Entschieden

Urteil: Kunde muss Schockrechnung für mobile Daten nicht zahlen

Die Richter warfen dem Mobilfunk-Anbieter mangelnde Beratung vor
Von Marc Kessler

Urteil zur mobilen Daten-Nutzung Das LG Münster nahm den Kunden in Schutz:
Er hätte bessere Beratung erhalten müssen
Foto: PictureArt - Fotolia.com
Das Landgericht Münster hat einem Mobilfunk-Kunden Recht gegeben, der mehr als 900 Euro für die Nutzung mobiler Daten bezahlen sollte und von seinem Mobilfunkanbieter verklagt worden war. Nachdem das Amtsgericht in erster Instanz noch dem Mobilfunk-Unternehmen Recht gegeben hatte, entschied das Landgericht Münster in der Berufungsverhandlung zugunsten des Kunden. Der hätte im konkreten Fall eine bessere Beratung und Aufklärung beziehungsweise Warnung vor einer hohen (Daten-) Rechnung erwarten dürfen, so die Richter.

Im konkreten Fall hatte der Kunde ein Smartphone zusammen mit der Navigationssoftware "Route 66" im Mobilfunkshop des Anbieters zusammen mit dem Tarif Time & More All In 500 abgeschlossen. Bei Vertragsschluss konnte er zwischen einem volumen­abhängigen Abrechnungs­modell (0,006 Euro pro Kilobyte / 0,02 Euro pro Kilobyte für WAP-Verbindungen), einem Datenpaket mit 150 MB Inklusiv-Volumen zum Preis von 10 Euro und einer Daten-Flatrate zum Monatspreis von 25 Euro wählen. Auf Anraten des Mitarbeiters entschied sich der Kunde für die Volumenabrechnung, um nach der ersten Rechnung zu entscheiden, ob sich eines der beiden anderen Datentarif-Modelle für ihn lohnt.

Nach zwei Tagen: Datenkosten von gut 1 000 Euro

Urteil zur mobilen Daten-Nutzung Das LG Münster nahm den Kunden in Schutz:
Er hätte bessere Beratung erhalten müssen
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Es kam, wie es kommen musste: Der Kunde - und spätere Beklagte - installierte zuhause die Navigationssoftware auf seinem Smartphone. Dabei entstanden innerhalb von zwei Tagen Datenverbindungen in einer Gesamthöhe von mehr als 1 000 Euro, worauf der Anbieter die SIM-Karte des Kunden sperrte. Nachdem der Kunde seinen Vertrag nicht mehr nutzen konnte und die Rechnungen auch nicht mehr bezahlte, kündigte das Mobilfunk-Unternehmen ihm schließlich den Vertrag und verlangte Schadenersatz aufgrund der vorzeitigen Vertragsbeendigung.

Amtsgericht: Kunde ist selbst Schuld

Das Amtsgericht Ahaus (Az.: 16 C 2/10) entschied in erster Instanz gegen den Kunden: Es falle "in seinen Risikobereich, sich mit der Bedienungsanleitung auseinanderzusetzen und die Funktion zu deaktivieren", hieß es. Dem Mobilfunkanbieter obliege keine Pflicht, den Nutzer auf jede Art des automatischen Einwahl hinzuweisen. Dies würde "die im Rahmen der Privatautonomie geltende Selbstverantwortung des Kunden zu stark zulasten des Mobilfunkanbieters verschieben".

Landgericht: Mobilfunk-Anbieter hätte auf Gefahren hinweisen müssen

Der Kunde blieb jedoch hartnäckig und ging in Berufung. Das Landgericht Münster (Az.: 06 S 93/10) gab ihm daraufhin Recht: Denn die Mobilfunk-Firma hätte "dem Beklagten vor Abschluss des Mobilfunkvertrags unter gleichzeitiger Vermietung des Smartphones 'SGH i900' mit dem dazu gehörenden Navigationssystem 'Route 66' auf die Gefahr erheblicher Kosten durch WAP- und Internetverbindungen" hinweisen müssen. Dies gelte besonders deshalb, da dem Anbieter bekannt gewesen sein, "dass dieses Gerät Internet- und WAP-Verbindungen mit erheblichem Datenvolumen herstellen könnte - z.B. um Softwareupdates sowie aktuelles Kartenmaterial für die Navigationssoftware im Umfang von mehr als 150 MB herunterzuladen". Daher wäre der Mitarbeiter dazu verpflichtet gewesen, "den Beklagten auf die Gefahren (...) hinzuweisen und ihm eine Datenflatrate zur Vermeidung dieser Kostenfalle zu empfehlen".

Zudem habe der beklagte Kunde, so das Landgericht, "die von dem Handy heruntergeladenen Datenmengen und die hiermit verbundenen Kosten nicht überblicken" können. "Dies gilt insbesondere, weil ihm mit der vereinbarten Abrechungseinheit von 0,006 Euro / Kilobyte für Internet-Verbindungen bzw. 0,02 Euro / Kilobyte für WAP-Verbindungen ein besonders niedriger Preis suggeriert wurde", heißt es im Urteil.

Kritik an mangelnder Kostenkontrolle - SMS-Warnung gefordert

Kritik übte das Landgericht auch an der vergleichsweise späten Sperrung der SIM-Karte, als die immensen Kosten bereits angefallen waren. Die Richter befürworteten hier eine automatische Warnung des Kunden per SMS, bevor sich dieser unbewusst selbst schädige: "Der gewählte Tarif stand dementsprechend - was für den Mobilfunkanbieter erkennbar war - in einem eklatanten Widerspruch zu dem Nutzungsverhalten des Kunden. Hieraus musste der Mobilfunkanbieter den Schluss ziehen, dass der Kunde, dem die durch sein Handy abgerufenen Datenmengen und Kosten nicht unmittelbar mitgeteilt werden, sich offensichtlich unbewusst selbst schädigt. Die dargestellte Interessenslage spricht daher auch für eine Warnpflicht des Mobilfunkanbieters (...), beispielsweise durch eine automatisch generierte SMS bei Erreichen bestimmter Kostenmarken."

Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Die Kosten des Rechtsstreits muss das klagende Mobilfunk-Unternehmen zahlen.

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