Fallbeispiel

Mehrwertdienste und Missbrauch: Talkline zwischen den Stühlen

Sind es nur die schwarzen Schafe, die Probleme machen?
Von Marie-Anne Winter

Der Missbrauch von Mehrwertdienste-Nummer ist ein Thema, das Verbrauchern, Anbietern und nicht zuletzt den Gesetzgebern zunehmend graue Haare wachsen lässt. Kaum sind neue Dienste geschaltet, erscheinen Abzocker auf dem Plan, die allerlei Maschen finden, Telekommunikationskunden über die monatliche Telefonrechnung ihr Geld aus der Tasche zu ziehen. Ein Name fällt in diesem Zusammenhang sehr häufig: Talkline, beziehungsweise der Name der Festnetzsparte der Talkline-Gruppe, TalklineID.

In unserem Anbieterforum häufen sich die Hinweise auf Abrechnungsprobleme und Betrugsversuche mit 0190-0-Nummern. Das liegt unter anderem daran, dass TalklineID in Deutschland der größte Anbieter von 0190-Nummern ist. Diese werden von Weiterverkäufern weitergegeben und schließlich bieten Noname-Dienstleister unter diesen Nummern als Content-Provider zweifelhafte Dienste an. Auf der Telefonrechnung erscheint dann aber der Name "Talkline", auch wenn das Unternehmen inhaltlich nichts mit den Endprodukten zu tun hat. Nun ist es mittlerweile aber so, dass die Netzbetreiber laut Telekommunikationsgesetz verpflichtet sind, die Nummern von Mehrwertdienste-Anbietern abzuschalten, die diese Nummern nachweislich missbrauchen. Aber bis dieser Nachweis erbracht wird, sind eine Menge Kunden darauf hereingefallen und bleiben möglicherweise auf den Kosten sitzen.

Unterschiedliche Ansichten der Gerichte

Die Rechtsprechung ist bisher keineswegs einheitlich. Zum einen ist die Beweislage schwierig: Wie beweist ein Kunde, dass er von einer hergestellten Verbindung tatsächlich nichts wusste? Oder dass er sich beim Versuch, ein Call-by-Call-Gespräch über einen 0190-0-Nummer zu führen, schlicht vertippt hat?

Zum anderen gehen die Ansichten der jeweiligen Richter über die Informationspflicht der Anbieter bzw. die Anforderungen an die Aufmerksamkeit der Verbraucher oder schlicht an den gesunden Menschenverstand weit auseinander. Bei manchen Sachverhalten ist die Lage klar: So musste ein Kunde Verbindungen zu 0190-Diensten nicht zahlen, weil sein Telefonanbieter den jeweiligen Mehrwertanbieter nicht benennen konnte.

Das Landgericht Berlin wiederum verurteilte eine Mutter zur Zahlung einer Rechnung von rund 9 000 Euro, die ihr Sohn über die Anwahl eines Dialers verursacht hatte. Das Landgericht Freiburg wiederum entschied, dass im Falle einer unwissentlich hergestellten Verbindung zu einem 0190-Dialer der Kunde nicht zahlen müsse, weil unwissentlich kein Vertrag mit einem Mehrwertdiensteanbieter zustande kommen könne.

Diese unbefriedigende Situation ist seit Jahren bekannt, aber trotz gut gemeinter Vorstöße hat sich bisher nicht viel geändert. Zwar wurde von der Freiwilligen Selbstkontrolle Telefondienste e.V. (FST) ein Verhaltenskodex und ein Maßnahmenkatalog erarbeitet. Die edlen Ziele der Selbstkontrolleure sind aber unerreichbar, so lange die Regeln nicht für alle Mehrwertdiensteanbieter gelten. Und bisher gilt: Wer nicht im FST ist, der wird auch nicht bestraft, wenn er gegen die Regeln verstößt. Anbieter wie prompt nutzen diese Freiheit auch promt aus: Dieser Anbieter fiel durch einen umstrittenen Rückrufdienst negativ auf.

Viel Umsatz, viel Ärger

Wie bereits berichtet, hat der FST im Juli dieses Jahres einen Antrag gestellt, in dem er fordert, dass der Verhaltenskodex als Wettbewerbsregel gemäß § 24 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anerkannt wird. Damit wäre der Kodex für alle Mehrwertdiensteanbieter verbindlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Talkline-Gruppe sich mit Vorschlägen für ein Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern hervortut. In Anlehnung an den alten Spruch von "Viel Feind, viel Ehr" kann man hier also formulieren: "Viel Umsatz, viel Ärger".

Denn gerade unter den Anbietern, die viel Umsatz bringen, sind auch Wiederverkäufer, die ihre Nummern an wenig seriöse Dienstleister weitervermieten. Und diese können dann, wie man bei uns im Forum nachlesen kann, für reichlich Ärger sorgen. Auffällig häufig wird dabei eine Firma genannt: die dänische Tele Team Work. Diese benutzt unter anderem einen Dialer, bei dem pro Einwahl pauschal 25 Euro für 15 Minuten abgerechnet werden. Diese 25 Euro werden berechnet, sobald die Verbindung steht. Auf den Einzelverbindungsnachweisen tauchen somit Verbindungen von wenigen Sekunden Länge auf für die Nummer 0190 070XXX auf, für die netto 21,5517 Euro berechnet werden.

Standardisierte Abrechnungs-Verfahren

Dass in diesen Fällen das Preis-Leistungs-Verhältnis aus den Fugen gerät, sieht man auf Nachfrage auch bei TalklineID ein. Pressesprecher Ove Struck sagte gegenüber teltarif.de, dass es klar sei, dass man innerhalb weniger Sekunden keine Leistung beansprucht haben könnte, die den geforderten Preis wert sei. Warum das Unternehmen diese Leistungen aber unbeirrt einfordert, begründete Herr Struck damit, dass man bei den großen Vorgangszahlen mit standardisierten Verfahren arbeiten müsse. Viele der Fälle seien ja auch schon älter, mittlerweile habe man das Verfahren verbessert. Einige dieser Fälle sind im Internet dokumentiert worden, etwa auf dieser privaten Homepage [Link entfernt] oder auf der Seite der Anwahltskanzlei Böhm. Der Anwaltskanzlei Böhm wurde inzwischen von Talkline verboten, die Schriftsätze ins Internet zustellen.

In Verruf geratene Mehrwertdienste verderben das Geschäft

Als besonders kundenfreundlich kann man die bisherige Praxis auch mit gutem Willen nicht bezeichnen. Talkline betont, dass man ja kein Interesse daran habe, dass Mehrwertdienste weiter in Verruf geraten, schließlich verderbe man sich selbst das Geschäft. Deshalb versuche man ja auch, Verbesserungen beim Verbraucherschutz zu erreichen, etwa mit konkreten Vorschlägen für ein Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern. So fordert der Anbieter die Einrichtung einer zentralen Datenbank, wo die jeweiligen Anbieter von 0190-Nummern mit einer ladefähigen Adresse gespeichert werden müssen. Außerdem sollen Verbindungen zu solchen Nummern künftig prinzipiell ungekürzt gespeichert werden.

Eigenartige Kommunikationsschwierigkeiten

Das ist schön und gut - leider fällt Talkline bzw. TalklineID trotzdem immer wieder mit eigenartigen Kommunikationsschwierigkeiten auf, wenn es um die eigenen Tarife geht. So wurde irgendwann Mitte November der Tarif für Gespräche nach Südafrika von 11,5 auf 135,5 Cent erhöht - die Änderung wurde uns telefonisch am 20. November mitgeteilt. Wie uns Leser mitgeteilt haben, erfolgte aber bereits am 13. November die Abrechnung zum höheren Tarif. Vertrauensbildend ist diese Kommunikationspolitik jedenfalls nicht, selbst wenn TalklineID den verärgerten Kunden die Preisdifferenz gutschreiben sollte.