Tutela: Deutsche Netze schlechter als Österreich & Schweiz
Immer wieder flattern uns Berichte von Netzqualitätsforschungsunternehmen auf den Tisch. Das Verfahren ist oft ähnlich: Die Daten gewinnen diese Unternehmen mit Hilfe von Apps, die entweder vom Unternehmen selbst oder als Bestandteil anderer Apps die "Nutzererfahrung" der Anwender mit dem Netz aufzeichnen.
Der Report "State of Mobile Experience DACH" 2021 des Mobile-Crowdsourcing-Unternehmens Tutela zeigt, dass die Mobilfunk-Nutzererfahrung in Deutschland im Vergleich zu Österreich und der Schweiz hinterherhinkt - für regelmäßige teltarif.de Leser ist das lange bekannt.
"Im Vergleich zu den Mobilfunknetzen in Österreich und der Schweiz hinkt die Nutzererfahrung in Deutschland weiterhin hinterher", stellt Tutela fest. Und: "In Deutschland bietet die Telekom ihren Kunden die beste Nutzererfahrung und liegt in allen Kategorien vorn." - nachzulesen im Report "State of Mobile Experience DACH" 2021 des Mobile-Crowdsourcing-Unternehmens Tutela.
12 Millionen Tests durchgeführt
Downloadgeschwindigkeit im Vergleich
Grafik:Tutela Ltd.
Tutela hat für den Report 12 Millionen Geschwindigkeits- und Latenztests (in eine Richtung gemessen) von Smartphone-Nutzern aus Common Coverage Areas in der DACH-Region ausgewertet. Unter "Common Coverage Areas" versteht Tutela Gebiete, in denen die Mehrheit der Mobilfunknetzbetreiber ihre Dienste anbieten.
Hat also nur ein Netzbetreiber an einer Stelle ein Netz, gilt das für die Messung nicht. Die Erhebung dieser Daten fand zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. März 2021 DSGVO-konform per Mobile Crowdsourcing statt. In allen drei Ländern wurden jeweils drei Mobilfunknetze untersucht.
Telekom ist Spitzenreiter in Deutschland
"In Deutschland dominiert die Telekom", stellt Tutela trocken fest, "und führt alle der sechs unterschiedlichen Kategorien an". In Zahlen macht sich das bei "Excellent Consistent Quality", "Core of Consistent Quality", der schnellsten mittleren Download-Geschwindigkeit mit 31,5 MBit/s, der schnellsten mittleren Upload-Geschwindigkeit mit 13,8 MBit/s und der kürzesten Latenz, mit 13,3 Millisekunden (in eine Richtung gemessen), sowie der besten 5G/4G-Abdeckung, als auch in der größten relativen Flächenabdeckung bemerkbar. Dahinter folgen Vodafone und o2, die sich gegenseitig ein enges Rennen liefern, aber vor allem bei den Downloadgeschwindigkeiten von der Telekom abgehängt werden.
Alleinstehend seien diese Zahlen nicht ganz einfach zu interpretieren, räumt Tutela ein, aber im Ländervergleich werde der Vorsprung der Nachbarländer greifbarer. In der Schweiz liegt die mittlere Download-Geschwindigkeit bei 32,8 MBit/s, in Österreich bei 30,5 MBit/s und in Deutschland nur bei 25,6 MBit/s. Das sind wohlgemerkt die Durchschnittswerte aller drei getesteten Mobilfunknetze pro Land, was dem Einzelkunden, der sich meistens für ein bestimmtes Netz entschieden hat, wenig hilft.
Der Vergleich des jeweiligen Spitzenreiters und Schlusslichts untereinander spricht aber eine deutlichere Sprache: A1 in Österreich bietet eine mittlere Download-Geschwindigkeit von 40,1 MBit/s – fast 10 MBit/s mehr als bei der Telekom und fast 20 MBit/s mehr als bei o2.
Ausbau der Infrastruktur macht sich in Deutschland bezahlt
Relative Netzabdeckung der Anbieter im Vergleich
Grafik: Tutela Ltd.
Verbrachten die Deutschen vor einem Jahr noch 30 Prozent ihrer Zeit in einem "alten 3G Netz", so sind es mittlerweile nur mehr 12,5 Prozent und bald 0 Prozent, weil 3G bekanntlich hierzulande bald abgeschaltet wird. Deutschland kommt damit auf Platz zwei mit einer LTE-Verbindung zu 87,5 Prozent der Zeit und überholt damit die Alpenrepublik, die diesen Platz letztes Jahr innehatte.
Zudem haben deutsche Betreiber Initiativen wie das Active Network Sharing ergriffen, um 4G-Abdeckungslücken in weniger besuchten Gebieten zu schließen. Spitzenreiter bleibt weiterhin die Schweiz, wo Kunden zu über 90 Prozent der Zeit auch eine LTE-Verbindung haben. Hier zeigt der Vergleich zwischen dem jeweiligen Spitzenreiter und Schlusslicht, dass das Feld näher zusammengerückt ist: Kunden von Swisscom haben gut 91 Prozent der Zeit eine LTE-Verbindung.
In Deutschland liegt interessanterweise Vodafone leicht vorne und bietet zu rund 88,4 Prozent der Zeit LTE, o2 (88,1 Prozent) und die Telekom (85,5 Prozent) liegen dicht dahinter. Diese Zahlen sind aber mit Vorsicht zu genießen: Wird die gesamte mobile Nutzererfahrung betrachtet, führt wieder die Telekom.
Telekom auch in puncto Netzabdeckung deutscher Spitzenreiter
Für den Report 2021 hat Tutela auch die Netzabdeckung untersucht. Hierfür misst Tutela die relative Abdeckung der Anbieter in einem Land, indem es das geografische Gebiet, in dem die Nutzer eines Betreibers Empfang haben, mit dem gesamten Gebiet des Landes, in dem die Konsumenten eine mobile Verbindung haben, vergleicht. Dabei wird die von den einzelnen Betreibern abgedeckte geografische Fläche im Verhältnis zur gesamten abgedeckten Fläche des Landes als Punktzahl von 1000 dargestellt.
In Deutschland wies die Telekom die größte relative Flächenabdeckung sowohl für 5G/4G mit 706 Punkten als auch für die Gesamtabdeckung mit 744 Punkten auf. Vodafone liegt mit einer 5G/4G-Abdeckung von 638 Punkten auf dem zweiten Platz, 68 Punkte hinter der Telekom, während o2 einen 5G/4G Abdeckungsgrad von 568 Punkten erreicht – 138 Punkte hinter der Telekom. Auch bei der Gesamtabdeckung liegt Vodafone auf Platz zwei mit 672 Punkten. Das Schlusslicht bildet auch hier o2 mit 622 Punkten. In der Schweiz und Österreich führen jeweils die Swisscom und A1 die Liste souverän an.
Schnelleres Netz für alle
Zeitanteil einer LTE-Verbindung nach Ländern getrennt
Grafik: Tutela Ltd
Sowohl die Telekom als auch Vodafone und o2 wollen bis zum Ende des Jahres ihre 3G-Netze abschalten. Die dadurch frei werdenden Frequenzen sollen für das 4G- beziehungsweise neue 5G-Netz genutzt werden. Während der Ausbau des LTE-Netzes schleppend voranging und es auch zehn Jahre nach Einführung noch Funklöcher gibt, soll der Ausbau des 5G-Netzes schneller erfolgen.
Aktuell liegen beim Ausbau andere Länder im internationalen Vergleich vorn – beispielsweise China oder 5G-Pionier Südkorea. Aber auch in Europa liegt Deutschland nicht an der Spitze. Vor allem die skandinavischen Länder und die Schweiz liegen hier vorn. Das liegt unter anderem auch daran, dass diese Länder bereits früh auf die neue Technologie gesetzt haben.
Ein wichtiger Aspekt beim Ausbau des Mobilfunknetzes ist die verwendete Frequenz. Je tiefer die Frequenzen, desto höher die Reichweite, desto weniger Funkmasten sind nötig. Allerdings leidet die Geschwindigkeit darunter, erst auf höheren Frequenzbändern können mehr Daten übertragen werden. Die Telekom nutzt hierfür in Deutschland zwei Frequenzbänder: Mit den langwelligen 2,1 GHz-Frequenzen sollen große Flächen abgedeckt werden. In dicht besiedelten Regionen, wo es viele Funkmasten gibt, kommen 3,6 GHz-Frequenzen zum Einsatz.
Ähnlich handhabt es Vodafone, die allerdings zusätzlich eine dritte Frequenz (1,8 GHz) nutzen. Mit den 3,5 GHz-Frequenzen ist theoretisch eine Geschwindigkeit von 1000 MBit/s möglich.
Nutzererfahrung und Methodik
Infrastruktur wird besser
Die Verbesserung der Infrastruktur in Deutschland spiegelt sich auch im Report "State of Mobile Experience DACH" 2021 von Tutela wider. Im Vergleich zu den Nachbarländern liegt Deutschland aber dennoch zurück, weil auch Österreich und die Schweiz weiterhin in ihr Netz investieren. Mit der Umrüstung auf 5G und der Verbesserung des 4G-Netztes könnte der Abstand aber verkleinert werden. Das würde allen Kunden zugutekommen und die Nutzererfahrung verbessern.
In Bezug auf die "Consistent Quality" führt die Schweiz den Ländervergleich knapp an: Die Schweizer Mobilfunkanbieter boten ihren Kunden im Vergleich zu Österreich und Deutschland durchweg das beste Mobilfunkerlebnis. 86,9 Prozent der Tests erfüllten die Schwellenwerte für "Excellent Consistent Quality". Das heißt, die Kunden konnten fast immer 1080p-Videos streamen, HD-Videoanrufe tätigen oder mobil spielen.
Nach der Schweiz belegte Österreich mit einem Anteil von 86,5 Prozent der "Excellent Consistent Quality" den zweiten Platz. Deutschland folgt mit 79 Prozent "Excellent Consistent Quality" auf dem dritten Platz.
Relative Qualitätswerte in von allen Netzen versorgten Gebieten
Grafik:Tutela Ltd.
Bei der "Core Consistent Quality", d.h. der Netzverbindung der Teilnehmer, die Anwendungsfälle wie SD-Videostreaming, Social-Media-Sharing und Web-Browsing unterstützt, erreichten sowohl die Schweiz als auch Österreich den Schwellenwert von 90 Prozent und lagen mit 94,8 Prozent auch statistisch gesehen gleichauf auf dem ersten Platz. Deutschland lag mit einer Core Consistent Quality von 89,2 Prozent auch in dieser Kennzahl nicht weit hinter den anderen beiden Ländern zurück. Allerdings erreichte die Verbindungsqualität bei 10,8 Prozent der Messungen in Deutschland nicht die Schwellenwerte für die "Core Consistent Quality".
Österreich weltweit Platz 8, Schweiz Rang 9 - Deutschland Rang 37
Im aktuellen "Global Mobile Experience Report" von Tutela schaffte es Österreich damit sogar auf Platz 8 und die Schweiz auf Platz 9 der Länder mit der höchsten "Excellent Consistent Quality". Deutschland landete im weltweiten Ranking auf dem 37. Platz.
"Mobilfunkteilnehmer in der gesamten DACH-Region erleben eine unglaublich gute Verbindungsqualität", erklärt Tom Luke, Vice President bei Tutela, sein Zahlenwerk. „In jedem Land gab es auch einen Betreiber, der alle Bereiche komplett dominierte: A1 in Österreich, Telekom in Deutschland und Swisscom in der Schweiz. Diese Betreiber stellten damit ihre Fähigkeit unter Beweis, ihren Nutzern kontinuierlich das beste mobile Erlebnis zu bieten. Da die Betreiber weiterhin mit der Einführung von 5G und der Abschaffung von 3G voranschreiten, wie es in Deutschland in diesem Jahr der Fall ist, können die Nutzer in dieser Region darauf vertrauen, dass diese konsistenten und qualitativ hochwertigen mobilen Erfahrungen auch in Zukunft fortbestehen werden und durch den Ausbau der Infrastruktur sogar noch verbessert werden."
Wie wird die mobile Nutzererfahrung bestimmt?
Die Download-Geschwindigkeit wird meist als wichtigstes Kriterium für die Netzwerkqualität gesehen. Der Download-Durchsatz ist laut den Experten von Tutela wichtig, aber zugleich ist er nur eine von mehreren entscheidenden Anforderungen für eine "gute" Verbindung. Deshalb sind mittlere Download-Raten beispielsweise nicht optimal geeignet, um die Qualität der Verbindung und damit die tatsächliche Nutzererfahrung zu erfassen.
Daher hat Tutela seine Tests und Messungen so aufgebaut, dass sie die tatsächliche Performance erfassen – und nicht die maximale. Eine gute Verbindung ist eine Verbindung, die den Nutzern erlaubt, das zu tun, was sie tun wollen: Surfen im Web, Mobile Gaming, Verwenden von Apps, Telefonieren mit Kontakten, Streamen von Videos und Videoanrufe beispielsweise.
Was ist "Consistent Quality"?
Um objektiv beurteilen zu können, wie gut Mobilfunknetzwerke ihren Nutzern erlauben, diese Dinge zu tun, hat Tutela einen Standard entwickelt, genannt "Consistent Quality". Einfach ausgedrückt handelt es sich um zwei Gruppen von Schwellenwerten, die "Core" und "Excellent" genannt werden. Eine Core-Verbindung ist gut genug für eine Gruppe von Anwendungsszenarien wie SD-Videostreaming, Web Browsing, E-Mails und VOIP-Anrufe, aber bei anspruchsvolleren Anwendungen ist es wahrscheinlich, dass es zu Verzögerungen oder Buffering kommt.
Wenn eine Verbindung den "Excellent"-Standard erreicht, ist sie für die Gruppe der anspruchsvollsten mobilen Anwendungsfälle, wie HD-Gruppen-Videoanrufe oder 1080p-Videostreaming, gut genug.
Methodik des Reports
Definition der Qualitätsparameter
Grafik: Tutela Ltd.
Tutela führt seine Netzwerktests DSGVO-konform durch und sammelt Daten mit Hilfe von Software, die in über 3000 Consumer Apps eingebettet ist. Tutela hat so Zugriff auf ein globales Panel von über 300 Millionen Smartphone-Nutzern und kann rund um die Uhr die Qualität der mobilen Nutzererfahrung in der realen Welt messen. Tutela misst die Netzqualität auf der Grundlage der realen Leistung der Mobilfunkkunden, einschließlich der Fälle, in denen ein Netz oder ein Tarif gedrosselt oder überlastet sein kann. Auch die Qualität der mobilen Nutzererfahrung von Kunden von Mobilfunkprovidern (Mobile Virtual Network Operators, MVNO) wird erfasst.
Die Ergebnisse in diesem Report basieren auf einer Testkonfiguration, die so gestaltet ist, dass sie die typische (und nicht die maximale) Leistung darstellt, die die Benutzer erleben. Tutela verwendet eine 2-MB-Datei für die Durchführung des Download-Tests und eine 1-MB-Datei für die Durchführung des Upload-Tests. Die Tests werden mit denselben Content-Delivery-Netzwerken durchgeführt, über die viele der weltweit beliebtesten Consumer Apps laufen, und spiegeln somit die End-to-End-Leistung des Netzwerks wider.
Wer ist Tutela?
Tutela Technologies, Ltd. ist ein Unternehmen, das per Crowdsourcing Daten aus seinem globalen Panel von über 300 Millionen Smartphone-Benutzern erhebt. Tutela sammelt Informationen über die mobile Infrastruktur und testet die mobile Nutzererfahrung, um Organisationen der Mobilfunkbranche dabei zu helfen, die Netzwerke der Welt zu verstehen und zu verbessern. Die Daten sollen sich zum Vergleich von Mobilfunknetzbetreibern sowie als Entscheidungsgrundlage für die Planung und Optimierung von Netzwerken und Infrastrukturen eignen. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Victoria, British Columbia, in Kanada.
Tutela betont, keine sensiblen persönlichen Daten zu sammeln und halte sich an internationale Datenschutzbestimmungen wie CCPA und DSGVO. Die Datenschutzrichtlinien und -praktiken von Tutela wurden von PricewaterhouseCoopers überprüft.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die Telekom gewinnt (seit Jahren) einen Netztest nach dem anderen. Die anderen beiden Netze jagen hinterher, scheinen aber nicht den Hauch einer Chance zu haben, wirklich spürbar aufzuholen. Da sich dieses Bild seit Jahren wiederholt, beschleichen den Beobachter gewisse Ängste: Wird die Telekom ihr massives Ausbautempo beibehalten oder könnte die Neigung entstehen, sich "zurückzulehnen", weil "die andern das ja doch nie schaffen"? Haben Vodafone und o2 noch genügend Motivation, mehr Gas zu geben oder haben sie sich längst mit ihrem Schicksal abgefunden?
Was macht ein/e Leser/in in einem bestimmten Ort, wo Netz A nicht geht, dafür aber zwei Orte weiter Netz B nicht geht und noch weiter ist dann Netz C vorne. Sie sitzen verzweifelt da und überlegen, für welchen Anbieter er oder sie sich entscheiden sollten. Heutige Smartphones haben meistens einen Dual-SIM-Schacht für zwei SIM-Karten. Eine Karte dürfte bestimmt Telekom sein, die zweite o2 oder Vodafone sein, ganz nach persönlichem Geschmack.