Nokia Siemens Networks

NSN: Netzausbau kein Technikproblem - er kostet einfach Geld

CTO von Nokia Siemens Networks zur Zukunft der Mobilfunk-Netze
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Dr. Stephan Scholz ist studierter Physiker und ein alter Hase in der Kommunikationswelt: Bei den Siemens-Abteilungen ICN und COM sammelte er umfassende Erfahrungen und als das weltweit tätige Netzausrüstungsunternehmen Nokia Siemens Networks (kurz NSN) geschmiedet wurde, war Scholz von Anfang an dabei. Heute bekleidet er in dem Unternehmen die Funktion des Technikvorstandes, kurz CTO (Chief Technology Officer). teltarif.de hatte die Gelegenheit, mit ihm über die Zukunft der Netze hierzulande und weltweit sowie noch einiges mehr zu sprechen.

So stellt sich die Frage, ob die vier deutsche Netzbetreiber bestehende Funklöcher in der Versorgung überhaupt noch schließen oder gleich auf LTE setzen. Scholz sieht dabei die Netzabdeckung ("Coverage") als ein wichtiges Thema, wobei die Breitbandversorgung eine hohe Effizienz habe: Nur wo überhaupt Netzversorgung bestehe, könnten Kunden erreicht und mit Diensten wie Telefonie oder Internet versorgt und damit Umsätze generiert werden.

Wie dem wachsenden Netzverkehr gerecht werden?

Bild von einem klassischen Mobilfunkmast Klassischer Mobilfunkmast
Bild: (c) Harald Soehngen - Fotolia.com
Doch kann man dem wachsende Netzverkehr tatsächlich gerecht werden? Immerhin wächst dieser beim mobilen Breitband jedes Jahr um den Faktor 10, also in zwei Jahren um das Hundertfache, die Kunden verwenden mehr Smartphones als je zuvor und haben steigendes Interesse an mobiler Datenübertragung. Scholz merkt hierzu an, dass UMTS nach dem 3GPP-Standard in fast allen Länder der Welt, außer den USA, aufgebaut ("ausgerollt") sei. Ein Wachstum könne hier durch das Upgrade auf HSPA (High Speed Packet Access, bestehend aus HSDPA für den schnellen Download und HSUPA für den schnellen Upload) weitgehend durch das Aufspielen neuer Software erfolgen. In diesem Jahr stelle Nokia Siemens Networks seinen HSPA-Kunden 28 MBit/s Übertragungsgeschwindigkeit bereit, nächstes Jahr sei die Technik für bis zu 50 MBit/s lieferbar. Bei LTE fänden erste Tests in Japan und den USA bereits statt, weil sich dort UMTS nicht einfach so upgraden ließe. Scholz ist sich aber sicher, dass in den Jahren 2013 bis 2015 LTE auch in Europa angekommen sei, in den USA schon zwei Jahre früher.

Scholz räumt ein, dass er in Deutschland zwar gerne mehr HSPA-Upgrades sehen würde, aber Deutschland liege im internationalen Vergleich gar nicht so massiv hinterher. Das größte Problem sei der sogenannte Backhaul, also die Versorgung der Basisstationen mit schnellen bzw. breiten Datenleitungen. Heutige Basisstationen seien mit "zweimal E1" (einem Wert für die Bandbreite einer Datenleitung) angebunden, das sind zweimal 2 MBit/s, und das reiche gut für Sprache mit zweimal "PCM 30" (ein System zur Realisierung von Telefonie), sei aber für Daten ein Flaschenhals.

Doch welche Lösungen gibt es für dieses Problem? Laut Scholz könne man Stationen per Richtfunk ("Microwave") erreichen, wo keine Funkanbindung erwünscht oder möglich sei, werde gerne Glasfaser ("Fiber") in großen Städten und Ballungsgebieten verwendet. Wo selbst das nicht gehe, komme klassische DSL-über-Kupfer-Technologie zum Einsatz. NSN bevorzuge die Anbindung über den Ethernet-Standard.

Netzausbau kostet Geld - Einnahmen bleiben "flat"

Es gibt ein grundsätzliches Problem für die Netzbetreiber: Die notwendige Technik wäre lieferbar, muss aber logischerweise auch bezahlt werden. Dazu brauchen die Mobilfunker Einnahmen. Die Umsätze und Einnahmen bleiben jedoch "flat", weil ernsthafte Datennutzer gleich eine Flatrate zum Festpreis buchen. Und die Hauptumsätze kommen im Moment noch immer von mobiler Sprache - dabei ist der Preis dafür teilweise auch reguliert, beispielsweise durch die EU-Roaming-Tarife.

Die große Herausforderung für einen Netzbetreiber sei es also, mit seinen Einnahmen extrem effizient zu arbeiten. Man könne versuchen, den Kunden mit neuen Angeboten mehr "Wert" zu verkaufen, aber es sei schwierig, den "Mehrwert" in echtes, zusätzliches Geld umzuwandeln. Jeder Netzbetreiber müsse daher versuchen, seine Kunden in "seinem" Netz zu behalten, indem er ihnen eine bessere "Individual Communication Experience" (persönliche gute Erfahrungen mit seinem Handy, seinem Netz, dem Kundenservice und so weiter) anbietet.

Mehr Effizienz durch Netzauslagerung?

Um Kosten zu sparen, gehe der Trend zum Auslagern der Netze (Network outsourcing) weltweit ungebremst weiter. NSN habe weltweit etwa 200 Verträge über "Managed Services" geschlossen, wo der Netzausrüster Nokia Siemens de facto als Netzbetreiber arbeitet, der weltweit alleine 220 Millionen Kunden versorgt. Diese merkten davon nichts, da sie weiter Kunden ihres "Netzanbieters" sind. Theoretisch sei auch denkbar, dass ein Netzausrüster in einem Land mehrere konkurrierende Netze betreibt, die untereinander im Wettbewerb stehen.

Für das Auslagern gibt es gute Gründe: Technische Neuerungen bekäme der Netzwerklieferant ja automatisch mit, das Personal des Netzanbieters müsse nicht mehr aufwendig auf neue Produkte und Technik geschult werden. Durch eine weltweite Zentralisierung auf nur drei große Netzkontrollzentren (u.a. in Portugal und Indien) gebe es keinen teuren Leerlauf mehr, da in irgendeinem Netz "immer etwas los" ist. Bei einer Störung würden dann lokale Teams vor Ort alarmiert und losgeschickt. Weltweit werde alle drei Minuten irgendwo auf der Welt eine Nokia-Siemens-Networks-Basisstation "live" geschaltet, 2008 waren es insgesamt 200 000 Stationen.

Die sogenannte "grüne Technik" habe den Stromverbrauch um 70 Prozent reduziert, hier gebe es aber weiteres Potenzial. 80 Prozent des Stromverbrauchs eines Netzes schluckten die Basisstationen. Würde alleine NSN seine in den letzten Jahren aufgebauten Stationen gegen die allerneueste Stromspartechnologie austauschen, könnten drei größere Atomkraftwerke eingespart werden.

Energiesparen bedeute nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Die Bereitstellung von Informationstechnik erlaubt weitere Einsparungen, weil die Leute nicht mehr selbst irgendwo hinfahren müssen und entsprechend Energie verbrauchen, sondern z.B. durch eine Videokonferenz miteinander Kontakt aufnehmen können. CDs werden nicht mehr als Plastikscheibe im Laden gekauft, die eines Tages auf dem Müll landen kann, sondern über das Netz heruntergeladen.

Abhörsoftware aus China?

In den letzten Jahren eroberten Netztechnik-Hersteller aus China wie Huawei und ZTE steigende Marktanteile. Da könnten empfindliche Gemüter doch auf die Idee kommen, dass in dieser Technik ab Werk bereits geheime Abhörschnittstellen eingebaut wurden, welche wertvolle Informationen, die über das Netz übertragen werden, in Kanäle abfließen lassen könnten, wo sie gar nicht hingehören.

Doch Scholz stellt klar: "Im Prinzip ist das immer möglich und es kann schwierig sein, das herauszufinden." Aber er gibt auch die klare Ansage: "Wir haben keine Anzeichen, dass das derzeit jemand tut." Und: "Unser Unternehmen bietet seinen Kunden einen Sicherheitsservice, um Angriffe auf bestehende Netze zu finden. Netzwerke sind das Herz der modernen Gesellschaft und werden immer wichtiger, sie sind ein Teil unseres Lebens, sei es bei der Energieproduktion und Versorgung, beim Gesundheitsservice, beim ungehinderten Austausch von Nachrichten und müssen daher geschützt werden. Netzsicherheit ist daher ein sehr wichtiges Thema."

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