Schutz?

Editorial: Weg mit den günstigen Netzintern-Gesprächen!

Behinderung von echtem Wettbewerb
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Betrachten wir zwei Freundinnen, Anne und Berta, die im Monat zusammen 100 Minuten lang per Handy miteinander telefonieren. Die Hälfte der Gespräche ist in der Hauptzeit, die andere Hälfte in der Nebenzeit. Wenn beide einen typischen Privatkundenvertrag wie Telly Active von T-Mobile haben, kosten diese Gespräche - ohne Grundgebühr - monatlich zusammen 24 Euro. Wechseln beide zum Tarif select von O2, sinken die monatlichen Gesprächsgebühren auf 15 Euro. Beim Partnertarif Genion Duo kosten die Interngespräche zusammen sogar nur 8 Euro.

Ganz anders hingegen die Situation, wenn eine der Freundinnen im D1-Netz und die andere im o2-Netz telefoniert. Jede der beiden ruft die andere 50 Minuten lang an, wiederum gleichmäßig verteilt auf Haupt- und Nebenzeit. In diesem Fall explodieren die Kosten geradezu und betragen nun zusammen 47,25 Euro. Ähnliche Ergebnisse gelten auch für andere als die hier vorgestellte Netz-Kombination. Entsprechend groß ist der Druck auf die beiden Freundinnen, dasselbe Netz zu wählen. Da jeder bestehende Kunde zumeist mehrere Freunde oder Geschäftspartner hat, die ihn regelmäßig anrufen, gilt: Je mehr Kunden ein Netzbetreiber hat, umso höher ist der Druck, bei diesem zu bleiben, bzw. bei Neuverträgen in diesem Netz abzuschließen. Das behindert den freien Wettbewerb, und perpetuiert die marktbeherrschende Stellung der beiden führenden Netzbetreiber.

Technologisch sind die aufgezeigten deutlichen Preisunterschiede nämlich nicht begründbar. Alles, was benötigt wird, ist ein im Festnetz geschalteter zusätzlicher Netzübergang zwischen den beiden Netzbetreibern. Dieser kann "festnetz-günstig" abgewickelt werden; die üblichen Interconnect-Entgelte für derartige Vermittlungsleistungen liegen zur Zeit im Bereich von 0,5 bis 1,0 Cent pro Netzebene, teilweise sogar noch darunter. Ohne günstige Netzübergänge wären virtuelle Netzbetreiber, wie (noch) Quam oder demnächst Tele 2, auch gar nicht möglich.

Vom kaufmännischen sieht die Rechnung anders aus, denn jeder Netzbetreiber verlangt für in das Netz eingehende Gespräche Geld von dem Netzbetreiber, aus dessen Netz das Gespräch kommt. Letzterer muss diese Kosten an seine Endkunden weiterreichen, was billige Gespräche in Fremdnetze unmöglich macht.

Die IC-Gebühren werden aber nicht in Ansatz gebracht, wenn netzinterne Gespräche kalkuliert werden. Folglich gibt es in den meisten Netzen günstige netzinterne Gesprächstarife, zumal kein Netzbetreiber auf den oben genannten Werbeeffekt verzichten möchte. Nutzer von Geschäftskundentarifen bezahlen für netzinterne Verbindungen oft sogar weniger, als Großabnehmer für die Einlieferung per Interconnect bezahlen müssen. Dabei sind die technischen Kosten bei der netzinternen Verbindung (zwei Mobilfunkstrecken) größer, als beim Interconnect (nur eine Mobilfunkstrecke).

Es handelt sich um ein offensichtliches Missverhältnis, wenn der Großabnehmer mehr bezahlt, als der gute Einzelkunde. Man stelle sich zum Vergleich vor, Daimler-Chrysler würde von Autovermietern den doppelten Neupreis verlangen wie von Endkunden, weil Daimler-Chrysler nicht will, dass seine Mercedes-Fahrzeuge vermietet werden. So, oder so ähnlich ist aber die Situation im Mobilfunk: Kein Netzbetreiber will unbedingt, dass in sein Netz hineintelefoniert wird. Jeder will, dass möglichst viele Gespräche im eigenen Netz beginnen und enden.

Dennoch behindert dieses Monopol-Streben den freien Wettbewerb, denn der Kunde ist in der Netzwahl nicht mehr frei, sondern davon abhängig, welches Netz seine Gesprächspartner überwiegend nutzen. Fraglich ist, ob hier der Regulierer oder die Politik eingreifen sollte, um den offensichtlichen Missbrauch zu beenden. Das könnte auf Seite der Vorleistung passieren, indem man den Interconnect-Tarif niedriger festsetzt, als den günstigsten Tarif für netzinterne Gespräche. Genausogut könnte man auf Endkundenseite verbieten, netzinterne Gespräche wesentlich billiger anzubieten als netzexterne. Letzteres wäre auch in Hinblick auf die bald eingeführte Rufnummernportabilität sinnvoll. Denn künftig kann man nicht mehr wissen, ob ein Nutzer mit einer bestimmten Vorwahl weiterhin zu diesem Netz gehört, oder ob er zwischenzeitlich woanders hin gewechselt ist.

Beide vorgeschlagenen Maßnahmen (Interconnect senken bzw. günstige Netzintern-Tarife verbieten) würden schlagartig den Wettbewerb ankurbeln, und damit mittelfristig die Preise senken und die Nutzung erhöhen. Ein anderer Bereich, in dem die Wettbewerbshüter bereits auf ein Missverhältnis zwischen Endkundenpreis und Großkundenpreis aufmerksam geworden sind, ist die Teilnehmeranschlussleitung. Hier hat die EU-Kommission kürzlich ein Kartellverfahren gegen die Deutsche Telekom eingeleitet.