gekümmert

Editorial: Wer hat den besten Service?

oder: "Traue keiner Statistik, ..."
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Große Wellen schlug unsere Meldung vom Montag im Forum, demzufolge die Kölner Agentur ServiceRating ausgerechnet dem derzeit unter den Forennutzern sehr umstrittenen Mobilfunknetzbetreiber o2 Service-Bestnoten ausstellte. Und so tauchte zur Erklärung schnell das bekannte Sprichwort auf: "Traue keiner Statstik, die Du nicht selber gefälscht hast".

Der Satz ist sicherlich als allgemeine Warnung angemessen. Wie sehr Auguren sich täuschen können, sollte spätestens seit der letzten Bundestagswahl bekannt sein, als alle Wahlumfragen einen deutlichen Sieg der CDU/CSU voraussagten, es aber am Schluss nur zu einer knappen Mehrheit von vier Mandaten reichte. Bei Marktstudien zu Kundenzufriedenheit und Markenbindung sind die Fehler in der Regel noch größer. Das liegt zum Beispiel an der geringeren verfügbaren Datenbasis. Schließlich gehen wir nicht alle zwei Jahre unter kontrollierten Umständen zur Netzwahl, deren Ergebnisse dann pro Wahlbezirk detailliert veröffentlicht werden. Zudem widmen viele Verbraucher dem Thema "Telekommunikation" nur geringe Aufmerksamkeit. Wenn das alte Handy nicht mehr will, kaufen viele Verbraucher sich im erstbesten Laden halt ein neues. Allenfalls fragen sie vorher noch einen Freund, was er empfiehlt. Fragt man solche Kunden dann, welches Netz sie verwenden und wie sie den Service empfinden, bekommt man doch eher zufällige Antworten.

"Kein Service" ist der beste Service

Vor allem aber benötigt man den Service eines Netzbetreibers eigentlich nur dann, wenn es ein Problem gegeben hat: Eine Rechnung stimmt nicht, ein Handy ist in der Garantiezeit kaputt gegangen oder man will oder muss eine Netzeinstellung ändern. Der beste Service ist der, den man gar nicht erst braucht. Wird nun ein unbedarfter Verbraucher nach dem Service der Firma XY gefragt, wird dieser sich zunächst fragen, ob er die Firma kennt. Falls nein, wird er entweder wahrheitsgemäß antworten, oder die Service-Qualität des unbekannten Unternehmens als "eher negativ" darstellen. Kennt er die Firma hingegen, wird sich der Konsument weiter fragen: "Habe ich schonmal etwas schlechtes über diese Firma gehört?". Falls nein, wird die Service-Qualität als gut dargestellt, sonst entsprechend mit Punktabzügen.

Die Folge der vorgenannten Logik: Firmen mit großer Markenbekanntheit, aber vergleichsweise kleiner Verbreitung kommen am besten weg. Insbesondere die exzellenten Service-Qualität mit weit über 90 Prozent "zufriedenen" Kunden, die die Mobilfunk-Discounter wie simyo oder callmobile nach dem jeweiligen Marktstart für sich reklamierten, lassen sich mit dieser Logik erklären: Bei Umfragen unter eigenen Kunden liegt die Markenbekanntheit naturgemäß bei 100 Prozent, während die Zahl der Service-Probleme, die sich herumgesprochen haben, bei den Neulingen naturgemäß klein ist.

Euro- und 01805-Umstellung: Doch nicht so schlimm?

Dennoch: Würden die von vielen o2-Kritikern immer wieder angeführten Preiserhöhungen in laufenden Verträgen durch o2 bei der Euro-Umstellung oder der 01805-Verteuerung von großen Teilen der Bevölkerung als verwerflich betrachtet werden, dann hätte diese spezielle Service-Katastrophe sich längst herumgesprochen und o2 das Gesamtergebnis verhagelt. Ähnliches gilt für das aktuelle Problem der zunehmenden Abschaltung des T-Mobile-Roamings. Allen genannten Problemen zum Trotz erhielt o2 auch in der Unterwertung "Zuverlässigkeit und Fehlerfreiheit" das zweitbeste Einzelergebnis aller bewerteten Unternehmen.

Es scheint also, dass die allgemeine Öffentlichkeit hier o2 gegenüber wesentlich weniger nachtragend ist als die Fachöffentlichkeit. Dass die Massen schnell vergessen, wird auch künftig dafür sorgen, dass Netzbetreiber oder Politiker allen Skandalen zum Trotz wiedergewählt werden. Und auch künftig werden die Auguren versuchen, herauszufinden, wie schnell genau wir vergessen. Denn selbst die schlimmsten Fehlprognosen bleiben der Allgemeinheit nicht lange präsent.