Netzausbau

Schwierige Verhandlungen bei bundesweitem DAB+-Multiplex

Wird der bundesweite Digtitalradio-Multiplex ausgebaut, oder steigen sogar weitere Privatsender aus der bundesweiten Verbreitung via DAB+ aus? In den Verhandlungen um den Netzausbau beim bundesweiten Digitalradio-Multiplex ist derzeit alles offen.
Von

Schwierige Verhandlungen bei bundesweitem DAB+-Multiplex Nur 600 000 verkaufte DAB+-Geräte im Jahr 2013
Bild: Sangean
Schwierig gestalten sich die Verhandlungen um den Netzausbau beim bundesweiten Digitalradio-Multiplex (DAB+). Noch immer gibt es keine Einigung über einen vom Netzbetreiber Media Broadcast bereits Ende 2013 vorgelegten Plan. Während das Deutschlandradio auf einen möglichst schnellen Ausbau und Flächendeckung drängt sowie auf eine Vereinbarung über 20 Sendeanlagen in diesem Jahr und zehn weitere in 2015 hofft, bremsen Privatsender die Entwicklung aus und denken teilweise sogar offen an einen Rückzug aus der digitalen Terrestrik nach. Derzeit sei beim bundesweiten Multiplex alles offen, erfuhr teltarif.de von einem Verhandlungsteilnehmer. Die Gespräche zum weiteren Netzausbau seien jedoch konstruktiv. Im besten Fall würde es in wenigen Wochen zu einer Einigung kommen und es könnten weitere Sendeanlagen aufgeschaltet werden.

Gesellschafter bekommen kalte Füße

Schwierige Verhandlungen bei bundesweitem DAB+-Multiplex Nur 600 000 verkaufte DAB+-Geräte im Jahr 2013
Bild: Sangean
Allerdings räumte der Verhandlungsteilnehmer auch ein, dass ein weiterer Netzausbau für die privaten Veranstalter eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstelle, die vor allem ihre Gesellschafter mitgehen müssen. Einige bekommen hier kalte Füße, denn bei jedem zusätzlichen Netzausbau stellt sich für den einzelnen Programmveranstalter die Frage des Kosten-/Nutzenverhältnisses. Während die Verbreitungskosten auf der einen Seite überproportional steigen, steigt die Reichweite unterproportional, da die Marktdurchdringung mit Digitalradio-Geräten weiter schleppend läuft.

Ecki Diehl, Manager von Klassik Radio, stellte etwa zuletzt im Magazin "Radiowoche" die künftige Verbreitung über DAB+ in Frage: "Die Verbreitungskosten von DAB+ sind vor allem für uns als nationaler Sender im Vergleich zu den anderen Übertragungswegen im Verhältnis zum derzeitigen Reichweitenpotenzial sehr hoch. Hinzu kommen bei uns enorme Verbreitungskosten im bestehenden UKW-Netz. Insofern werden wir uns, wie andere Sender das auch getan haben und tun, genau überlegen, inwieweit wir weiterhin auf Digitalradio setzen. Mitunter hängt das natürlich auch von der Unterstützung seitens Politik, Industrie und Netzbetreiber ab". Mit KissFM ist bereits ein Veranstalter aus der bundesweiten Digitalradio-Verbreitung ausgestiegen. Der Verhandlungsteilnehmer kritisiert jedoch die Haltung einiger Privatradios. "Wenn ich mich entschlossen habe, das Ding durchzuziehen, richten Drohgebärden nur Schaden an. Wir hoffen, dass sich diese Erkenntnis in den nächsten Wochen durchsetzt und wir zu einer Vereinbarung zum weiteren Netzausbau kommen, deren Kommunikation Vertrauen im Markt schafft".

UKW-Ausstiegsdatum muss her

Nach dem Deutschlandradio und einigen ARD-Anstalten fordern jetzt auch die ersten Gerätehersteller einen UKW-Ausstiegstermin. "Jedes Jahr wächst der Berg in Deutschland an analogen UKW-Radios um über sechs Millionen Geräte", konstatiert Ralf Reynolds, Regional Director Central Europe beim Hersteller Pure, im "Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk" (Ausgabe Mai). Allein 2013 waren es 6,5 Millionen Stück. Demgegenüber stünden 600 000 verkaufte DAB+-Geräte im Jahr 2013.

"Wir, die Hersteller und der Einzelhandel, benötigen einen festen Termin zum Ende der analogen-terrestrischen UKW-Ausstrahlung. Das ist der Schlüssel zum Erfolg, denn nur dieser feste Termin gibt uns ein sicheres und planbares Einführungsszenario für alle Beteiligten". Ein Einkäufer würde nur das kaufen, was er auch ohne Probleme weiterverkaufen kann. "Wenn feststeht, dass ab Datum XY kein UKW mehr auf Sendung ist, werden auch keine UKW-Geräte mehr vom Handel eingekauft. Erst dann, wenn der Einkäufer auf seinem Einkaufsblock keine UKW-Geräte mehr stehen hat, erst dann ist die Einführung von DAB+ erfolgt", so Reynolds weiter.

PRD verrät weitere Details zu zweitem Bundes-Multiplex

In der vergangenen Woche überraschte das Unternehmen PRD (Privates Radio Deutschland) mit der Ankündigung für einen zweiten, nationalen Multiplex ab Herbst 2015. Geschäftsführer Alex Rudolph verriet nun auf der Webseite [Link entfernt] des Unternehmens und im Blog "Radio-wird-digital" weitere Einzelheiten über das Projekt. So soll es Spartensender zu Themen wie Gesundheit und Wellness, Reise und Freizeit oder Automobil geben. Ein Novum in der deutschen Radiolandschaft, wo sich bisher Radiosender fast ausschließlich über Musikfarben definierten. Es sei geplant, mit einem Ballungsraum-Multiplex an den Start zu gehen, der rund 60 Prozent der Bevölkerung versorgt. Dieser soll zügig auf bis zu 85 Prozent ausgebaut werden.

Man wolle im Multiplex auch Dritten die Möglichkeit bieten, Programme zu produzieren und zuzuliefern, welche in das Gesamtkonzept der PRD passen und beim Zuhörer auf Gegenliebe stoßen. PRD werde sich allerdings nicht als Untervermieter für Programmveranstalter betätigen: "Die Programmpartner werden keine Verbreitungskosten übernehmen". Sollten sich keine adäquaten Programmpartner finden, die bereit sind, eine gemeinsame Strategie unter der Führung von PRD mitzugehen, sei nicht ausgeschlossen, dass PRD die Programme insgesamt selbst produziert oder als Auftragsproduktion produzieren lässt. Die bisherigen Gespräche deuten allerdings darauf hin, dass es zu einer interessanten Mischung kommen wird, so Rudolph.

Baden-Württemberg wird zum DAB-Musterländle

Das bislang größte Interesse am Digitalradio in Deutschland gibt es in Baden-Württemberg. Mit baden.fm (Freiburg), Die neue Welle (Karlsruhe), Die Neue 107.7 (Stuttgart), Donau 3 FM (Ulm), Hitradio Ohr (Offenburg), Radio Regenbogen (Mannheim), Radio Ton Digital (Heilbronn) und Radio 7 Digital (Ulm) werden etablierte baden-württembergische Privatradios ihre Programme ab Dezember 2014 auch landesweit digital verbreiten, zum Teil mit neuen Programmelementen. Mit Radio VHR geht zusätzlich ein bisher ausschließlich im Internet aktives Schlagerradio mit deutschsprachiger Musik an den Start. Dies hat die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) auf ihrer letzten Sitzung entschieden.

Erstmals ist es hier gelungen, fast alle Privatradios eines Bundeslandes für die Terrestrik zu begeistern - auch ohne Verpflichtung zur digitalen Verbreitung wie in Bayern und Sachsen-Anhalt. Es ist allerdings nur ein Lichtblick bei nach wie vor viel Schatten beim Thema DAB+ in Deutschland.

Mehr zum Thema DAB+