare Flatrates für Telefonate in alle deutschen Netze. Die Folge: Viele Kunden brauchen Call by Call nicht mehr. Manche Kunden haben sogar ihren Festnetzanschluss ganz abgeschafft. Wichtig bleibt Call by Call weiterhin für Kunden, die regelmäßig auf einem Festnetz- oder Mobilfunkanschluss im Ausland anrufen - wenngleich hier in den vergangenen Jahren auch OTT (Over-the-Top) oder Gratis-VoIP-Dienste wie Skype, WhatsApp Call, Signal und andere an Bedeutung gewonnen haben.
Wenn Sie keinen Festnetzanschluss mehr haben oder bei einem alternativen Anbieter angeschlossen sind, bleiben für teure Auslandstelefonate noch Alternativen wie VoIP, Callthrough, Callback und Ethno-Discounter oder das Telefonieren über Messenger. Das erfordert allerdings mehr oder weniger technische Kenntnisse und Erfahrung. Bei regelmäßigen Auslandskontakten ist das aber eine wichtige Alternative.
Die Politik gibt das Tempo vor
Schon in den 1980er-Jahren hatten sich Politik, Wirtschaft und Verbraucher Gedanken über die schwerfälligen und unflexiblen Telekommunikations-Monopolisten mit ihren zum Teil teuren Tarifen gemacht, zu denen es keine Konkurrenz gab. Schließlich ergriff die EU-Kommission die Initiative: 1988 wurde über die Endgeräterichtlinie die Nutzung alternativer Endgeräte erleichtert. 1990 wurde offiziell das staatliche Monopol auf Telefondienste abgeschafft, aber Mitgliedstaaten durften ihre Netzmonopole noch beibehalten.
1995 wurden die TV-Kabelnetze geöffnet, was in vielen Mitgliedsstaaten zwar zur Privatisierung der Netze führte. Einen wirksamen Anbieter-Wettbewerb auf den Kabelnetzen gibt es allerdings bis heute nicht. Erst mit der Richtlinie 96/19/EG mussten die verbliebenen Monopolrechte für Sprachtelefonie, Telekommunikationsnetze, Telefonverzeichnisse und Auskunftsdienste zum 1. Januar 1998 abgeschafft werden.
Obwohl zum Jahresbeginn 1998 unzählige neue Anbieter an den Start gingen und teilweise auch wieder verschwanden: Ohne die Telekom ist vieles bis heute gar nicht möglich. Deswegen wurde die Telekom verpflichtet, Leitungen ("letzte Meile") meist zu regulierten Preisen zu vermieten und die Inhalte der Telefonverzeichnisse (Telefonbuch, Auskunft) bereitstellen. Die Telekom musste die Abrechnung für Call by Call übernehmen und bei technischen Störungen die Netze instandhalten und warten.
Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Klar, die Telekom war zunächst gar nicht begeistert, ihren Konkurrenten "Starthilfe" geben zu müssen. Also war von Anfang eine staatliche Aufsichtsbehörde notwendig, die bereits erwähnte "Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post" (RegTP), als Nachfolgerin des vorherigen "Bundesamts für Post und Telekommunikation" (BAPT). Heute hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) nicht nur ein Auge auf die konkreten Preise und Entgelte, sondern auch auf die Konditionen derartiger Verträge, und sie kümmert sich auch um Verbraucherfragen. Wer sich für die teilweise extrem bürokratischen Details interessiert, findet auf www.bnetza-amtsblatt.de und auf www.bundesnetzagentur.de Lesestoff in Hülle und Fülle.
Die Telekom: Jetzt weltweit führend
Telekom-Chef Tim Höttges kündigt an, dass ab 2025 alle neuen Telekom-Dienstfahrzeuge rein elektrisch fahren sollen
Screenshot: Henning Gajek / teltarif.de
Mit dem Start der Liberalisierung im TK-Markt hatten nicht wenige vermutet oder gehofft, dass die Deutsche Telekom verschwinden oder nur noch eine Randfigur des Geschehens werden könnte. Doch dabei haben sich die Propheten getäuscht.
Nach anfänglichen Bedenken entfesselten die jeweiligen Telekom-Vorstände das Unternehmen und intensivierten Netzausbau und Kundenservice. Der heutige Telekom-Chef Höttges stellt regelmäßig neue bessere Zahlen vor. Der vom damaligen Telekom-Chef Ron Sommer vollzogene Einstieg in den US-Mobilfunkmarkt wurde seinerzeit heftig kritisiert. Sein Nach-Nachfolger René Obermann stellte in den USA die Weichen für einen massiven Netzausbau und schob die Fusion mit dem Wettbewerber Sprint an, die nach zähen Verhandlungen zwischen den Anteilseignern und mit Behörden und Gerichten unter Tim Höttges erfolgreich abgeschlossen werden konnte. T-Mobile USA schob sich dort an den etablierten Spielern AT&T und Verizon vorbei, und die Deutsche Telekom spielt weltweit ganz vorne in der Spitzenlage.
Bei Mobilfunk-Netztestes in Europa belegt die Telekom regelmäßig die vordersten Plätze, nur den Kollegen der Schweizer Swisscom, Sunrise und Salt werden teilweise noch bessere Noten gegeben.
Nicht nur im Festnetz, auch im Mobilfunk hat sich einiges getan
Der digitale Mobilfunk im Wettbewerb (GSM/D-Netze) startete schon 1992 mit der damaligen Mannesmann Mobilfunk GmbH ("D2 Privat"), die Telekom ("T-D1") galt von vorneherein als gesetzt, zumal sie schon über Erfahrungen mit A-Netz, B-Netz und C-Netz ("C-Tel") verfügte. 1994 kam die neue "E-Plus-Mobilfunk" dazu, und 1998 waren es mit VIAG-Interkom ("E2") dann schließlich vier Anbieter, die sich bei den Kunden bewarben.
Aufgrund einer völlig überteuerten UMTS-Frequenz-Auktion im Jahre 2000 kamen zunächst noch die Mobilcom Multimedia und die Group3G (später "Quam") als Nummer fünf und sechs dazu. Mobilcom Multimedia konnte nie richtig mit Kunden starten, weil der Hauptgeldgeber, die France Telecom, sich zurückzog, als sie einen tiefen Blick auf die Bücher geworfen hatten. Bei Quam (eine Kooperation von Telefónica Spanien mit der finnischen Telecom) zog der Gesellschafter "Telefónica S.A." schließlich den Stecker und saß dann auf einigen Milliarden Euro Schulden für eine verlorene Lizenz und für Netzvorbereitungen (Personal, Technik, etc.), die erst noch verdaut werden mussten.
United-Internet (1&1-Drillisch)-Chef Ralph Dommermuth hat als vierter Anbieter sein eigenes Mobilfunknetz gestartet.
Foto: Picture Alliance / dpa
2014 endete die Geschichte mit der Fusion von E-Plus und o2. Die EU stellte eine Bedingung: Die neue o2 musste einen virtuellen Netzbetreiber an Bord lassen, die 1&1. Letztere gewann Gefallen an der Geschichte und bewarb sich 2019 um eine eigene Mobilfunknetzlizenz. Deren Netz ist in diesen Tagen reichlich spät real an den Start gegangen mit drei funktionierenden Basisstationen. Eigentlich hätten es bis dahin 1000 sein sollen.
Dauerbrenner Funkloch
Ein großes Thema bleiben Funklöcher.
Foto: Picture Alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Von Anfang an gab es ein Thema: Funklöcher. Je mehr Nutzer die mobilen Telefone entdeckten, desto mehr Funklöcher tauchten auf. 2021 wurde sogar eine Anti-Funkloch-Gesellschaft des Bundes gegründet.
teltarif.de ist damals wie heute ein Nachrichtenmagazin für Telekommunikation mit Tarifvergleichen, zahlreichen Ratgebern und Hardware-Tests. Den Call-by-Call-Tarifvergleich gibt es ebenso wie Tarifvergleiche für Handytarife oder DSL-Tarife. Darüber hinaus bieten wir eine umfangreiche Tarif- und Gerätedatenbank und eine immer möglichst aktuelle und hintergründige Berichterstattung auch im neuen Jahr und in der Zukunft.