Ministerpräsidenten

Reform: ARD und ZDF dürfen Sender ins Internet verlagern

Mehr Flexi­bilität für ARD und ZDF: Die Minis­ter­prä­sidenten haben sich auf einen Entwurfs-Text für den nächsten Medi­enän­derungs­staats­ver­trag geei­nigt. Die Öffent­lich-Recht­lichen können damit Programme ins Netz verla­gern oder inhalt­lich neu ausrichten.
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Die Medi­enpo­litik hat die Weichen für eine Reform des öffent­lich-recht­lichen Rund­funks gestellt, die ARD und ZDF künftig mehr Flexi­bilität bei den Fern­seh­ange­boten erlaubt. So sollen nur noch die beiden Haupt­pro­gramme, die Dritten Programme, die Gemein­schafts­pro­gramme Arte und 3sat sowie der Kinder­kanal KiKA verpflich­tend als lineares Angebot auch über klas­sische Rund­funk­wege verbreitet werden.

Bei den anderen Ange­boten wie One, ZDFinfo, ZDFneo, ARD-alpha, tages­schau24 oder Phoenix sollen die Öffent­lich-Recht­lichen künftig frei entscheiden dürfen, ob die Programme weiter als linearer Kanal über Kabel, Satellit, Antenne oder IPTV oder als non-lineare Platt­form bezie­hungs­weise als Misch­form aus Livein­halten und on demand im Internet verbreitet werden. Dies kann dann durch die Sender und die Aufsichts­gre­mien selbst entschieden werden, ohne dass hierfür die Medi­enpo­litik invol­viert sein muss.

Auch eine inhalt­liche Neuaus­rich­tung im bestehenden Rahmen ist möglich. Nicht gestattet sind dagegen zusätz­liche, neue Ange­bote.

Öffent­liche Anhö­rung im November

Angebote wie der Bildungskanal ARD-alpha sind schon heute besser im Netz aufgehoben Angebote wie der Bildungskanal ARD-alpha sind schon heute besser im Netz aufgehoben
Screenshot: Michael Fuhr
"Ich freue mich, dass es uns in der Rund­funk­kom­mis­sion gelungen ist, uns auf konkrete Vorschläge zur Reform des öffent­lich-recht­lichen Rund­funks zu verstän­digen", erklärte die Vorsit­zende der Rund­funk­kom­mis­sion, Minis­ter­prä­sidentin Malu Dreyer, heute beim Abschluss der Minis­ter­prä­siden­ten­kon­ferenz in Königs­winter. "Mit diesen werden wir nun voraus­sicht­lich ab dem 19. November in eine öffent­liche Anhö­rung gehen. Damit haben wir beim Medi­enstaats­ver­trag bereits gute Erfah­rungen gemacht. Wenn die Ideen der Länder breit und öffent­lich disku­tiert werden, ergeben sich immer weitere wich­tige Impulse. Diese Betei­ligung aller passt gut zum Auftrag von ARD, ZDF und Deutsch­land­radio, ein Angebot für alle zu machen."

Ziel des neuen Staats­ver­trages sei es, den Auftrag der Rund­funk­anstalten zu schärfen und den Marken­kern zu stärken. Dazu gehöre auch eine Flexi­bili­sie­rung der Instru­mente, mit denen die Anstalten diesem Auftrag gerecht werden. Minis­ter­prä­sidentin Malu Dreyer: "Eine staats­ver­trag­liche Einzel­beauf­tra­gung jedes einzelnen Rund­funk­pro­gramms bis hin zum Programm­namen passt nicht mehr zum geän­derten Nutzungs­ver­halten der Menschen. Diese Flexi­bili­sie­rung ist also gerade kein Frei­fahrt­schein, sondern bedeutet mehr Verant­wor­tung für die Anstalten."

Die öffent­liche Anhö­rung sei für einen Zeit­raum von gut zwei Monaten geplant. "Die Auswer­tung der Vorschläge wollen wir im Früh­jahr vornehmen, sodass die Reform im Sommer nächsten Jahres weiter Gestalt annehmen kann und wir in die formelle Betei­ligung der Land­tage einsteigen können," führte Heike Raab, Medi­enstaats­sekre­tärin und Koor­dina­torin der Rund­funk­kom­mis­sion, aus.

Eine Einschät­zung (von Michael Fuhr)

Die Minis­ter­prä­sidenten erlauben den Öffent­lich-Recht­lichen eine Flexi­bili­sie­rung ihrer Ange­bote, was einem verän­derten Medi­enkonsum mit neuen Strea­ming-Ange­boten wie Netflix oder Disney+ Rech­nung trägt. Ähnlich wie das Angebot funk, das als moderne Platt­form für Jugend­liche ausschließ­lich webba­siert über den Browser, über Video­platt­formen wie YouTube, in Media­theken und über Social Media verbreitet wird, ließe sich auch ein Bildungs­angebot wie ARD-alpha oder ein rein fiktio­naler Spar­ten­sender wie One, der keine Live-Events wie Fußball­spiele ausstrahlt, schon heute komplett als On Demand-Angebot ins Netz verla­gern.

Damit würde Zuschauern ein gezielter Fern­seh­konsum nach eigenem Inter­esse ohne feste Sende­zeiten ermög­licht, was bisher nur mit Einschrän­kungen aufgrund der beschränkten Verweil­dauer von Inhalten in den Media­theken möglich ist. ARD/ZDF könnten hierbei auch teure Verbrei­tungs­kosten bei der Distri­bution über Kabel, Satellit, Antenne oder IPTV einsparen, wobei umge­kehrt die Kosten fürs Strea­ming steigen dürften.

In Frank­reich gibt es diese Flexi­bili­sie­rung des öffent­lich-recht­lichen Rund­funks schön länger. So konnte France Télévisions während des Corona-Lock­downs spontan ein neues Kultur­angebot starten, um Künst­lern, die nicht live auftreten konnten, eine neue Platt­form zu bieten. In Deutsch­land wäre das aufgrund der starren Geset­zes­lage nicht möglich gewesen.

Die Minis­ter­prä­sidenten haben gleich­zeitig einen weiteren Wild­wuchs bei den öffent­lich-recht­lichen Ange­boten verhin­dert. ARD und ZDF dürfen ihre Kanäle zwar künftig inhalt­lich und bei der Distri­bution flexibel verän­dern, sie dürfen jedoch keine zusätz­lichen, neuen Kanäle starten.

Erlaubt sind dagegen Ange­bote, die von privaten Unter­nehmen mit Sende­mate­rial von ARD und ZDF auf Online-TV-Platt­formen ausge­strahlt werden. Ein Beispiel ist der neue Sender ZDF Tele­novela auf waipu.tv.

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