ProSiebenSat.1: Zukunft mit Mediaset weiter ungewiss
Was hat Mediaset-Chef Pier Silvio Berlusconi mit ProSiebenSat.1 vor?
Foto: Corriere della Sera
Wohin geht die Reise für ProSiebenSat.1? Diese grundsätzliche Frage bleibt auch fast zwei Jahre nach dem Einstieg der italienischen Mediaset beim Münchener Medienkonzern unbeantwortet. Mit dem Rückzug der US-Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR) und des tschechischen Investors Daniel Kretinsky sowie milliardenschweren Streitigkeiten bei Mediaset wird die Lage für das Unternehmen nicht einfacher. Dabei hat ProSiebenSat.1-CEO Rainer Beaujean auch intern mit genügend Baustellen zu kämpfen.
Spielball zwischen Italien und Frankreich
Was hat Mediaset-Chef Pier Silvio Berlusconi mit ProSiebenSat.1 vor?
Foto: Corriere della Sera
Mediaset befindet sich seit längerer Zeit in einem erbitterten Rechtsstreit mit seinem eigenen Großaktionär, der französischen Vivendi. Konkret geht es darum, dass Vivendi sich nicht an einen Vertrag halten will, welcher die weitgehende Übernahme des italienischen Pay TV-Geschäfts "Mediaset Premium" vorsah. Im Jahr 2016 hatte Vivendi entschieden, statt mit 89 Prozent lediglich mit 20 Prozent bei Mediaset Premium einzusteigen, drei Jahre später sollten 15 Prozent des Mediaset-Kapitals folgen.
Mediaset forderte daraufhin drei Milliarden Euro Schadenersatz. Ganz so üppig fiel die Entschädigung allerdings nicht aus, am Montag verurteilte ein Mailänder Gericht Vivendi dennoch zur Zahlung von 1,7 Millionen Euro für die "Nichterfüllung vorläufiger Verpflichtungen" gegenüber Mediaset. In einem weiteren Fall haben sich der damalige Vivendi-Verwaltungsratschef Vincent Bolloré und CEO Arnaud de Puyfontaine Berichten zufolge geweigert, eine Einladung zur Aussage anzunehmen. Konkret ermittelt die Mailänder Staatsanwaltschaft und wirft den Medienmanagern Marktmanipulationen vor. Diese sollen ein Kaufinteresse an Mediaset nur vorgetäuscht haben, um den Aktienkurs zu beeinflussen.
Kein Interesse an starker Mediaset
Im Hintergrund geht es aber beim Streit zwischen Mediaset und Vivendi nicht nur um Geld für das italienische Pay TV-Segment, vielmehr spielen noch wichtigere Beweggründe eine Rolle. So ist den Franzosen vor allem die Gründung des von Mediaset geplanten paneuropäischen Medienkonzerns "Media For Europe" ein großer Dorn im Auge. Unter diesem Dach sollte Mediaset mit ProSiebenSat.1 verschmelzen, um im zunehmend härteren Wettbewerb mit amerikanischen Streaming-Diensten am TV-Markt zu bestehen.
Vivendi sieht mit einer stärkeren Mediaset wohl auch seine eigene Position auf dem europäischen Medienmarkt gefährdet und bremst das Projekt zum Ärger von Mediaset-Chef Pier Silvio Berlusconi aus. Mitunter auch aus diesem Grund befindet sich die Beteiligung an ProSiebenSat.1 aktuell in der Schwebe, was sicherlich ebenfalls zu einigem Rätselraten in Unterföhring führen dürfte. Insbesondere für den amtierenden ProSiebenSat.1-CEO Rainer Beaujean und seine Mitarbeiter in Unterföhring ist die derzeitige Situation unübersichtlich, erschwert sie doch so manche (bitter nötige) strategische Weichenstellung.
Mehr Geld für eigene Inhalte
Rainer Beaujean hatte bereits in der Vergangenheit angekündigt, dass ProSiebenSat.1 sich wieder stärker auf das Kerngeschäft und die Produktion eigener Inhalte konzentrieren will. Eine solche Strategie wäre aber womöglich nicht unbedingt im Interesse von Mediaset, welche durch eine künftig potenzielle Verschmelzung mit ProSiebenSat.1 explizit nach Synergieeffekten sucht, um weitere Kosten zu sparen. Zumal die Corona-Pandemie und der eingebrochene Werbemarkt die Finanzlage auch in Italien nicht unbedingt einfacher gestaltet.
Mediaset-Finanzchef Marco Giordani machte zumindest in der Vergangenheit schon deutlich, dass er strategischen Verbesserungsbedarf bei ProSiebenSat.1 sehe. So hatte sich das Unternehmen unter dem damaligen CEO Max Conze zu einem Gemischtwarenladen entwickelt, welcher im Wettbewerb mit RTL zurückfalle. Rainer Beaujean teilte auf Journalistenanfragen immer wieder mit, dass es zu Mediaset aktuell keine strategischen Kontakte gäbe. Es wäre aber vielleicht wirklich an der Zeit, dass sich Berlusconi und Beaujean in Mailand zusammensetzen und endlich klären, wohin die Reise für ProSiebenSat.1 gehen soll.
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