Digitalradio

Auftrieb für DAB+ bei Lokalsendern

DAB+ ist für lokale Privat­radios bislang kein Thema. Zu hoch sind die Kosten einer zusätzlichen digitalen Ver­breitung. Die Landes­medien­anstalten wollen hier nun ein­greifen und den Veran­staltern den Sprung ins digital-terres­trische Radio schmackhaft machen.
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Die Digris AG betreibt lokale DAB-Inseln in der Schweiz Die Digris AG betreibt lokale DAB-Inseln in der Schweiz.
Foto: Digris AG
Bislang lehnen - bis auf wenige Ausnahmen - lokale Radiosender einen Einstieg ins Digitalradio DAB+ ab. Zu hohe Kosten auf der einen und zu hohe Streuverluste durch große, landesweite Multiplexe auf der anderen Seite sorgen für wenig Motivation, neben UKW und Internet auch digital-terrestrisch zu senden. Die Landesmedienanstalten wollen hier nun entgegenwirken – mit technischen Lösungsansätzen und auch moderierend.

Lokale und regionale Vielfalt auch auf DAB+ erhalten

Die Digris AG betreibt lokale DAB-Inseln in der Schweiz Die Digris AG betreibt lokale DAB-Inseln in der Schweiz.
Foto: Digris AG
Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktoren­konferenz der Landes­medien­anstalten (DLM), sagte in Leipzig, dass DAB+ nur dann erfolgreich sein werde, wenn es gelingt, "die heutige lokale Vielfalt, die gegenwärtig durch zahlreiche Lokal- und Regionalradios gewährleistet wird, weitestgehend auch im neuen System abzubilden und zu fördern. Auch neue Hörfunkanbieter sollten die Möglichkeit bekommen, Inhalte zu verbreiten." Lokale und regionale Medien und Medieninhalte sollen durch DAB+ gestärkt und nicht geschwächt werden.

Nach Informationen von teltarif.de haben die Medienanstalten eine technische Arbeitsgruppe beauftragt, um die Möglichkeiten, den Lokalfunk auf DAB+ einzubinden, zu untersuchen. In den nächsten Wochen wolle die Arbeitsgruppe alle technischen Möglichkeiten für die Digitalisierung des lokalen Hörfunks systematisch erfassen und präsentieren.

Mehrere Möglichkeiten

Prinzipiell gibt es bei der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks mehrere Möglichkeiten für lokale Radios: In Bayern und Baden-Württemberg setzt man auf sende­gebiets­über­greifende, reichweiten­starke Multiplexe, in denen jeweils bis zu 15 Programme Platz finden. Der Vorteil einer solchen Lösung für die lokalen Sender wäre, dass sie künftig nicht nur in ihrem bisherigen UKW-Sendegebiet eine flächendeckende digitale Verbreitung bekämen, da exponierte Sendestandorte und hohe Sendeleistungen verwendet würden. Sie wären auch in benachbarten Städten und Landkreisen zu hören.

So soll etwa der mittelfränkische Lokalsender Radio 8 bald via DAB+ im Regionalensemble Nürnberg zu hören sein, dessen technische Reichweite gleichzeitig auf das bisherige UKW-Sendegebiet von Radio 8 ausgeweitet werden soll. Ein Vorteil vor allem für Pendler, die künftig auf dem Weg zur Arbeit ihren Lokalsender durchhören können. Nachteil dieser Lösung sind aus Sicht der Veranstalter jedoch Streuverluste und mehr Konkurrenz: Bisher auf UKW nicht empfangbare Radioprogramme "wildern" im eigenen Sendegebiet und sorgen möglicherweise für einen Verdrängungswettbewerb.

Dass diese Befürchtung offenbar unbegründet ist, zeigen erste Erfahrungen in Baden-Württemberg: Hier senden seit Ende 2014 fast alle privaten Lokal- und Regionalsender landesweit in einem DAB+-Bouquet. Bisher konnte sich keiner der Veranstalter über Hörerverluste und Rückgänge der Werbeeinnahmen beschweren. Im Gegenteil: Viele erhalten laut eigenem Bekunden positive Reaktionen über die Verbreitung über DAB+ von Hörern außerhalb des eigentlichen UKW-Sendegebiets oder von Pendlern, die ihr Radioprogramm nun überall im "Ländle" im Autoradio hören können.

Eine Alternative zu den großen Multiplexen wäre eine digitale Verbreitung in DAB-Inseln. Inzwischen ist es dank softwaregestützter Technik auf Open-Source-Basis möglich, Lokalradios mit kleiner Leistung kostengünstig digital zu betreiben.

Vorbild ist die schweizerische Digris AG, die solche Ensembles in Zürich und Genf betreibt, weitere Städte und Regionen sind für dieses Jahr vorgesehen. Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) hat in einer Studie dargestellt, wie der Betrieb einer solchen DAB-Insel im Vergleich zu UKW kostengünstiger sein kann, selbst wenn sie nur von einem Programmanbieter genutzt wird. Der Einsatz einer digitalen Alternativtechnik wie DRM+ mit hohem Migrationsrisiko sei somit nicht mehr nötig.

Weitere Betriebsversuche möglich

In Deutschland gab es bereits zwei Betriebsversuche mit lokalen DAB-Inseln in Kaiserslautern und Stuttgart, weitere sollen folgen. Nach teltarif.de-Informationen strebt ein lokaler Hörfunkveranstalter aus Rheinland-Pfalz im kommenden Jahr eine zusätzliche digitale Verbreitung über DAB+ im Regelbetrieb an und will dabei die Sendeanlage selbst betreiben. Und auch für nichtkommerzielle Radioprojekte bietet die Digitalisierung Chancen: Das Hamburger Lokalradio muss sich auf UKW einen Sendeplatz mit dem Ausbildungskanal Tide 96.0 teilen. Über DAB+ erhält der Veranstalter nun die Chance, rund um die Uhr zu senden. Der Start im neuen Hamburger Regionalensemble soll am 17. Juni erfolgen - mit viel Jazz und einem wortgeprägten Kulturprogramm, wie der Sender mitteilt.

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