Bundesrat: E-Auto-Strom mit Giro- oder Kreditkarte zahlbar (Update2)
Fürs Aufladen an der Strom-Ladesäule fürs Elektro-Auto brauchte man bisher oft spezielle Kundenkarten. Die Bundesregierung will es einfacher haben, der Bundesrat stimmte heute zu. Die Auto- und Lade-Branche ist nicht begeistert.
Elektroautos „tanken“ an der Ladesäule - doch wie zahlt man an öffentlichen Ladepunkten für den Strom? Über diese Frage stritten Bundesregierung, Autobauer und Energiewirtschaft. Während die Bundesregierung ganz klar für Lesegeräte für Kartenzahlung votierte, fanden die Unternehmen das „veraltet“ und setzen auf „digitale Verfahren“ wie Apps, NFC-Chips oder Ladekarten. Heute hat der Bundesrat die Sache entschieden.
Wo liegt das Problem?
Bevor Sie aufladen dürfen, müssen Sie prüfen, ob Sie bezahlen können.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Derzeit gibt es für das Bezahlen an Ladesäulen kein einheitliches System. Es gibt mehr als 46 000 öffentliche Säulen, aber hunderte Betreiber, Vertragsmodelle und Tarife. Oft klappt das Laden über bestimmte Kundenkarten, die nur an bestimmten Säulen funktionieren, manchmal geht es auch über die Apps von Ladekartenanbieter. Mal wird eine monatliche Grundgebühr berechnet, oft bezieht sich die Zahlung auf den aktuellen Ladevorgang.
Der Wunsch von Bundesregierung und Bundesrat
Das Laden von Elektroautos soll einfacher und unabhängiger werden, so dass Nutzer spontan auf den Weg jede Ladesäule nutzen können, die sie finden. Das Kabinett hatte deshalb eine Änderung der Ladesäulenverordnung angestoßen, die Anbieter verpflichtet, ab Juli 2023 Lesegeräte für gängige Debit- (einschließlich Girocard) oder Kreditkarten in neue Ladesäulen einzubauen.
Bis dahin bereits aktive und betriebene Ladesäulen müssten nicht umgerüstet werden, es ist aber zu vermuten, dass einige Säulen trotzdem aufgerüstet werden.
Die Gegen-Argumente der Auto- und Energiewirtschaft
Mehrere Wirtschaftsverbände wehrten sich gegen die Kartenlesegerät-Pflicht. Die Terminals seien veraltet, sie verursachten für Nutzer zusätzliche Kosten und bremsten das Innovationstempo, meinen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der Verband der Automobilindustrie und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie [Link entfernt] .
Modern seien digitale Lösungen, also etwa Apps oder mobile Anbieter wie Paypal. "EC-Kartenterminals als teure Back-Up-Bezahloption braucht in 2030 kein Mensch mehr. Sie sind dann ein Anachronismus wie Telefonhäuschen heute als Back-Up für Smartphone-Nutzer", erklärten die Verbände.
Ähnlich argumentierte der Chef des Stadtwerkeverbandes VKU, Ingbert Liebing. "Schon sehr bald werden digitale Lösungen in allen Lebensbereichen die Regel sein", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jede zusätzliche Anforderung an die Betreiber hemme den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Update2: Scheuer kritisiert EC-Lösung
Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer ist kein Freund der beschlossenen Lösung. Jetzt solle "mit den Mitteln des 20. Jahrhunderts die Mobilität des 21. Jahrhunderts umgebaut werden". Finanzminister Olaf Scholz (SPD) habe sich von der Kreditwirtschaft beeinflussen lassen. "Der EC-Karten-Lobbyismus hat bei Finanzminister Scholz voll zugeschlagen", kritisierte der CSU-Politiker Scheuer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur seinen Minister-Kollegen. "Er hat jetzt den verlangsamten Ausbau der Ladesäulen durch die zusätzliche Technikauflage zu verantworten."
Städte und Banken sind dafür
Die Kreditwirtschaft, Städte, Gemeinden und Kreise dagegen pochten auf offene Bezahlsysteme. Der Verbraucher müsse an jeder Ladesäule mit der Karte bezahlen können, die er im Portemonnaie hat, heißt es beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Auch der ADAC ist dafür, dass Verbraucher an der E-Ladesäule so zahlen können, wie sie es von vielen normalen Tankstellen gewöhnt sind, wie ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand der "Welt" sagte.
Die Befürworter der Kartenlesegeräte argumentieren, ein Bezahlchaos an den Ladesäulen bremse die E-Mobilität aus. Im Schnitt habe jeder E-Autofahrer inzwischen schon drei Ladekarten von verschiedenen Anbietern und müsse sich in Apps und auf Websites mit sensiblen Bezahldaten registrieren - und trotzdem könne er nicht einfach an die nächstbeste Ladesäule fahren, sondern müsse die seiner Vertragspartner suchen.
Und die e-Autofahrer?
Menschen, die mit einem E-Auto unterwegs sind, haben sich darauf eingestellt, dass mehrere Karten oder Apps notwendig sind, um überall das Auto laden zu können. Apps zeigen auch in Echtzeit an, welche Ladestationen in der Umgebung gerade frei oder besetzt sind. Viele Anbieter bieten auch Roaming-Optionen, so dass man beispielsweise mit einer Karte einer großen Tankstellenkette oder eines Energieversorgers an tausenden Stationen laden kann.
Viele Fahrer ärgern sich eher über die vergleichsweise hohe Quote von defekten Ladesäulen, die wochenlang nicht instand gesetzt werden. Außerdem wünschen sie sich, dass Falschparker auf Ladeplätzen konsequenter abgeschleppt werden.
Die bekannteste Debit-Karte, die offiziell "Girocard" heißt, aber im Volksmund immer noch "EC" genannt wird, wünschen sich viele Kunden und Unternehmen sonstwohin, weil diese Karten beispielweise nicht im Internet zum Bezahlen nutzbar sind. Doch die deutschen Banken sehen es mit Unbehagen, dass bei Kreditkarten internationale Konzerne die mitverdienen.
Wie geht es weiter?
Nach der Zustimmung des Bundesrates dürften bald erste Ladesäulen mit Kartenlesern ausgestattet werden, wenn auch nicht sofort und überall. Interessant dürfte sein, welche Preise für den spontanen Ladevorgang aufgerufen werden. Die Nutzung einer Ladekarte eines darauf spezialisierten Anbieters dürfte in vielen Fällen günstiger sein.
In einem ausführlichen Artikel geben wir Ihnen einen Einblick in die Elektro-Auto-Welt zu den Themen Strom, Stecker und Tarife.