Frontscheibe

Der einzige Zeuge: Beim Dashcam-Kauf zählt Bildqualität

Dash­cams zeichnen etwa Unfälle auf und können so später in einem Rechts­streit oder vor Gericht eine wert­volle Hilfe sein. Doch nicht alles ist beim Filmen erlaubt. Und nicht jede Dashcam taugt etwas.
Von dpa /

Ja, ist der denn noch bei Trost? An der Ampel legt der Fahrer vor einem den Rück­wärts­gang ein, kracht rück­lings ins eigene Auto und behauptet anschlie­ßend allen Ernstes, man wäre bei ihm aufge­fahren. Hätte er wohl auch so dreist gelogen, wenn eine Dashcam ihren Dienst an der Front­scheibe versehen und den Unfall­her­gang gefilmt hätte?

Dash­cams gibt es schon für unter 100 Euro, je nach Modell und Ausstat­tung können sie aber auch 300 Euro kosten. Inter­essenten sollten sich vorher über­legen, welche Funk­tionen sie benö­tigen, rät Sven Hansen von der "c't". Während einfache Modelle "nur" das Verkehrs­geschehen aufzeich­neten, filmten teurere Dash­cams etwa auch den Innen­raum oder den rück­wär­tigen Verkehr, ließen sich mit dem WLAN zu Hause verbinden, per App steuern oder böten eine Fahr­ten­buch-Funk­tion.

Nebel und Regen als Dashcam-Härte­test

Eine Dashcam im Einsatz in einem Auto Eine Dashcam im Einsatz in einem Auto
Bild: dpa
Große Unter­schiede gebe es bei der Auflö­sung und der Wieder­hol­rate der aufge­nom­menen Bilder. "Einige Hersteller verspre­chen ein glas­klares Video, bei schlechten Sicht­ver­hält­nissen wie Nebel, Regen oder Gegen­licht sieht das Ergebnis dann aber deut­lich anders aus", sagt Hansen. Er rät daher dazu, Dash­cams auszu­pro­bieren, einzelne Sequenzen zu filmen und sie sich hinterher am Computer anzu­schauen.

Kameras sollten mindes­tens in Full-HD aufzeichnen und eine Bild­wie­der­hol­rate von mindes­tens 30 Frames pro Sekunde bieten. Doch auch wenn 60 oder 120 Frames pro Sekunde theo­retisch ein besseres Bild liefern, sollte man wissen: "Die Aufnahmen werden in der Kamera kompri­miert, sodass das Video unscharf werden kann", erklärt Hansen.

Kleben als Schleu­der­stopp

Anstelle eines Saug­fußes empfiehlt der Experte bei dauer­hafter Nutzung, die Halte­rung mit der Front­scheibe zu verkleben. Nur so hält sie auch bei einem starken Aufprall und schleu­dert nicht durch den Innen­raum. Grund­sätz­lich gilt: Je kleiner und flacher die Kamera, desto weniger stört sie und desto stabiler hält sie an der Scheibe. Und: "Eine gute Dashcam vergisst man. Sie sollte nicht blinken oder piepen und keine Aufmerk­sam­keit bei der Fahrt auf sich ziehen und einfach funk­tio­nieren", meint Sven Hansen.

Vor der Inbe­trieb­nahme sollte man durchs Daschcam-Menü gehen. Dort findet sich meist auch eine Einstel­lung für anlass­unab­hän­giges und dauer­haftes Filmen bis die Spei­cher­karte voll ist. "Geset­zes­kon­form ist hingegen nur ein kurzer Video­loop von wenigen Sekunden, der immer wieder über­schrieben wird", sagt Hansen. Von Dash­cams-Apps fürs Smart­phone rät er ab, ihre Bedie­nung lenke beim Fahren zu sehr ab.

Nur ereig­nis­bezogen aufnehmen

Ausschließ­lich den ereig­nis­bezo­genen Aufnah­memodus empfehlen auch drin­gend die Verkehrs­clubs. "Die Kamera soll nicht die ganze Zeit filmen, sondern nur den eigent­lichen Unfall", rät Arnulf Thiemel vom Tech­nik­zen­trum des ADAC. Viele Geräte arbei­teten deshalb in einer Dauer­schleife und lösten die Spei­che­rung erst bei einem Ereignis aus. Den Befehl dazu geben Sensoren, die starke Erschüt­terungen sowie eindeu­tige Brems- und Ausweich­manöver regis­trieren. Auch die ein bis zwei Minuten vor und nach dem Ereignis wandern in den Spei­cher.

Bei der Montage muss man darauf achten, dass das Sicht­feld der Fahrerin oder des Fahrers frei bleibt. Das gilt für das Gerät, aber auch für die Strom­ver­sor­gung. "Baumelnde Kabel können die Sicht und somit das Fahren behin­dern, daher sollten sie sauber verlegt werden", mahnt Thiemel. Vorsicht: Wer Verklei­dungen entfernt, um Kabel darunter zu verlegen, behin­dert unter Umständen die korrekte Entfal­tung von Airbags. Daher sollte diese Arbeiten eine Fach­werk­statt über­nehmen.

Film­mate­rial kann be- und entlasten

Uwe Lenhart, Fach­anwalt für Verkehrs- und Straf­recht, schätzt Dash­cams als durchaus hilf­reich bei der Beweis­füh­rung eines Unfalls: "In der Praxis stützen sich Straf­ver­folger auf bestehende Video­auf­zeich­nungen, sowohl zur Be- als auch Entlas­tung von Beschul­digten. Kein Jurist verschließt die Augen, wenn ein Film vom Unfall- oder Tatvor­gang exis­tiert."

Anwalt Lenhart hat schon mehrere Verfahren erlebt, bei denen durch Video­auf­zeich­nungen der Vorwurf einer Stra­ßen­ver­kehrs­gefähr­dung, Nöti­gung oder fahr­läs­sigen Körper­ver­let­zung entkräftet werden konnte. Und er weist auf eine Entschei­dung des Bundes­gerichts­hofs (BHG) aus dem Jahr 2018 hin (Az.: VI ZR 233/17).

Laut dem BGH-Urteil kann selbst eine perma­nente, anlass­lose Aufzeich­nung in einem Unfall­haft­pflicht­pro­zess verwertbar sein, also obwohl gegen Daten­schutz­recht verstoßen wurde. Aber allein schon um Bußgelder und Ärger mit den Daten­schutz­auf­sichts­behörden zu vermeiden, sollte man nur geset­zes­kon­form aufzeichnen.

Nicht übers Dashcam-Ziel hinaus­schießen

"Entschei­dend für die Nutzung ist zudem, dass die Aufnahmen für eine Beweis­siche­rung geeignet sind", erklärt Verkehrs­rechts­anwalt Uwe Lenhart. Im Still­stand, also etwa beim Parken, darf die Kamera nicht perma­nent laufen. Zumin­dest dann nicht, wenn hier­durch etwa Nach­barn video­über­wacht werden und sich dem nicht entziehen können.

"Der unmit­tel­bare Raum des Autos kann aber gefilmt werden, wenn berech­tigtes Inter­esse des Auto­besit­zers besteht", erklärt Lenhart. Das könnte beispiels­weise ein voraus­gegan­gener Schaden durch Unfall­flucht oder Vanda­lismus sein.

Dashcam-Aufnahmen archi­vieren darf man grund­sätz­lich ebenso wenig wie sie etwa ohne Zustim­mung Betrof­fener im Netz zu veröf­fent­lichen. "Eine Ausnahme gilt nur für die Aufbe­wah­rung zur Beweis­siche­rung", sagt Lenhart. "Wer die Aufnahmen von dem Unfall oder der Sach­beschä­digung zur späteren Vorlage bei der Polizei oder dem Gericht spei­chert, handelt nicht rechts­widrig."

Ein Auto ist heute mehr als nur ein reines Fortbewe­gungs­mittel. Durch moderne Enter­tain­ment-, Navi­gations- und Assis­tenz-Systeme wird das Auto zum fahr­baren Smart­phone.

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