Urgestein

Jubiläum: Windows 95 löste vor 25 Jahren den PC-Boom aus

Beson­ders sicher und stabil war Windows 95 nicht gerade. Doch die neue Optik und viele Verbes­se­rungen in dem Betriebs­system machten es leichter, am PC zu arbeiten. Bill Gates schwärmt auch 25 Jahre danach vom "Meilen­stein in der Micro­soft-Geschichte".
Von dpa /

Die Vorstellung von Windows 95 Die Vorstellung von Windows 95
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"Start Me Up" - die Rolling Stones prägten den Sound der Vorstel­lung des Micro­soft-Betriebs­sys­tems Windows 95 vor 25 Jahren. Firmen­gründer Bill Gates hatte damals drei Millionen Dollar locker gemacht, um die Nutzungs­rechte des Songs für die Premie­ren­feier am 24. August und spätere TV-Spots zu besorgen. Zur Präsen­ta­tion der Soft­ware wurde TV-Star Jay Leno aus Los Angeles einge­flogen. 2500 Gäste feierten in riesigen Fest­zelten auf dem Firmen­campus in Redmond bei Seattle ausge­lassen die neue Soft­ware. In New York wurde in der Nacht das Empire State Buil­ding in den Farben von Windows ange­strahlt. So etwas hatte die Branche noch nie gesehen.

Windows 95 wurde als Welt­neu­heit gefeiert. Aller­dings steckte unter der Haube noch viel alte Technik: Um die Besitzer von 16-Bit-Programmen für die ersten Windows-Versionen und anti­quierter Soft­ware für das erste Micro­soft-Betriebs­system MS-DOS nicht auszu­schließen, hatten sich Gates und seine Mitstreiter gegen einen radi­kalen Neuan­fang entschieden. Diese Entschei­dung führte dann aber auch dazu, dass Windows 95 sich immer wieder mal mit einem Absturz verab­schie­dete. Das wurde später mit Windows XP weit­ge­hend ausge­bü­gelt. Die Vorstellung von Windows 95 Die Vorstellung von Windows 95
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Neue grafi­sche Ober­fläche

Viel über­zeu­gender war die neue Optik: Das Micro­soft-System brachte eine neue grafi­sche Ober­fläche mit, die sich an den Doku­menten orien­tierte und noch besser mit der Maus bedient werden konnte als das vorhe­rige Windows 3.x. Die Schreib­tisch-Meta­pher ("Desktop") kam zwar den Besit­zern eines Apple Macin­tosh irgendwie bekannt vor, für die meisten PC-Benutzer bot Windows 95 jedoch eine echte Premiere. "Windows 95 war ein großer Meilen­stein für das Unter­nehmen", sagte Gates 2018 in einem "Wired"-Video.

Gates räumt dabei frei­mütig ein, dass die grafi­sche Benut­zer­ober­fläche nicht von Micro­soft erfunden wurde. Aller­dings sieht er auch nicht Apple als Erfinder, sondern ein legen­däres kali­for­ni­sches Forschungs­in­stitut. "Die grafi­sche Benut­zer­schnitt­stelle ist im Xerox PARC erfunden worden, für einige sehr teure Maschinen, die nur in geringen Stück­zahlen verkauft wurden." Tatsäch­lich hatten sich Apple-Mitbe­gründer Steve Jobs und sein Team für die Program­mie­rung der Ober­flä­chen der Apple-Computer Lisa (1983) und Macin­tosh (1984) bei mehreren Besu­chen im Xerox PARC inspi­rieren lassen. Der Xerox-Konzern in New York bekam dafür lukra­tive Aktien-Optionen vor dem Apple-Börsen­gang. Gates und seine Entwickler lösten dagegen nie ein Eintritt­s­ti­cket für einen Besuch der Labore vom Xerox PARC.

Über dieses Thema reden sich heute nur noch einige Nerds und Computer-Histo­riker die Köpfe heiß. Xerox ließ damals eine histo­ri­sche Chance verstrei­chen. Und Micro­soft profi­tierte davon. Deutscher Verkaufsstart von Windows 95 Deutscher Verkaufsstart von Windows 95
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Längen­be­schrän­kung für Datei­namen fiel weg

Windows 95 entfachte einen Upgrade-Boom, denn im Vergleich zum Kommando-Zeilen­system MS-DOS und den ersten Windows-Versionen sah das neue Betriebs­system so viel besser aus und war auch einfa­cher zu bedienen. Es warf auch die lästige Längen­be­schrän­kung für Datei­namen auf acht plus drei Zeichen über Bord (BEISPIEL.TXT). Und man konnte auch wie beim Mac die Dateien auf dem virtu­ellen Schreib­tisch (Desktop) ablegen. Gelöschte Dateien landeten in einem Papier­korb und konnten vor dem endgül­tigen Löschen auch wieder daraus entnommen werden.

Einen eigenen Akzent setzte Micro­soft mit dem Start-Menü, auch wenn einige Anwender nicht verstehen konnten, warum man auch zum "Beenden" auf "Start" klicken musste.

Vor 25 Jahren war die Windows-95-Euphorie unge­bro­chen: Allein in den ersten sieben Wochen verkaufte Micro­soft sieben Millionen Exem­plare. Inner­halb eines Jahres waren es 40 Millionen. Damit holte Gates den Personal Computer aus der Nerd-Ecke und kam seiner Vision "Ein PC auf jedem Schreib­tisch" einen entschei­denden Schritt näher. 1995 wurden welt­weit erst gut 60 Millionen Computer verkauft. Zehn Jahre später über­schritt die Zahl der verkauften PCs welt­weit erst­mals die Schwelle von 200 Millionen, Micro­soft hielt damals einen Markt­an­teil von über 95 Prozent. Seinen Höhe­punkt erlebte der PC-Markt 2011 mit 365 Millionen verkauften Geräten. Seitdem zeigt die Kurve deut­lich nach unten, weil bei vielen Menschen das Smart­phone oder ein Tablet-Computer die Funk­tion des PCs über­nommen hat. Desktop und neues Startmenü in Windows 95 Desktop und neues Startmenü in Windows 95
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Mit Windows 95 verpennte Micro­soft das Internet

Komplett falsch schätzte Gates damals den Online-Markt ein. Zu Beginn wurde Windows 95 sogar ohne Webbrowser verkauft, obwohl der briti­sche Wissen­schaftler Tim Berners-Lee das Web bereits fünf Jahre zuvor erfunden hatte und der popu­läre Mosaic-Browser auch schon seit 1993 verfügbar war (der Netscape-Browser seit 1994). Erst im "Plus!"-Paket für 100 Deut­sche Mark gab es einen Browser dazu. Gates glaubte damals noch an den Erfolg proprie­tärer Online-Dienste wie Compu­serve oder AOL und stat­tete sein Windows mit dem Micro­soft-Gegen­stück MSN aus. Diese geschlos­senen Online­dienste versuchten, die Nutzer in einem abge­schot­teten Bereich zu halten, der vom offenen Web aus nicht erreichbar war. Erst als der Mosaic-Nach­folger Netscape den Markt über­rannte, erkannte Gates die Heraus­for­de­rung.

Immerhin reagierte der Micro­soft-Chef schnell: Vier Monate nach der Premiere von Windows 95 änderte Gates seinen Online-Kurs um 180 Grad. Er wählte in einem Work­shop dazu einen außer­ge­wöhn­li­chen histo­ri­schen Vergleich, um die neue Stra­tegie zu verdeut­li­chen. Am Jahrestag des Über­falls Japans auf Pearl Harbor erin­nerte er an den Kommentar des japa­ni­schen Admi­rals Yama­moto, "er fürchte, sie hätten (mit dem Über­fall) einen schla­fenden Giganten geweckt".

Brow­ser­krieg: Internet Explorer gegen Netscape

Die neue Ansage von Gates lautete: "Heute ist das Internet die trei­bende Kraft bei allen Verbes­se­rungen, die wir bei all unseren klas­si­schen Produkten vornehmen." Micro­soft verstrickte sich nach dieser Ansage in einen schmut­zigen "Brow­ser­krieg". Der Kampf gegen Netscape hätte fast zur Aufspal­tung des Konzerns geführt, weil sich die Aufsichts­be­hörden an Micro­softs Geschäfts­praktik störten, den Browser Internet Explorer mit Windows zu bündeln. Zum Schluss blieb Netscape auf der Strecke.

Inzwi­schen spielt der Brow­ser­markt nur noch eine unter­ge­ord­nete Rolle. Hier versucht Micro­soft mit einem rund­erneu­erten Browser Edge den x-ten Anlauf eines Come­backs gegen Google Chrome. Im Kampf um die Erlöse aus dem Netz steht Micro­soft dennoch inzwi­schen auf der Sieger­seite. Das Cloud-Geschäft mit Micro­soft Azure und Micro­soft 365 hat inzwi­schen die Erlöse mit Windows weit abge­hängt.

In einer großen Über­sicht zeigen wir, wie sich Windows seit MS-DOS bis hin zu Windows 10 entwi­ckelt hat.

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