Zweckoptimimus?

UMTS ist tot - es lebe UMTS!

"Jede Technik hat ihre Kinderkrankheiten"
Von Marie-Anne Winter / dpa

Wenn Gerhard Schmidt und Jürgen Kuczkowski Recht behalten, dürfen sich Internet-Surfer und Mobilfunk-Fans schon in diesem Herbst auf den Big Bang freuen. Dann wollen die Chefs von MobilCom und Vodafone D2 mit ersten UMTS-Diensten den mobilen Turbo einschalten. Informationen, Spiele und Sport - der Anwendungen sind keine Grenzen gesetzt. Doch diese vollmundigen Sprüchen erscheinen derzeit als reiner Zweckoptmimus, denn wie erst am Montag gemeldet, herrscht in Branche Katerstimmung. Die UMTS-Betreiber könnten auch eine satte Bauchlandung machen. Aber nicht jeder will sich die Stimmung schon derart vermiesen lassen.

Verzögerungen habe es auch beim Start der GSM-Technik Anfang der 90er Jahren gegeben. Matthias Kurth, oberster Aufseher über den deutschen Telekom-Markt, macht sich darüber kein Kopfzerbrechen: "Jede Technik hat ihre Kinderkrankheiten", sagt der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), Probleme würden gelöst, wenn man sie umsetze. Allerdings war der Rummel beim Start der GSM-Netze ungleich geringer. Damals war die Erfolgsgeschichte des Mobilfunks noch nicht abzusehen. Heute ist der Erfolg fest eingeplant - und genau das wird zum Problem.

"Time-to-the-market" ist eine der Lieblingsvokabel von Vodafone-Manager Kuczkowski. Zu deutsch: Wer zu erst kommt, mahlt zuerst. Bei einem zunehmend gesättigten Markt - Ende 2002 telefonierten bereits 57 Millionen in Deutschland - kann die Devise nur "Marktverdrängung" lauten. Wer die attraktivsten Dienste präsentiert, hat die besten Chancen.

Noch bevor UMTS überhaupt startet, wollen die Anbieter über ihre schnellen GPRS-Netze den erfolgreichen Kurznachrichtendienst SMS zu einem Multimedia Nachrichtendienst (MMS) aufrüsten. So werden die herkömmlichen Textdateien mit Fotos, Musikstücken, Comics oder Animationen aufgepeppt. Wenn ein bedienungsunfreundlicher Dienst wie SMS so erfolgreich ist, welche Möglichkeit würde dann erst ein nutzerfreundlicher Dienst haben, fragt Regulierungschef Kurth.

Der deutsche Marktführer T-Mobile hat erst vor wenigen Tagen allzu euphorische Erwartungen gedämpft: "Wir werden mit UMTS-Diensten an den Markt gehen, wenn Technik, Endgeräte und Services unseren hohen Qualitätsansprüchen genügen", betont T-Mobile-Europachef René Obermann. Und so hat die Telekom-Tochter den kommerziellen UMTS-Start in Deutschland auch erst für Sommer 2003 geplant.

Für die T-Mobile, Vodafone/D2 & Co steht viel auf dem Spiel: Einen Flop wie beim mobilen Internetdienst WAP können sie sich angesichts der Milliarden-Investitionen nicht leisten. Mehr als 100 Milliarden Euro haben die Betreiber allein für UMTS-Lizenzen in Europa auf den Tisch geblättert und sich zum Teil hoch verschuldet. Weitere Milliarden-Summen müssen sie in den Netzaufbau investieren.

Bevor die UMTS-Dienste abheben, soll 2002 der mobile Datentransfer mittels der aufgerüsteten Technik GPRS richtig in Schwung kommen. Dabei setzen die Anbieter vor allem auf Unterhaltungsangebote und Spiele. Denn Umsätze und Erträge werden künftig nicht mit Sprache, sondern mit Daten generiert.

E-Plus steht mit einem Produkt aus Fernost in den Startlöchern: Mit dem mobilen Internet-Dienst i-Mode. Voraussichtlich zur CeBIT 2002 will die Tochter der niederländischen KPN mit dem in Japan erfolgreichen Internetdienst i-Mode die Herzen und Teenager im Sturm erobern. Die Chance dazu stehen nicht schlecht, denn mit bunten Bildchen, die sich bewegen und dabei auch noch Geräusche machen, konnte man Jugendlichen seit jeher das Geld aus der Tasche ziehen - und Erwachsenen natürlich auch. Hier darf das Niveau im Prinzip noch niedriger sein, wenn nur die richtigen Reize geliefert werden.