4G & 5G mit DSS: Zwei Technologien gleichzeitig nutzen
Vodafone-Technik-Chef Mack bestätigte auf die Frage von teltarif.de, dass derzeit noch mit 5G-NR-NSA gefunkt wird, aber man werde wohl noch dieses Jahr erste Anlagen mit 5G-SA (Standalone) sehen. DSS soll bei Vodafone vorerst einmal hauptsächlich auf 700 MHz genutzt werden, später könnte es auch auf anderen Frequenzen genutzt werden.
Kurze Reichweite - dafür schneller
Der kleine Ort Berge gehört zur Stadt Meschede im Sauerland.
Foto: Vodafone Deutschland
Hohe Frequenzen haben kurze Reichweite, damit ist kaum ins Haus reinzukommen. "Flächendeckendes 3,5 GHz wäre ein Antennenwald, den keiner will. Wir sind gut beraten, nicht die ganze Republik mit 3,5 GHz vollzupflanzen. Das ist auch nicht wirtschaftlich." Eine 700-MHz-Station hat eine typische Reichweite von etwa 8 km. "Wir kommen in die Häuser rein, bis zu 200 MBit/s und können damit eine Alternative zu 2 MBit/s DSL bieten. Auf 3,5 GHz haben wir 80 MHz Bandbreite, auf 700 MHz nur 10 MHz."
Welche Vorteile bietet 5G auf 700 MHz gegenüber LTE auf 700 MHz?
Ja, gibt Vodafone unumwunden zu, der Geschwindigkeitsunterschied ist gering. Der wesentliche Vorteil ist die Latenz (niedrige Ping-Laufzeiten) und diese Latenz könne noch besser werden, wenn verstärkt EDGE-Computing zum Einsatz komme. EDGE steht hier nicht für das Datenprotokoll, das den GSM-Standard beschleunigen kann, sondern für das englische Wort "Ecke", d.h. der Anwendungsserver ist nicht weit vom 5G-Sendemasten entfernt und spart dadurch kostbare Signallaufzeit, weil der elektrische Strom sonst "zu langsam" wäre, um schnelle Reaktionen zu erlauben.
Wird 700 MHz als Festnetz-Ersatz nutzbar sein?
Ja, sagt Vodafone. Dafür ist der nagelneue GigaCube der zweiten Generation für 5G-700 (ab 6. Mai) geeignet. Er soll eine Option sein, wo es nur sehr langsam Festnetz gäbe. Ametsreiter ist sich sicher: "Wir werden eine Datenexplosion erleben. Die Geräte werden leistungsfähiger, die Latenzzeit kürzer, dabei ist noch nicht alles abschätzbar, was kommen wird."
Nur der neue Gigacube kann DSS-700
Ametsreiter macht darauf aufmerksam, dass der "bereits bestehende GigaCube" die 700-MHz-Technik nicht unterstützt und auch nicht aufgerüstet werden kann. "Da sind ganz neue Antennen drin." Deutschland sei der erste Markt für 700-MHz-Geräte in Europa. "Es werden bald noch mehr Geräte dafür kommen."
Für den Gigacube hat Vodafone unterschiedliche Tarife im Angebot, das reicht von 50, über 125 und 250 GB bis hin zu "Unlimited" und einem "Flex"-Tarif für Camper oder die Ferienwohnung, der nur zeitweise genutzt werden soll.
Wie aufwändig ist eine Umrüstung?
Um eine vorhandene Mobilfunksendeanlage für 700 MHz und DSS tauglich zu machen, ist eine aufwendige Aufrüstung notwendig, aber kein Neubau. Die Antennen müssen nachgerüstet werden, die Station bekommt einiges an neuer Technik. Sobald sie 700 MHz kann, kann sie auch DSS. Eine Frequenz mit zwei Netzen, sei schon toll. Beim Spectrum-Sharing per DSS nimmt Vodafone für sich in Anspruch "wir sind die ersten" zu sein.
Hat Corona Auswirkungen auf den aktuellen Netzausbau?
Am Anfang der Corona-Krise wurden die Netze stabil gehalten, geschaut, dass die Infrastruktur funktioniert. Anfangs sei die Bundesnetzagentur "sehr nervös" gewesen, inzwischen bleibe wieder Kraft und Energie für "mehr Netz". "Bis auf die üblichen Ausfälle, die man immer mal hat, läuft alles sehr stabil", betonte Mack. "Die Partnerfirmen bauen geradeaus weiter. In wenigen Fällen fehlten Genehmigungen, weil der kommunale Ansprechpartner im Homeoffice war, das sei aber weniger tragisch, als befürchtet.
Wie sieht der weitere Ausbau aus?
Der weitere Ausbau des Landes sei nur gemeinsam mit den anderen Netzbetreibern möglich, dazu habe man mit Telefonica und der Telekom eine Vereinbarung erzielt. Aufgrund der intensiven Diskussionen seien die Genehmigungen-Abläufe besser geworden.
Derzeit gebe es "etwa drei wöchentliche Meetings mit dem Vorstand der Deutschen Bahn, woran auch die anderen Anbieter teilnehmen. Das Thema sei sehr komplex: Welche Repeater können in den Waggons ausgetauscht werden und wie könne "näher zur Bahn" gebaut werden? Ametsreiter sieht sich aber "näher am Weg".
Ametsreiter möchte mehr Bürgerbeteiligung am Netzausbau, die Bürger vor Ort stärker in den Ausbau einbeziehen. "Eigentlich ist das ein Standard-Prozess, aber wir haben in Deutschland die längsten Prozesse in Europa, von rund 18 bis 24 Monaten, bis gebaut werden kann." Dabei sei man immer in Abstimmung mit den Kommunen. "Manche wollen mehr Netz, andere haben Bedenken."
Probleme sieht Ametsreiter an den großen Verkehrswegen. Vodafone habe da ein Problem, wo sie nicht bauen dürfen. Zu weit weg von der Autobahn darf es nicht sein. "Das Problem mit Vollversorgung liegt nicht komplett in unserer Macht." Die aktuelle Krise zeige aber, wie wichtig es ist, Deutschland vernetzt zu halten.
Kann 5G-Funk Covid-19 auslösen?
Verwirrte Menschen glauben allen Ernstes, dass die 5G-Technologie die Krankheit Covid-19 ausgelöst habe, und hatten in Großbritannien und den Niederlanden 5G-Sendeanlagen (oder welche sie dafür hielten) angezündet. Vodafone Chef Ametsreiter findet das "sehr traurig". In Großbritannien war durch die brennende Station ein Krankenhaus abgeschnitten, Rettungskräfte, Personal und Patienten hatten keine Versorgung mehr. "Solche Aktionen können Leben gefährden. Das ist fahrlässig und unverantwortlich." In den Niederlanden wurden die Anschläge als "terroristischer Akt" eingestuft. Ametsreiter plädierte für mehr Information und Aufklärung der Bevölkerung.
Zukunft von 5G auf 24 GHz oder 60 GHz?
Die für 5G irgendwann vorgesehenen Frequenzbereiche bei 24 GHz oder 60 GHz sind in Europa noch nicht vergeben worden, wohl aber in den USA, wo unter dem Begriff "mmWaves" (Millimeterwellen) darüber intensiv diskutiert wird. Da die Reichweiten dabei extrem niedrig sind, werden diese Frequenzen in den USA als Festnetzersatz (FWA = Fixed Wireless Access) erprobt, in Deutschland wären sie realistisch kaum einsetzbar, "eventuell im Industriebereich. Im Moment kommen wir mit den Bändern unter 6 GHz noch ganz gut aus. 24 oder 60 GHz werden wir in den nächsten fünf Jahren vielleicht sehen", vermutet Mack.