Innovation Day

Ericsson gibt aktuellen Ausblick auf zukünftige 5G-Netze

Auf 2G, 3G und 4G folgt in den kommenden Jahren mit 5G schon ein neuer Mobilfunkstandard. Netzwerkausrüster Ericsson gab jetzt in Herzogenrath einen Einblick in die Entwicklung. Wir waren dabei.
Aus Herzogenrath berichtet

teltarif.de-Auto Henning Gajek (rechts im Smartphonedisplay) hat Eindrücke von der Zukunft der Mobilfunknetze gesammelt. teltarif.de-Autor Henning Gajek (rechts im Smartphonedisplay) hat Eindrücke von der Zukunft der Mobilfunknetze gesammelt.
Foto: teltarif.de / Henning Gajek
Zum 6. Mal lud der Netzwerkausrüster Ericsson in dieser Woche Vertreter von Netzbetreibern, Forschungsinstituten, der Politik und der Fachwelt zu seinem alljährlichen Innovation Day in das Ericsson Eurolab nach Herzogenrath-Kohlschied bei Aachen ein, das nächstes Jahr sein 25-jähriges Jubiläum feiern kann. Gegründet wurde diese Forschungseinrichtung zum Start der GSM-Technologie im Jahre 1991 im Dreiländereck zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland rund um Aachen, wo auch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) angesiedelt ist.

Man wollte ein internationales Zentrum in der Nähe zu einer Universität und zum ersten GSM-Großkunden der Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) haben. 45 Nationalitäten sind vor Ort. Das Ericsson Campus gruppiert sich um ein ehemaliges für den Bergbau genutztes Sozialgebäude, das um weitere Büros und Labors ergänzt wurde. Die Herzogenrather sind fleißig: 90 Patente reicht Ericsson pro Jahr ein, bislang sind es 1400 Patente insgesamt, wie Jan-Peter Meyer-Kahlen, der Leiter der Einrichtung den Besuchern erläuterte.

Ericsson will 2017 ein 5G-Testnetz haben

teltarif.de-Auto Henning Gajek (rechts im Smartphonedisplay) hat Eindrücke von der Zukunft der Mobilfunknetze gesammelt. teltarif.de-Autor Henning Gajek (rechts im Smartphonedisplay) hat Eindrücke von der Zukunft der Mobilfunknetze gesammelt.
Foto: teltarif.de / Henning Gajek
In Aachen erforscht Ericsson in den Bereichen Internet-Protokoll, Transport und Signalisierung , Hochsicherheits Cloud für Telekommunikationsnetzbetreiber, Software definierten Netze (SDN), Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) und der Weiterentwicklung von LTE und 5G. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto "on the road to 5G", wofür erste "Test cases" vorgestellt wurden. Ericsson möchte bis 2017 ein funktionsfähiges Testnetz aufbauen, damit der kommerzielle Start der nächste Mobilfunkgeneration wie geplant im Jahre 2020 möglich sein wird.

5G laut Ericsson kompatibel zu 4G

In Herzogenrath sprachen wir mit Valter D'Avino, Ericssons Chef für West & Mitteleuropa. Er ist sich sicher, dass Europa in den Fahrersitz ("Drivers Seat") der 5G-Technologie zurück kehren kann. Schließlich wurde Ericsson vor 139 Jahren in Europa "erfunden" und 20 Prozent der weltweiten Verkäufe finden in Europa statt. 15 000 Angestellte forschen und entwickeln in Europa (von 25 000 weltweit), 60 Prozent der Ausgaben werden für die Forschung und Entwicklung ausgegeben.

LTE hat in den USA bereits einen Marktanteil 40 Prozent, in den EU sind es erst 15 Prozent. Bis 2020 wird es 9,2 Milliarden Mobilfunkkunden und 26 Milliarden "connected devices" geben, also Geräte, die mit einem mobilen Netz in Verbindung stehen. 2020 soll die Marktdurchdringung mit LTE in Europa 85 Prozent erreicht haben. Dabei, so D'Avino weiter, werde 5G zu 4G kompatibel sein. Es mache also keinen Sinn, auf die Zukunft mit 5G zu warten, man müssen schon jetzt loslegen. Heute werden überwiegend Menschen verbunden, morgen sind es die Maschinen und alles drahtlos.

Norbert Niebert von Ericsson hat beobachtet, dass Netzbetreiber und Politik beim notwendigen Netzaus- und -umbau schon jetzt an einem Strang ziehen. Ericsson sieht sich auf Augenhöhe mit Nokia einschließlich Alcatel-Lucent und den "chinesischen Freunden", wie beispielsweise Huawei.

Steigende Nutzerzahlen und Datenmengen

Blickt man nur fünf Jahre zurück, so hat sich einiges gewandelt. Bei einem Livekonzert hielten die Besucher meist noch ein Feuerzeug hoch. Heute sind es unzählige Smartphones, wobei mit einer Broadcast-Technologie auf LTE-Basis sogar denkbar ist, dass einzelne Besucher die anderen Besucher mit Bildern und Streams versorgen, den die andern sich vor Ort gleich anschauen. So gibt es Perspektiven, die sonst verborgen blieben. Erste Tests mit LTE Broadcast wurden bereits durchgeführt.

Während die Outdoor-Navigation mit Hilfe von Satelliten heute längst Standard ist, müssen indoor andere Techniken angewandt werden. Sogenannte "Baken" (engl. Beacons) senden auf Bluetooth-Frequenzen eine Kennung. Kommt ein Smartphone in deren Nähe, kann anhand der empfangbaren Baken-Kennungen eine Navigation ermöglicht werden. Diese steckt derzeit aber noch in den Kinderschuhen. Denkbar ist auch, dass ein Geschäft dem Kunden über diese Bake eine Nachricht schickt, wenn der unmittelbar vor dem Laden steht. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn in dem Geschäft die lange gesuchte Jacke oder eine seltene CD oder ein anderes Produkt angeboten wird, von dem bekannt ist oder vermutet wird, dass der Kunde es kaufen möchte.

Ping-Zeiten sind entscheidend - und werden noch entscheidender

Eindrücke von der 5G-Zukunft Eindrücke von der 5G-Zukunft
Foto: teltarif.de / Henning Gajek
Computerspiele sind beliebt, gerade online, dabei kommt es auf möglichst kurze Reaktionszeiten an. Ein Online-Tennisspiel über die Xbox-Kamera funktioniert gerade noch, wenn im Netz eine Verzögerung von etwa 177 Millisekunden auftritt, da sich der Mensch anpassen kann. Steigt diese Verzögerung auf beispielsweise 500 Millisekunden und gehen 10 Prozent der Datenpakete verloren, wird es nahezu unspielbar. Damit soll gezeigt werden, wie wichtig schnelle Netze für die Zukunft sind.

Die Anmeldung des Mobilfunkkunden bei seinem Netzbetreiber erfolgt heute schon über eine SIM-Karte. Um in den Rechner am Arbeitsplatz zu gelangen oder ein bestimmtes Programm zu starten, benötigt man vielleicht nur ein Passwort. Über ein Authentification Federation Gateway (AFG) werden beide Welten verknüpft. Die Anwendung ("App") fragt erst bei der SIM-Karte nach, ob der Nutzer generell die Anwendung benutzen darf und wenn ja, wie.

Das Internet der Dinge (IoT) lässt die Anzahl der connected devices sprunghaft ansteigen. Die funkenden Leihfahrräder der Deutschen Bahn beispielsweise könnten auch in Regionen stehen, wo die Netzversorgung mangelhaft oder gar nicht vorhanden ist. Durch intelligente Software kann dieser Fall vorher gesehen und der vermutliche Aufenthaltsraum vorhergesagt werden. Es lassen sich Alarme definieren, wenn das Objekt eine bestimmte Zone verlässt.

LTE soll künftig auch für die Steuerung von Energieversorgungsnetzen eingesetzt werden, hierbei sind Pingzeiten unter 100 Millisekunden notwendig. Die Dienstegüte (Quality of Service, QOS) reserviert eine bestimmte Bandbreite, damit auch in einer überlasteten Zelle noch zuverlässig alle Daten übertragen werden können. Um das zu simulieren, greift Ericsson auf einen Stromversorgungsnetzsimulator bei Aachener RWTH-Universität zurück, dem größten seiner Art.

Einfachheit ist das Resultat der Reife

In Abwandlung eines Zitates von Friedrich Schiller soll die "ausgereifte Einfachheit" im Vordergrund stehen, die Kombination von zwei Elementen könnte mehr Wirkung als die Summe der Einzelteile ergeben. Die fünfte Generation (5G) wird viel mehr als "nur Funk" sein: Das Netz dahinter sei extrem wichtig. Durch raffinierte Antennentechnik ("Beamforming") soll die Erreichbarkeit und Versorgung des einzelnen Teilnehmers stark verbessert werden. 5G wird funktechnisch eine Weiterentwicklung von 4G sein, die um dann völlig neue Komponenten erweitert werden wird.

Im Jahre 2020 sind alle und ist alles im Netz: Die Wasser/Energieversorger ("Utilities"), die "Smart Cities", die automobile Welt, die Prozess-Industrie (Industrieautomation). Schon heute möchte Ericsson ein "proof-of-concept"-Netz erstellen, das die Machbarkeit der Konzepte und Ideen beweisen soll. Der Datenverbrauch pro Kopf und Monat wird von derzeit 4 GB pro Monat auf 32 GB in 2020 steigen. Als Frequenzen sieht Ericsson den 15-GHz-Bereich, wo die bereits erwähnte Beamforming-Technologie besser umzusetzen geht, weil eine Antenne aus bis zu 200 Elementen bestehen kann und eine extreme Richtwirkung zum Anwender hat.

Streit um LAA

Ein Streitthema ist die Idee des Local Assisted Access für die Indoor-Datenversorgung auf 5 GHz. Dort funken bislang noch wenige WLAN-Sender. Die Idee ist nun, statt der für WLAN definierten Funktechnik ebenfalls auf LTE-Technologie zu setzen, die entweder (an Netzbetreiber) lizenziert wird, aber auch - wie bei WLAN - unlizenziert genutzt werden soll, indem der Nutzer seinen Router einfach aufbaut und einschaltet. Die Router-Industrie befürchtet eine Konkurrenz durch die neue LTE-Technologie und eine baldige Überlastung der Frequenzen, während Ericsson anhand von aufwendiger Messtechnik zeigt, dass eine Koexistenz beider Technologien unter bestimmten Bedingungen möglich wäre. Über dieses Thema haben wir bereits vor einigen Wochen ausführlicher berichtet.

Und die Zukunft?

Im Gespräch mit teltarif.de sieht Valter d'Avino die Virtualisierung der Netze fortschreiten, eine Differenzierung der Angebote werde durch den Qualitätsstandard (QoS) erfolgen. Das könne dazu führen, dass es in der Realität in Deutschland eines Tages nur noch einen oder zwei "echte" Netzbetreiber gebe. Eins ist für d'Avino sicher: Im Gegensatz zu Nokia wird Ericsson nicht mehr in die Produktion von Handys oder Endgeräten zurückkehren.

Hier geht es zu einem Interview, das wir vor einiger Zeit mit dem Technik-Chef von Ericsson, Ulf Ewaldsson, zum Thema 5G führen konnten.

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