John Strand: Rückblick & Ausblick für den Tk-Markt 2021
Zum Jahreswechsel herrscht Hochkonjunktur für die Inhaber von gut geschliffenen Glaskugeln, welche einen Blick in die Zukunft wagen. Ob die Vorhersagen dann auch eintreten, steht auf einem anderen Blatt, aber manche Prognose liegt durchaus nicht ganz so falsch. Wobei wohl kaum jemand für das abgelaufene Jahr 2020 das weltumspannende Virus im Blick gehabt haben dürfte.
Langjähriger Marktkenner: John Strand
Der Däne John Strand meldet sich regelmäßig mit seinen Marktanalysen zu Wort.
Foto: Strand Consult
Einer der kundigen Marktanalysten ist John Strand mit seiner gleichnamigen Firma Strandconsult in Kopenhagen, Dänemark.
Strand beobachtet die Mobilfunkbranche seit 25 Jahren und hat in den letzten 20 Jahren eine Menge Vorhersagen veröffentlicht.
Rückblick 2020 - Ausblick 2021
In seiner Mitteilung zum Jahreswechsel lässt Strand die Höhen und Tiefen der Mobilfunkbranche 2020 Revue passieren und macht Vorhersagen für 2021. Das vergangene Jahr habe "sich ganz anders entwickelt als erwartet, einschließlich der Meldung im Februar, als der Weltverband GSMA den Mobile World Congress absagte, was wie eine Bombe in die Branche eingeschlagen hat", stellt Strand lapidar fest.
Aus COVID-19 habe man gelernt, dass "Kommunikationsnetzwerke, die von Betreibern gebaut und betrieben werden, wichtiger denn je geworden sind". Das Statement, dass Telekommunikation die Grundlage für die moderne Gesellschaft ist, habe das Jahr 2020 "zweifelsfrei" bewiesen.
Welche Themen wurden 2020 definiert und werden 2021 wichtig?
Strand hat folgende Themen ausgemacht:
- COVID-19
- China
- Cybersicherheit
- 5G
- Spektrum (Frequenzen)
- Klima
- OpenRAN
- Datenschutz
- Wettbewerb
- Markt-Konsolidierung
- Netzneutralität
COVID-19 sorgt für Erfolge?
Weil sie für die Zukunft investiert hatten, waren "private Netzbetreiber auf das Unerwartete vorbereitet". Durch "Investitionen in die Zukunft" stellten viele Netzwerkbesitzer sicher, dass die Netzwerke auch unter Worst-Case-Szenarien funktionierten.
Strand: Anhänger eines möglichst freien Marktes
Die "hervorragende Netzwerkleistung" habe die regulatorische Weisheit widerlegt, wonach Netzwerkbesitzer, die sich selbst überlassen sind, ihren Kunden, ihren Netzwerken und Drittanbietern nur "schaden" würden. Es sei vorteilhaft, den Betreibern zu erlauben, Marktanreizen zu folgen. Die Politik hingegen werde COVID wahrscheinlich nutzen, um noch mehr Regulierung zu rechtfertigen.
Thesen für die Zukunft der Regulierung
Die Zeit von Corona war von Hassliebe zwischen Regulierern und Plattformen wie Google und Apple für ihre Track-and-Trace-Apps geprägt. Während kartellrechtliche Verfahren gegen die großen Akteure weltweit andauerten, rückten sie durch COVID-19 plötzlich in den Mittelpunkt als "die Guten" mit einer Überwachung, welche die Menschen tatsächlich wollten.
Die Wettbewerbsbehörden hätten viel Aufwand in aufwendige Kartellverfahren gegen die "Hyper-Scaler" gesteckt; einige davon dürften wahrscheinlich scheitern, vermutet Strand. Der Analyst schlägt einen Wechsel der Politik vor. Wenn man die Dominanz der Großen Anbieter reduzieren wolle, sollte man mit kostenlosen Zugeständnissen bei Funkfrequenzen (unlizenziertes Spektrum), Urheberrecht (Fair Use) und bei der Datenübertragung (Netzneutralität) aufhören.
Gleiches gesellt sich gern: Vodafone, Huawei und China
John Strand ist kein Freund von China und hat schon mehrfach vor den "Gefahren" durch die Hersteller Huawei oder ZTE und ihre Beziehungen zur chinesischen Führung "gewarnt". COVID-19 intensivierte die Debatte über chinesische Produkte in den Netzen. 2020 behaupteten viele Nationen, dass China und "sein mit dem Militär verbundenes Unternehmen Huawei" Sicherheitsrisiken darstellten, und begannen damit, den Einbau chinesischer Technik in Mobilfunknetzen zu beschränken.
Strand bemerkte "Ausreißer" wie Vodafones "Außenminister" Joakim Reiter, der wiederholt die Verwendung von Huawei-Ausrüstung verteidigt habe. Vodafone würde seine Beziehung zu Huawei über die Sicherheit seiner Kunden stellen, aber kluge Betreiber hätten aus dem Entschluss, die Daten ihrer Kunden nicht der chinesischen Regierung zu überlassen, später Vorteile.
Der Verzicht auf Geräte "von Huawei und anderen risikobehafteten Technologieanbietern" werde im Jahr 2021 ein "Alleinstellungsmerkmal für Betreiber" werden, speziell bei Firmenkunden. Strand sagt voraus, dass Vodafone für seine Treue "zu bösartigen Anbietern" in die Kritik geraten werde.
5G auf dem Weg in das Jahr 2021
Während einige Betreiber hartnäckig an chinesischem Equipment festhielten, hätten andere Betreiber Umrüstung und Austausch von Huawei-Technik fortgesetzt, ohne die Kosten zu erhöhen oder den Zeitplan für 5G zu verlangsamen.
Strand nennt die erfolgreichen "Neustarts" bei TDC (Dänemark), Telenor (Norwegen) sowie Telia (Schweden/Finnland) und Proximus (Belgien). Die Betreiber würden ihre Netze "austauschen und aktualisieren, in einem Tempo, das die Implementierung von 3G und 4G übertrifft." TDC habe nur elf Monate gebraucht, um ein 5G-Netz mit nicht-chinesischer Technik aufzubauen, das 90 Prozent des Landes Dänemark abdecke.
In den meisten Ländern fänden diese Upgrades statt, ohne dass die Betreiber ihre Investitionsaugaben (CAPEX) Ausgaben erhöhen müssen. Strand Consult habe das bereits für 2019 vorgesehen.
2021: Vorsichtig optimistisch
Der Analytiker sieht 5G im kommenden Jahr 2021 "vorsichtig optimistisch". Netz-Betreiber können mit dem Aufbau und Betrieb von Netzen glänzen - auch in Krisenzeiten. Die Frage sei, ob die 5G-Anwendungen auch für Endverbraucher attraktiv sein werden.
Spektrum-Auktionen - Der Himmel ist die Grenze
Derzeit findet in den USA eine Frequenzauktion für das C-Band (3,7 bis 3,98 GHz) statt. Sie könnte einen neuen Weltrekord bei den Lizenzkosten erreichen und den Betrag von 70 Milliarden Dollar (58 Milliarden Euro) überschreiten.
Das erinnert Strand an die UMTS/3G-Auktionen im Jahre 2000. Der wesentliche Unterschied zwischen Europa und den USA ist aber, dass amerikanische Betreiber Frequenzlizenzen ohne Verfallsdatum (also auf ewig) erwerben können. Die kurzfristigen Frequenzlizenzen in Europa haben für Strand zu katastrophalen Situationen geführt, wo Lizenzen auslaufen und nicht verlängert werden können.
Modell Nobelpreis
2020 wurde der Wirtschaftsnobelpreis an Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson von der Stanford University "für Verbesserungen der Auktionstheorie und Erfindungen neuer Auktionsformate" verliehen. In nur einer Generation haben Frequenzauktionen die Fähigkeit der Telekommunikationsbetreiber unter Beweis gestellt, knappe Ressourcen effizient zu nutzen und einen erheblichen Beitrag zur Staatskasse zu leisten. Wie das Nobel-Komitee zu Recht feststelle, seien marktbasierte Auktionen einer administrativen Zuteilung vorzuziehen.
Allerdings hätten sich nicht alle Frequenzauktionen als vorteilhaft erwiesen. In der Tat hätten die hohen Preise in einigen Ländern die Ausgaben für Netzwerke reduziert. Strand wirft einigen Regierungen und Bieter eine "Manipulation" vor.
Die Erkenntnisse der Nobelpreisträger von 2020 könnten, könnten diese Probleme lösen, was politische Disziplin erfordere. Die Praxis der Frequenzvergabe müsse insbesondere in Bezug auf Auktionsregeln, Umwidmung von Frequenzen, unlizenzierte Frequenzen und die föderalen Frequenzbestände geändert werden.
China - kein gutes Bild
Was in China wirklich abläuft, habe sich im Jahre 2020 als "schwierig" erwiesen. Strand kritisiert die chinesische Propagandamaschine, worin sich Huawei "als ein hilfloses Opfer im Handelskrieg zwischen den USA und China" darstellen würde. Nur wenige Medien hätten die Arbeitsbedingungen, welche für ausländische Unternehmen in China gelten, mit der bevorzugten Behandlung von chinesischen Unternehmen im Ausland verglichen. Außerdem hätten nur Wenige die Rolle von Huawei "bei der Unterdrückung der Menschenrechte in China" untersucht.
Huawei im Kreuzfeuer
Dabei fand die politische Diskussion auch innerhalb von Huawei statt. Der dänische Kommunikationschef von Huawei, Tommy Zwick, hatte per Twitter seinen Rücktritt erklärt, weil er die Rolle von Huawei bei der Unterdrückung uigurischer Muslime in China nicht akzeptieren konnte. Prominente, von Sportstars bis zu Künstlern, hätten ihre Huawei-(Werbe-)Verträge gekündigt.
Strand Consult hofft, dass 2021 mehr Menschen einen Blick auf "Chinas erschreckende Menschenrechtsbilanz" werfen würden.
China und die USA
Chinas Hoffnung sei, dass der neue US-Präsident Joe Biden die Sanktionen zurücknehmen könnte. Strand Consult vermutet eher, dass die Regeln noch verschärft werden. Einige Länder dürften chinesische Produkte in Kommunikationsnetzwerken wohl ganz verbieten. Die Politik habe aus seinen Berichten den Marktanteil von chinesischen Herstellern in 4G-Funknetzen (4G-RAN) und die damit verbundenen Risiken verstanden.
Telekommunikation und die Klima-Agenda
Viele Netzbetreiber sind an der Verbesserung der Energieeffizienz interessiert. Unterm Strich werde der Gesamtenergieverbrauch wahrscheinlich steigen, selbst bei Effizienzsteigerungen in der "Datenproduktionsschicht".
Man müsse den Energieverbrauch in Abhängigkeit von den Minuten oder Daten, die ein Betreiber produziert, messen. Neue Partnerschaften könnten der Branche helfen "grün" zu werden. Google mache es in Dänemark vor.
Realitätscheck OpenRAN
2020 wurde OpenRAN als "Wundertechnologie" porträtiert. Die Hoffnung: OpenRAN steigere die Innovation und senke die Kosten der Betreiber und könnte helfen, chinesische Geräte in Telekommunikationsnetzen loszuwerden. Andere OpenRAN-Befürworter wollen, dass mehr Nationen zu Herstellern von Telekommunikationsinfrastruktur werden.
Das Jahr 2021 werde einen notwendigen Realitätscheck bringen. Es werde Jahre dauern, bis OpenRAN das reguläre Funknetzwerk RAN 1:1 ersetzen könne.
Die versprochenen Einsparungen für die Betreiber seien nicht so groß, die scheinbare "Offenheit" der Lösung wird nicht unbedingt (mehr) Sicherheit bringen. China Mobile, China Unicom und China Telecom gehörten zu den etwa 44 chinesischen Technologieunternehmen in der O-RAN-Alliance. Weitere Mitglieder seien ZTE und Inspur, was von den USA wegen seiner Verbindungen zum chinesischen Militär bereits "verboten" wurde.
Während O-RAN vorgebe, einen Ausweg aus dem Thema "Huawei" zu bieten, würde eine chinesische Regierungsfirma durch eine andere ersetzt, wie z.B. Lenovo.
Die OpenRAN-Spezifikationen verletzten möglicherweise bereits die Cybersicherheitsregeln in Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Patentanfechtungen seien ebenfalls wahrscheinlich, da OpenRAN zu 100 Prozent von der Normungsgruppe "3GPP" und den Patenten von Nicht-Mitgliedern der O-RAN-Allianz abhängig sei.
Industrie muss zusammenarbeiten
Strand Consult ist der Meinung, dass die industrielle Zusammenarbeit wichtig für die technologische Entwicklung, Investitionen und Innovationen ist. Ein Teil dieser Zusammenarbeit findet in 3GPP, der O-RAN Alliance und anderen Organisationen statt. Mobilfunkbetreiber sollten die Freiheit haben, die technologischen Lösungen zu wählen, die für ihr Geschäft sinnvoll sind, vorausgesetzt, sie halten sich an die nationalen Sicherheitsgesetze.
Politik: Wasser predigen und Wein trinken
Die politischen Entscheidungsträger in den USA und der EU reden viel über Kartellrecht, Plattformregulierung und Datenschutz. Sie twittern, liken, freunden sich an und streamen ihre Kritik gegen Google, Facebook, Amazon, Apple und Netflix, während sie diese Plattformen selbst nutzen.
Den Plattformen ging es noch nie so gut, sie konnten sich über ein weiteres Jahr mit gestiegenen Gewinnen und Marktanteilen freuen. Sie sollten sich mit einer Weihnachtskarte bei Margrethe Vestager bedanken.
Wie Raucher, die gegen die Tabakindustrie wettern, können Politiker nicht ohne diese Plattformen leben. Manche Politiker tweeten sogar mehr als US-Präsident Donald Trump. So habe die dänische EU-Parlamentarierin Karen Melchior seit Oktober 2008 193.000 Mal getwittert. Das sind 43 Tweets pro Tag seit 12 Jahren. Sie sei damit dreimal so aktiv wie Donald Trump, der seit März 2009 59.000 Tweets abgesetzt hat, also etwa 13 Tweets pro Tag. Melchior hat 21.000 Follower; Trump 88 Millionen. Melchior folge 16.000 Personen; Trump folge nur 51 Personen.
Je mehr Big Tech reguliert werde, desto größer werde es. Eine Politik, die Netflix dazu zwinge, mehr lokale Inhalte zu bieten, erhöhe nur die Popularität von Netflix in der lokalen Politik.
Diese politischen Vorgaben sähen auf den ersten Blick gut aus, würden aber genau das Gegenteil erzielen. Verlierer seien das traditionelle Radio, TV und gedruckte Zeitungen.
Wettbewerb und Konsolidierung: Zeit der Wahrheit
Wettbewerbsbehörden sollten Vorschläge für Wettbewerb und den Verbraucherschutz realistischer betrachten, vor allem die Beschränkungen bei 4 zu 3 Fusionen (z.B. E-Plus und o2/Telefónica oder o2-UK und Hutchison-Three).
Gerichte erteilten den Regulierungsexperten eine Rüge und zeigten der Europäischen Kommission, dass sie bei der Blockierung der Fusion zwischen Hutchison und o2 (UK) falsch lag. Europa hinkt bei den Investitionen in die Telekommunikation hinterher, die Preise sinken weiter, und der Anteil der Region am Weltmarkt (wo sie einst Weltmarktführer war) wird immer geringer.
Die Betreiber können die Kluft überbrücken, indem sie den Hype in den Fusionserklärungen reduzieren. Die Alternative zur Konsolidierung ist eine "Konsolidierung light", bei der sich die Betreiber die Infrastruktur teilen. Eine der Möglichkeiten dazu seien nationale Roaming-Vereinbarungen.
Breitband über drahtlose Lösungen - Fiber in the Air
2021 werden 4G- und 5G/FWA-Lösungen zunehmend feste Breitbandverbindungen ersetzen. Während sich Verbraucher immer mehr vom Festnetz abnabeln und auf drahtlose Breitbandlösungen umsteigen, sträubten sich politische Entscheidungsträger und Befürworter, diesen Trend zu akzeptieren. In der Zwischenzeit würden sich Mobilfunkbetreiber mit Fiber-to-the-Home-Anbietern zusammenschließen und Breitband über Fixed Wireless Access (FWA) anbieten.
Fokus auf Hardware-Sicherheit
Die häufigsten Cyberangriffe kommen von der organisierten Kriminalität und staatlich geförderten Akteuren aus finanziellen und spionagebedingten Gründen. Dieses Jahr war bei den groß angelegten Cyberangriffen nicht anders als andere. Dieses Versagen der Politik spiegele das Fehlen eines ganzheitlichen Ansatzes für die Netzwerksicherheit und die häufige Überfokussierung auf Software wider.
2021 sollte ein größerer Fokus auf alle Netzwerkelemente und ihre Herkunft gelegt werden, einschließlich der Server, die Daten verarbeiten, und der Laptops und Geräte, die mit ihnen verbunden sind.
Sicherheit werde nicht verbessert, wenn der Ersatz für Huawei nur ein weiterer Anbieter "im Besitz der chinesischen Regierung" sei, wie GE (General Electric), Motorola oder Lenovo, einst amerikanische Unternehmen.
Ein Fazit
Im Jahr 2020 hatte Strand viele Berichte veröffentlicht, "um Mobilfunkunternehmen zu helfen, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden und um Transparenz in politischen und regulatorischen Debatten zu schaffen." Er lade die Branche ein, selbst zu sehen, ob er im Laufe der Jahre richtig lag.