Selfie-Trend: Fotos auf Bahngleisen können tödlich enden
Selfie-Trend: Fotos auf Bahngleisen können tödlich enden
Bild: dpa
Die drei Mädchen wollten ein Selfie machen. Sie
kletterten die Böschung an einer Eisenbahnbrücke in Bremen hoch und
posierten auf den Gleisen. Das hätte sie beinahe getötet: Ein
Lokführer konnte gerade noch bremsen, die Regionalbahn blieb wenige
Meter vor den Teenagern stehen. Ein schnellerer Zug hätte sie wohl
überrollt. Immer wieder wagen sich junge Leute für Fotos auf Schienen
- es geht dabei um Fernweh, um ein Symbol für Unendlichkeit, um ein
Zeichen treuer Freundschaft. Ein gefährlicher Trend, den die
Bundespolizei deutschlandweit vor allem unter Mädchen beobachtet.
"Hinterher tat es ihnen furchtbar leid", sagt Holger Jureczko von der Bundespolizei in Bremen über den Vorfall mit den drei Mädchen, der sich im April ereignete. "Ihnen war die Gefahr gar nicht bewusst."
Selfies mit tödlichem Ausgang
Selfie-Trend: Fotos auf Bahngleisen können tödlich enden
Bild: dpa
Bereits vor vier Jahren erfasste im schwäbischen Memmingen ein Zug
eine 13- und eine 16-Jährige. Die Ermittler entdeckten später Fotos
auf deren Handys und in Profilen in sozialen Netzwerken, die sie auf
den Gleisen zeigten. Zwei Jahre später kamen zwei 14 und 15 Jahre
alte Freundinnen im westfälischen Lünen bei einem ähnlichen Unfall
ums Leben. Auch dort fand die Polizei solche Fotos.
Mädchen, die Hand in Hand auf Bahngleisen balancieren und dazu ein Spruch, der ewige Freundschaft beschwört - Bilder wie diese tauchen nach Angaben des Sprachwissenschaftlers Martin Voigt seit einigen Jahren in den sozialen Netzwerken auf. Er hat in seiner Doktorarbeit an der Uni München den Einfluss von Facebook & Co auf Mädchenfreundschaften untersucht. Gerade für 12- bis 16-Jährige sei es wichtig, wie sie im Internet rüberkommen, erläutert Voigt. "Sie wollen beliebt sein, hübsch aussehen, eine beste Freundin haben. Entsprechende Priorität hat die 'Öffentlichkeitsarbeit' online."
Mädchen sind mit der besten Freundin auf Facebook wie "verheiratet". Sie laden Selfies hoch, die sie eng umschlungen, Wange an Wange, ähnlich einem Liebespaar zeigen - und dokumentieren damit vor allen: Wir sind uns ganz nah. Ein beliebtes Motiv dafür sind Bahngleise, die laut Voigt eine romantische Symbolik haben: Sie laufen parallel wie ein Paar, das sich niemals trennt. Und signalisieren, dass man mit der besten Freundin sogar in den Tod gehen würde.
Bewusstsein für Lebensgefahr fehlt oft
Dass sie sich bei ihren Selfies in Gefahr begeben, ist den Mädchen oft gar nicht bewusst. Die Schnappschüsse mit dem Smartphone sind für viele Jugendliche eine Art Hobby. Sie fotografieren sich überall und ständig, um Freunde an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Diese antworten wiederum mit einem Selfie - und kopieren dabei auch die Motive der anderen. "Es ist eine Alltagspraxis", sagt der Marburger Medienwissenschaftler Jens Ruchatz. "Man denkt gar nicht mehr darüber nach, ob es sinnvoll ist oder nicht, was man da gerade tut."
Wie viele Vorfälle es wegen Selfies auf den Gleisen in den letzten Jahren gegeben hat, kann die Bundespolizei nicht sagen. Sie ist aber alarmiert: Seit diesem Jahr gehen Beamte gezielt in Schulen, um über die Gefahren der Foto-Shootings aufzuklären. Diese bringt ein Flyer zu dem Thema auf den Punkt: Ein Zug mit Tempo 160 legt 100 Meter in 2,25 Sekunden zurück. "Selbst bei Windstille hört man ihn zu spät."