Schuldenlast

Kommentar: Quo vadis, Deutsche Telekom?

Was kann der neue Vorstandsvorsitzende anders machen?
Von / dpa

Die Weisheit des Alters und die langjährige Erfahrung als Topmanager sollen es richten: Helmut Sihler, der 72-jährige neue Chef der Deutschen Telekom AG, soll das hochverschuldete Unternehmen wieder auf Trab bringen und einen sowohl intern als auch extern anerkannten Chef für das Unternehmen finden. Doch was können Sihler und sein Stellvertreter Gerd Tenzer besser bzw. anders machen als Ron Sommer?

Stihler hat beim größten Telekommunikationsunternehmen Europas - wenn auch nur vorübergehend für sechs Monate - ein schweres Erbe angetreten: So ist er einer aus der alten Telekomriege, die schon seinerzeit beim ersten Börsengang 1996 an Bord waren und denen beispielsweise eine mangelhafte Informationspolitik im Zusammenhang mit einer möglichen Überbewertung des Immobilienbestandes der Telekom vorgeworfen wird. Diesbezüglich hatte eine Anwaltskanzlei im März 2001 Strafanzeige gegen den damaligen Vorstand und die 20 Aufsichtsräte, darunter auch die beiden neuen Chefs, Stihler und Tenzer, erstattet. Die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft dauern noch an, der Ausgang sei "völlig offen". So steht zu befürchten, dass Stihler und Tenzer wie auch schon Ron Sommer wieder schnell zum Ziel gezielter Demontage werden, sofern die Geschäftsentwicklung nicht wie gewünscht verläuft.

Stimmen aus dem Aufsichtsrat der Telekom sprechen von einer "Neuausrichtung", und meinen damit einen radikalen Spar- und Konsolidierungskurs. Derzeit ist aber nicht klar, was damit eigentlich gemeint ist. Schließlich hatte bereits der Vorstand unter Sommer Ende März der Telekom ein striktes Sparkonzept verordnet: Die Kürzung von Investitionen in Sachanlagen sollen jährlich Ersparnisse von 1 Milliarde Euro bringen. Auch an Personalkosten will die Telekom sparen und bis 2004 jährlich gut 10.000 Arbeitsplätze vor allem im Festnetzbereich streichen. Summiert man die Erlöse aus dem geplanten Verkauf des TV-Kabelnetzes, von Immobilien und dem mehrfach verschobenen Börsengang von T-Mobile, würde sich die Verschuldung von gegenwärtig rund 65 Milliarden Euro bis Ende 2003 auf 50 Milliarden Euro senken lassen. Dieses Ziel hatte sich die Telekom ursprünglich sogar für Ende dieses Jahres vorgenommen. Doch der bereits sicher geglaubte Verkauf des Kabelnetzes an den US-Medienkonzern Liberty Media scheiterte im Frühjahr am Einspruch des Kartellamtes.

Der Ausichtsratsvorsitzende Winkhaus und Sihler wollen jetzt gemeinsam den Schuldenabbau vorantreiben. Beim forcierten Kostenabbau bleibt ihnen aber kaum Luft. Für das Kabelnetz scheint ein Preis von 5,5 Milliarden Euro, den die Telekom mit Liberty Media seinerzeit vereinbart hatte, heute nicht mehr realisierbar. Ein weiterer Stellenabbau ist wegen des tarifvertraglichen Ausschlusses von betriebsbedingten Kündigungen nicht möglich und mit den Gewerkschaften kaum zu machen.

Bleiben nur der Verkauf von weiteren Beteiligungen, und zwar im Kerngeschäft, das Sommer nicht anzutasten wagte. So wird in der Branche spekuliert, die Telekom könne sich von ihrer Beteiligung an der niederländischen Mobilfunkfirma Ben trennen. Zur Diskussion sollen angeblich auch Teile des Systemgeschäfts von debis (T-Systems) stehen, die die Telekom im vergangenen Jahr von DaimlerChrysler übernommen hatte. Börsen-Analysten wagen sogar die Prognose: "Die Telekom-Tochter VoiceStream bekommt in den USA kein Bein auf den Boden und wird wahrscheinlich verkauft". Auf diesem Wege könnte der Vorstand tatsächlich auf einen Schlag die Schulden kräftig reduzieren. Doch ein solcher Befreiungsschlag hätte ein hohen Preis: VoiceStream würde nicht annähernd den Kaufpreis von seinerzeit 35 Milliarden Euro erlösen und ein sattes Verlustgeschäft sein. Telekom-Insider warnen überdies vor einem Verkauf der eigenen Zukunft, wie es seinerzeit British Telecom gemacht hat, die heute nur noch ein nationaler Anbieter sind. Eigentlich kaum vorstellbar, dass Sihler diesen Wege geht. Am Tag seines Amtsantritts beteuerte er: "Wir bleiben ein internationales Unternehmen und werden diesen Kurs fortsetzen." Möglich scheint für die US-Tochter der Telekom indes eine andere Lösung, um sie schneller in die Gewinnzone zu führen: Eine Fusion mit AT&T Wireless. "Wir sind für Gespräche offen", heißt es dazu aus der Bonner Konzernzentrale.

Ob und wie schnell Sihler die zweite Aufgabe als Übergangschef der Telekom lösen kann, bleibt indes abzuwarten: Ein Nachfolger für den Vorstandsvorsitz soll gefunden werden, der das Vertrauen der Kapitalmärkte genießt, und im Unternehmen selbst ankommt. Eigentlich ist für eine solche Aufgabe aber nicht der Vorstand(svorsitzende) sondern der Aufsichtsrat zuständig. Doch bei der Telekom läuft in diesen Tagen manches ganz anders als im unternehmerischen Alltag üblich.

Generell werden die Telekom, deren Vorstände und Aufsichtsratmitglieder weiterhin mit ähnlichen Klippen und Problemen wie ihre ausländischen Konkurrenten zu kämpfen haben. So leiden beispielsweise auch der niederländische KPN-Konzern oder British Telecom unter hohen Schulden, die mit den bisherigen Ertragskonzepten nur schwer refinanzierbar scheinen. Auch in diesen Unternehmen hat es in der Vergangenheit mehrere Führungswechsel gegeben.