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Mobilfunk-Netze: Telekom hält an Open-RAN fest

Ein robus­teres Ökosystem durch Stan­dard-Hard­ware und Soft­ware-Lösungen statt hoch­gezüch­tete hersteller-eigener Hard­ware. Soweit die Theorie. Die Praxis ist schwierig.
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Die Deut­sche Telekom habe ihr Enga­gement bekräf­tigt, „Open RAN zur Tech­nologie der Wahl für zukünf­tige Netz­werke“ zu machen. Das berichten verschie­dene Online Medien unter anderem "Lightrea­ding" aus Neubran­den­burg (65.000 Einwohner), wo die Deut­sche Telekom die Open RAN (ORAN) Technik seit einiger Zeit "live" auspro­biert. Im Video (in engli­scher Sprache) wird das Prinzip erklärt.

Trotz "zahl­rei­cher Heraus­for­derungen", die Kenner als "enttäu­schend" bezeichnen, hält Telekom-Technik-Vorständin Claudia Nemat am Konzept fest. Sie kriti­sierte die bestehenden Auswahl­mög­lich­keiten bei heutigen Funk­zugangs­netzen (RAN) etwa von Huawei, Ericsson oder Nokia, neuer­dings kommen viele neue Namen ins Spiel. Denn: Wenn sich ein Netz­betreiber für einen bestimmten RAN-Hersteller entschieden hat, muss er alles vom glei­chen Hersteller kaufen und verwenden, also die Signal­auf­berei­tung und die Sende­end­stufen. Produkte anderer Hersteller sind nicht kompa­tibel, die verwen­deten Signal-Proto­kolle sind nämlich proprietär.

Open-RAN trennt Kompo­nenten auf

Langfristig soll das Open-RAN-Konzept flexibler und robuster werden, weil die Hersteller und Komponenten besser austauschbar sind. Langfristig soll das Open-RAN-Konzept flexibler und robuster werden, weil die Hersteller und Komponenten besser austauschbar sind.
Foto: Deutsche Telekom
Beim Open-RAN-Konzept werden die Kompo­nenten aufge­trennt und können von verschie­denen Liefe­ranten stammen. Der Schwer­punkt soll in einer spezi­ellen Soft­ware liegen, die auf soge­nannten X86-Stan­dard­pro­zes­soren (bekannt seit dem IBM-PC) läuft, die preis­werter und flexi­bler als Hersteller-eigene Hard­ware-Sonder­anfer­tigungen sein könnten. Zumin­dest theo­retisch.

Franz Seiser, mit der Berufs­bezeich­nung "Execu­tive Tribe Lead for Access Disag­gre­gation, Tech­nology Archi­tec­ture and Inno­vation Unit" bei der Deut­schen Telekom, stellte kürz­lich in einem Inter­view mit dem Magazin "TelecomTV" fest, dass die Telekom "viel aus dem O-RAN Town-Test gelernt habe". In Bran­den­burg wurde das Test­netz mit Technik des US-Herstel­lers Mavenir aufge­baut, ferner wurden Kompo­nenten von Dell, Intel, NEC und Fujitsu verwendet. In Über­ein­stim­mung mit seinen Kollegen bei anderen Netz­betrei­bern bestä­tigte Seiser, dass es "noch viel zu tun gibt, bevor Open-RAN-Systeme bereit für den Massen­ein­satz sein werden."

Ergeb­nisse "enttäu­schend"?

Die Ergeb­nisse dieses ORAN-Versuchs hatten in der Branche einige Speku­lationen ausge­löst, ob die Deut­sche Telekom ihre Open-RAN-Pläne viel­leicht ganz aufgeben könnte. Mitnichten. In einem soge­nannten "White­paper" stellt die Telekom fest, dass der Einsatz "offener, disagg­regierter RAN-Systeme "immer noch ein wesent­licher Bestand­teil der Pläne sei.

Die Ergeb­nisse seien wert­voll und bildeten die "Basis für die nächste Stufe unserer Open-RAN-Reise". Ziel sei es, Open RAN durch die Nutzung von Fort­schritten in Cloud- und Sili­zium­tech­nolo­gien die hoch­modernen S-RAN (Single RAN)-Lösungen auch in Bezug auf die Leis­tung zu verstärken, damit sie am Ende effi­zienter werden.

Wie Seiser gegen­über TelecomTV einräumte, gebe es noch viel zu tun. Der Plan, bestimmte Anbieter „zur Vorbe­rei­tung auf eine erste kommer­zielle Einfüh­rung von Open RAN ab 2023/24“ zu quali­fizieren, soll aber einge­halten werden.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Netz­werk­her­steller wie Huawei bauen exzel­lente Technik zu güns­tigen Preisen, aber die "poli­tische" Kompo­nente lässt sich heute nicht mehr ausblenden. Schon deshalb setzen Netz­betreiber schon lange auf mehrere Liefe­ranten, beispiels­weise Ericsson oder Nokia. Fällt ein Liefe­rant aus oder kann oder will nicht liefern oder besteht der Anbieter die poli­tisch moti­vierten Sicher­heits­tests nicht (mehr), gibt es (mindes­tens) noch einen anderen.

Der zuneh­mende Netz­ausbau und die perma­nente Unlust der Kunden, mehr für ihren Mobil­funk­zugang zu bezahlen, sorgt für Kosten­druck. Die Idee der Kosten­rechner: Alles mit Stan­dard-Hard­ware und flexibel program­mier­barer Soft­ware zu erschlagen. Das klingt zunächst einleuch­tend. Das muss aber zuerst einmal auspro­biert, spezi­fiziert und geprüft werden - und das kann dauern.

Hersteller-spezi­fische RAN-Ange­bote sind hingegen hoch­gezüchtet und dafür sehr schnell und bereits jetzt lieferbar. Da kommt mancher Kunde ins Grübeln.

Auch im Fest­netz werden Mobil­funk­kom­ponenten erfolg­reich einge­setzt. Beispiels­weise bei 5G-Hybrid.

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