Störungen, die vielleicht keine sind
Wenn ein gerne genutzter Online-Dienst streikt, reagieren viele Anwender nach folgendem Schema: "Das muss mein Internet-Anbieter sein" und beschweren sich im Web, beispielsweise auf der Seite allestörungen.de Doch wie kommt allestörungen zu seinen Meldungen und was steckt dort hinter den "Graphen" und "Heat-Maps"?
Gespräch mit einem Insider
Wir haben uns mit einem Branchen-Insider unterhalten. Die Seite funktioniert, wie vieles nach einem Algorithmus, dessen Details aber geheim sind. Dabei werden nicht nur direkte Meldungen von betroffenen Nutzern auf der Webseite ausgewertet, sondern auch nach einem bestimmten Algorithmus Meldungen in sozialen Medien ausgewertet.
Frage: Wenn Sie Meldungen "bundesweite Störung beim Anbieter XY" lesen, was ist dann passiert?
Laut allestörungen war zwischen 19 und 20 Uhr ein Problem. Nur bei wem wirklich und warum?
Screenshots/Montage: allestörungen / teltarif.de
Antwort: Dazu müssen wir uns die Sache genauer anschauen: Wenn eine bestimmte Webseite nicht aufrufbar ist oder ein Online-Spiel hängt, wer ist dann "schuld"? Ist es dann wirklich der eigene Internet-Anbieter oder der Provider dazwischen, klemmt es am Übergabepunkt (Peering) oder klemmt es beim Hoster der fraglichen Webseite?
In Bezug auf die grafische Anzeige kommt es bei allestoerungen.de mitunter auch zu einem so genannten „Abstrahleffekt“. Ist zum Beispiel WhatsApp "down", sieht man den Peak hier nicht nur bei der Anwendung selbst, sondern auch einen analogen Ausschlag bei der Telekom, Vodafone und o2. Hier vermuten Kunden dann erst eine Störung bei dem eigenen Netzbetreiber, statt bei der Anwendung als Solches.
Störungsmeldungen "strahlen" auf andere Anbieter ab
Auch führen große Störungen bei Anbieter A schnell zu Peaks in den Graphen (bildliche Darstellung der Störungsmeldungen abhängig von der Zeit) von Anbieter B. Dies tritt auch auf, wenn das Netz von Anbieter B absolut stabil ist. In der Regel tritt dieser „Abstrahleffekt“ dann auf, weil Kunden von Anbieter B Kunden von Anbieter A nicht erreichen können und dies fälschlicherweise auf den eigenen Anbieter zurückführen. Dies ist deutlich an den Kurven dieser Woche zu erkennen, als es Einschränkungen für Unitymedia-Kunden gab, das Telekom Netz jedoch ohne Einschränkungen lief:
Die Peaks (Spitzen) zeigen, dass analog zu der Hauptstörung ein „Abstrahleffekt“ bei einem anderen Anbieter auftritt, obwohl dessen Netze fehlerfrei funktionieren. Eine Meldung mit dem Eindruck „Störung auch bei der Telekom“ wäre hier naheliegend, jedoch falsch.
Was sagt die Heat-Map?
Auch die "Heat-Map" (eine Landkarte, die anzeigt, wo besonders viele Störungen aufgetreten sind oder gemeldet wurden) muss man genauer betrachten, um sie zu verstehen. Heutzutage sind viele Störungen nicht mehr so eindeutig einem gewissen Ort oder einer bestimmten Region zuzuordnen. Wenn in A-Dorf ein Bagger eine Glasfaserleitung erwischt (und das passiert viel öfters, als man denkt – bei der Telekom sind zum Beispiel über 60 Prozent der Festnetzstörungen auf solche extern verursachten Beschädigungen zurückzuführen), kann ein Navigationssystem in einem anderen Land hängenbleiben oder ein wichtiger Server ist schlechter oder auch gar nicht erreichbar.
Telekom mit hoher Wahrscheinlichkeit "betroffen"?
Poppen nun verstärkt Störungen auf, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass Kunden der Telekom betroffen sind, weil sie den größten Anteil der Anschlüsse in Deutschland liefert. Ein weiterer Effekt: In Ballungszentren "leuchtet es fast" immer, denn hier ist die Wohndichte am höchsten, also sammeln sich hier auch tendenziell eher Kunden und Nutzer, welche sich bei allestoerungen.de zu Wort melden.
Auch Profis nutzen allestörungen
Keine Frage, so der Insider gegenüber teltarif.de, die Seite allestörungen ist nützlich, denn sie gibt einen Anhaltspunkt, ob und wo in etwa Störungen sein könnten. Große Anbieter wie die Deutsche Telekom haben in ihren Netzkontrollzentren in Bonn und Bamberg extra die Grafik von allestörungen.de permanent eingeblendet und können dadurch auch direkt mit ihren Kunden in Kontakt bleiben.
Schnell, schnell, wir müssen das melden!
Online-Medien müssen und wollen schnell sein. Wenn Medium A meldet, Anbieter X ist gestört, dann greift Medium B das gerne auf. Auch wenn hier eine Ungenauigkeit aufgrund der beschriebenen Faktoren besteht.
Medium C schaut noch kurz auf allestörungen de und schon entwickelt die Geschichte eine Eigendynamik.
Wo ist die Störung wirklich?
Wenn also eine Störung auftritt, sollte man erst einmal untersuchen, was da genau "hakt". Erster Schritt: Prüfen, ob nur eine bestimmte Webseite oder ein bestimmter Dienst oder ein Spiel klemmt. Sind alle Web-Seiten weg, kommen keine E-Mails mehr an, die Webseite des eigenen Routers (beispielsweise http://192.168.2.1 (bei Telekom-Routern) oder http://fritz.box (bei Fritz!Boxen) aufrufen und in den Router reinschauen. Dort gibt es ein System-Protokoll, wo man nachlesen kann, wie es dem Router geht.
Rechner neustarten - Router neustarten
Meldet sich der Router nicht mehr, den eigenen Rechner neustarten. Meldet der Router sich weiter nicht, den Router neustarten. Notfalls durch Trennen vom Stromnetz für etwa 1-2 Minuten und neues Hochfahren.
Klappt es danach auch nicht mehr, prüfen ob die Internetverbindung noch (wieder) da ist. Beispielsweise durch Start der Kommandozeile bei Windows (cmd) oder des Terminal bei MacOS oder Linux.
Mit dem Kommando "ping www.teltarif.de" (als Beispiel) oder "tracert www.teltarif.de" (Windows) oder "traceroute www.teltarif.de" (Linux) schauen, was passiert.
Ist die Leitung unterbrochen, würde es schon nach Zeile 1 zur Zeitüberschreitung kommen. Beim Ping Kommando gäbe es dann "keine Anwort".
Dann ist vermutlich die Leitung zur Telefon-Vermittlung gestört. Man sollte die Leitungen im Büro, der Wohnung oder falls möglich im Haus kontrollieren, sind noch alle Stecker drin? Falls wieder ja, ist das ein Fall für den Störungsservice des eigenen Anbieters.
Störung lokal?
Haben auch die Nachbarn kein Internet, könnte der Fehler in einem Kabel unter der Straße liegen. Auch hier wäre es eine lokale Störung.
Wenn Sie im Home-Office arbeiten und sich Unterbrechungen nicht leisten können, einen "Plan B" aufstellen. Ein Handy oder einen mobilen Router mit einer Karte mit ausreichend Datenvolumen (vielleicht Prepaid) bereit halten. Dann muss das LAN-Kabel des Rechners nur noch umgesteckt werden, oder auf das WLAN des Ersatzrouters oder des Handys, welches noch Verbindung hat, umgestellt werden.