Android

Android: Zittert Google vor der EU-Kommission?

Die EU-Kommission will Google an den Kragen, aber der Internetgigant zuckt nicht: Die Vorwürfe der EU gehen am Ziel vorbei.
Ein Kommentar von Hans-Georg Kluge

Bringt die EU-Kommission Googles Android in die Bredouille? Bringt die EU-Kommission Googles Android in die Bredouille?
Bild: teltarif.de
"Googles Albtraum wird wahr" titelt Spiegel Online und meint damit die Beschwerdepunkte der EU-Kommission zum möglichen Missbrauch der Marktmacht. Nun würde man gerne in der Blümchen-Welt leben, in der die Mitteilung der EU-Kommission tatsächlich ein Albtraum ist - es liegt aber nahe, dass das Verfahren recht harmlos enden wird.

Merkwürdiges Marktverständnis

Bringt die EU-Kommission Googles Android in die Bredouille? Bringt die EU-Kommission Googles Android in die Bredouille?
Bild: teltarif.de
Wer sich die einzelnen Punkte und Argumente der EU-Kommission ansieht, stolpert schnell über einige merkwürdige Formulierungen und Annahmen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die EU-Kommission entweder nicht verstanden hat, wie digitale Plattformen funktionieren oder sie versucht, die Marktmechanismen zu durchbrechen: "Android-Nutzer würden in der Regel nicht zu App-Stores anderer Betriebssysteme wechseln, da sie erst ein neues Gerät kaufen müssten, wodurch ihnen erhebliche Kosten entstehen würden." Und an anderer Stelle analysiert die EU scharfsinnig, dass "Android-Nutzern, die zu einem anderen Betriebssystem wechseln möchten," hohe Umstellungskosten entstünden, "weil sie z. B. ihre Anwendungen, ihre Daten und ihre Kontakte verlieren würden." Besonders spannend ist der Vorwurf, Google sei marktbeherrschend im Segment der Android-App-Shops. Was sind dann erst Apple oder Microsoft?

Dabei können Nutzer Daten und Kontakte meist ohne große Schwierigkeiten auf eine andere Plattform mitnehmen. Der Rest ist aber eine Binsenweisheit: Wie soll denn bitte ein Android-Nutzer mit seinen Google-Play-Käufen zu Apples App Store wechseln? Oder ein Windows-Phone-Nutzer zu Google Play? Richtig: Indem er ein entsprechendes Smart­phone der Plattform kauft. Die Umzugskosten von einer Plattform zur anderen sind in alle Richtungen gegeben und es bleibt vollkommen schleierhaft, wie sich das ändern könnte - zumal Apple, Google und Microsoft an einem Strang ziehen müssten, um die Käufe interoperabel zu gestalten.

Plausible Kritik ist aus der Zeit gefallen

Auf den ersten Blick erscheint es plausibel, dass die EU Google vorwirft, Herstellern Produkte mit Android-Forks zu verbieten. Mit dieser Methode schränke Google die Freiheit der Hersteller ein und schade damit auch den Verbrauchern, beklagt sich die EU.

Etwas hämisch kontert Google die Kritik, denn Amazon nutze dieses Entwicklungsmodell bei seinem Fire OS. Schweißperlen auf der Stirn der Google-Chefs Larry Page und Sundar Pichai verursachen die Marktanteile von Amazons Android-Fork sicherlich nicht - oder vielmehr: nicht mehr. Und als Nokia seine Android-basierenden Smart­phones der X-Reihe präsentierte, runzelte nicht nur Stephen Elop, damals Hardware-Chef von Nokia, seine Stirn, sondern eigentlich die gesamte Branche.

Vor Jahren, als sich Android am Markt etablierte, war diese Anti-Fork-Klausel für Google wohl tatsächlich sinnvoll. Denn so konnte sich Googles bei weitem nicht ausgereifte Android-Lösung durchsetzen und den Hardware-Herstellern war die Entscheidung aufgegeben: Googles düsteres Spiel mitmachen oder eben nicht. Aber nutzte Google damals seine Macht aus? Eher nicht: Kaum Marktanteil und die bei weitem schlechtere Smart­phone-Software (mit Apples iOS verglichen). Und die Google-Suche war mobil eher ein Gimmick als ein Versuch, die Marktmacht vom Desktop zum Smart­phone zu übertragen. Kurz: Google hatte den Herstellern ein Versprechen in die Zukunft zu bieten und nahm diesen die aufwändige Programmierung eines eigenen mobilen Betriebssystems ab. Welcher Handy-Hersteller hatte denn um das Jahr 2008 herum die Ressourcen, einen echten iOS-Konkurrenten zu entwickeln? Nokia? Research in Motion (heute Blackberry)? Microsoft?

Googles Apps: Android ohne Google?

Aber was ist mit dem Vorwurf, Google schreibe Herstellern vor, keine alternativen Suchmaschinen vorzuinstallieren? Ich kann ihn regelrecht hören, den Aufschrei der Hersteller, dass sie weder Bing noch Yahoo noch DuckDuckGo oder welche Suche auch immer vorinstallieren dürfen. In manch anderen Märkten mag das anders sein, aber in Europa weint wohl niemand den Suchalternativen eine Träne hinterher. Und dass Google den Herstellern mehr Geld bietet, wenn Google die einzige Suche auf dem Handy ist, ist ja nur konsequent: Hat ein Hersteller eine weitere Such-Software installiert, ist die Präsenz nicht mehr so wertvoll.

Das Problem liegt woanders: Google verlangt von Herstellern die Installation eines umfangreichen App-Pakets. Das enthält beinahe alle wichtigen Funktionen, die ein Smart­phone bieten kann: Eine E-Mail-App, ein Kartendienst, ein soziales Netzwerk, einen Cloud-Speicher, einen Messenger, eine Internetsuche und manche Funktion mehr. Die Shortcuts dafür müssen auf dem Homescreen zu sehen sein (in dem berühmten Google-Ordner, den neu eingerichtete Android-Smartphones anzeigen). Hier müsste die EU Hand anlegen und sich nicht auf die Internetsuche und den Browser Chrome versteifen.

"Der Kommission liegen Beweise dafür vor, dass Smart­phone-Hersteller zumindest einige vorinstallierte Anwendungen gerne von anderen Unternehmen als Google beziehen würden", so die EU-Kommission. Ein Satz mit Sprengkraft. Nur: Die Hersteller können ja Alternativen mitliefern. Samsung hat einen eigenen Internetbrowser auf seinen Smart­phones installiert, selbst Microsoft-Apps sind auf manchen Smart­phones vorhanden. Und Apps wie Facebook oder Instagram finden sich auf Android-Handys - und zwar im Auslieferungszustand.

Die EU nennt falsche Beschwerdepunkte

Google hat vor langem Fakten geschaffen, indem der Konzern ein großes Risiko eingegangen ist. Die Wette auf die Zukunft hat der Konzern gewonnen und dabei den Kunden trotzdem noch im Vergleich zu anderen Plattformen große Wahlmöglichkeiten gelassen. Es ist nicht so, dass die EU-Kommission vollkommen falsche Vorwürfe hat, aber sie zieht die falschen Schlüsse und zielt deswegen daneben. Die aktuell aufgeworfenen Punkte der EU-Kommission dürfte Google mit minimalem Entgegenkommen entschärfen können. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass ein ganzes Geschäftsmodell ins Wackeln gerät.

Und wenn Android wackelt, müsste es dann nicht auch für andere Plattformen ein schweres Erdbeben kommen? Apple ist reiner Monopolist bei iOS-Appstores und verbietet zum Beispiel Browser mit einer fremden bzw. eigenen Darstellungsengine - goodbye Opera, goodbye Firefox. Microsoft? Ist bei Windows-Phone-Stores klarer Marktführer und erlaubt fremde Browser gleich gar nicht.

Auch wenn ich manche Bedenken der EU-Kommission teile, sehe ich nicht, wie denkbare Gegenmaßnahmen die Situation für Nutzer verbessern sollten. Android ist trotz mancher Probleme noch eine der offeneren Plattformen. Und wenn als wichtiges Argument ins Feld gebracht wird, Nutzer installierten Alternativen zu mitgelieferten Apps nicht, dann spricht das einerseits nicht gerade für die Alternativen. Andererseits erscheint mir diese Festellung als Argument für weitreichende Maßnahmen sehr schwach. Bei Android ist nicht alles Gold was glänzt, aber lieber lebe ich mit den wenigen Einschränkungen seitens Google als mit den tatsächlich beschränkten Plattformen der Konkurrenz.

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