Vernetzung

Lokale Firmennetze: Künftig auf Basis von LTE statt W-LAN?

W-LAN-Netze sind praktisch, tendieren aber zur Überlastung bis hin zum Zusammenbruch. Kann man mit LTE bessere lokale Netze bauen?
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eLTE soll WLAN Konkurrenz machen eLTE soll WLAN Konkurrenz machen
Bild: teltarif.de
Jährlich werden über 1,5 Milliarden Geräte mit W-LAN-Funktion verkauft. Neben den klassischen W-LAN-Geräten wie Smartphones, Laptops, Internet-Routern und W-LAN-Repeatern kommen immer mehr Drucker, "intelligente" Steckdosen, Heizungsregler, NAS-Systeme und dergleichen hinzu. Doch der Erfolg des mobilen Heim- und Arbeitsplatznetzes wird nun zunehmend zum Problem: Immer öfters passiert es, dass aufgrund der gegenseitigen Störungen zwischen den W-LAN-Netzen die Datenraten einbrechen. Im Extremfall geht dann gar nichts mehr, selbst bei 50 Zentimeter Entfernung nicht. So beispielsweise erlebt auf dem Mobile World Congress im Pressezentrum beim Versuch des Tetherings mit einem handelsüblichen Laptop und einem Smartphone. Das Smartphone hatte guten Empfang, die Mobilfunknetze waren also nicht überlastet, aber vom Laptop aus war kein Datentransfer via Smartphone mehr möglich. Der Grund waren vermutlich hunderte andere tethernde Journalisten im gut besetzten Pressezentrum.

Das klassische W-LAN droht also am eigenen Erfolg zu ersticken. Zwar sind die vorab genannten Total-Aussetzer zum Glück selten, aber W-LAN-"Schluckauf", wenn immer wieder mal für einige Sekunden die Datenraten einbrechen, ist in Heim- und Büronetzen inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. Nun ist es im Büroalltag meist hinnehmbar, wenn es ab und an mal eine Minute länger dauert, bis eine Seite aus dem Drucker kommt. In einem Autowerk würde es aber echt zum Problem werden, wenn am Band dreimal in der Stunde der Türen-Einbau-Roboter für eine Minute stillsteht, ebenfalls dreimal in der Stunde das rechte Hinterrad nicht rechtzeitig angeliefert wird, zweimal in der Stunde das linke Vorderrad usw. usf. Denn im Zweifelsfall bleibt jeweils das ganze Band stehen, wenn nur eine Produktionseinheit gerade ihre "W-LAN-Gedenkminute" hat.

Nun lassen sich die Steuerungseinheiten klassischer Produktionsroboter auch über klassische Netzwerkkabel vernetzen. Doch immer häufiger finden sich in Lager- und Produktionsbetrieben auch selbstfahrende Fahrzeuge, die zum Beispiel Teile aus dem Lager rechtzeitig ans Band schaffen oder fertig produzierte Waren wieder einlagern. Und diese Fahrzeuge lassen sich schlecht per Netzwerkkabel anbinden. In flexiblen Produktionsbetrieben, wo aufgrund kleiner Serien je nach konkretem Bedarf die Produktionseinheiten neu arrangiert werden, sind klassische Netzwerkkabel sicher ebenfalls nicht sonderlich willkommen, verlangsamt das nötige Umstecken dann die Umkonfiguration. Die Industrie wünscht sich also ein zuverlässiges, schnelles und bezahlbares lokales Funknetz, das auf freien Frequenzen arbeitet. Und die Mobilfunk-Industrie ist bereit, das zu liefern, und zwar über den Mobilfunk-Standard LTE. eLTE soll WLAN Konkurrenz machen eLTE soll WLAN Konkurrenz machen
Bild: teltarif.de

Private LTE-Netze: Enterprise LTE (eLTE) und MulteFire

Natürlich sind Produktionsbetriebe sicher nicht gewillt, ihre Produktionshallen statt über das störungsanfällige W-LAN über die überlastungsanfälligen öffentlichen Mobilfunknetze zu steuern. Das hieße, nur ein Problem durch ein anderes zu tauschen. Stattdessen propagieren die Mobilfunk-Ausrüster private W-LAN-Netze. Dazu verkaufen sie abgespeckte LTE-Basisstationen, die auf unregulierten Frequenzen arbeiten, insbesondere den vom W-LAN her bekannten Bändern bei 2,4 und 5 GHz. Nur wird das Signal nicht gemäß IEEE-Standard 802.11b/g/n/ac kodiert, sondern nach LTE-Standard. Die Ausrüster versprechen durch den Wechsel von W-LAN zu LTE doppelte Reichweite, höhere Sicherheit, geringere Störanfälligkeit und höhere Netto-Datenrate. Insbesondere, wenn die Zahl der Endgeräte steigt, soll die zur Verfügung stehende Gesamt-Bitrate in etwa gleich bleiben, statt, wie bei W-LAN, immer stärker einbrechen.

Huawei vertreibt seit einigen Jahren bereits "Enterprise LTE", kurz eLTE. Auf der CeBIT berichtete Huawei von einem eLTE-Netz im Shanghaier Hafen Yangshan, bei dem 99,999% Zuverlässigkeit erreicht wurden. Die Effizienz der Prozesse im Hafen konnte durch das neue Netz um 30 Prozent gesteigert werden. Die nächste Generation des eLTE-Dienstes, eLTE 2.0, wurde auf der CeBIT offiziell vorgestellt und soll ab Juli 2017 für Kunden erhältlich sein. eLTE-Dienste können sowohl lizenzierte als auch unlizenzierte Frequenzbänder benutzen.

Die von Nokia Networks und Qualcomm gestartete Initiative MulteFire verspricht gar, "mit LTE vergleichbare Performance" mit der von WiFi-Netzen gewohnten Einfachheit der Installation zu kombinieren. Inzwischen sind auch andere Branchengrößen wie Ericsson, Huawei, Intel und Cisco Mitglied der MulteFire Alliance. Entsprechend ist wahrscheinlich, dass die Standardisierung zügig vorangetrieben wird. Derzeit laufen ausführliche Tests. MulteFire soll nur unlizenzierte, freie Bänder einsetzen. Es ist damit zu rechnen, dass MulteFire zunächst über 3GPP standardisiert wird und dann entsprechende Produkte in den Markt kommen.

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QualComm verwies auf dem Mobile World Congress auf eigene Tests, denen zufolge MulteFire in etwa die doppelte Reichweite bieten soll wie W-LAN, bei ansonsten gleicher Basisfrequenz und Sendeleistung. Die bessere Codierung und Filterung der LTE-Signale soll dieses kleine Wunder möglich machen. Huawei verwies bei seiner CeBIT-Pressekonferenz darauf, dass auch bei zunehmender Anzahl der Endgeräte die Gesamtleistung gleich bleiben würde. Bei W-LAN würde die Gesamtleistung hingegen mit zunehmender Geräteanzahl regelmäßig in die Knie gehen. Das MulteFire-Konsortium hebt besonders heraus, dass nach ihren Tests die Nutzung desselben Bandes durch MulteFire und W-LAN kein Problem darstellt. Werden anfänglich vier überlappende W-LAN-Zellen nach und nach auf MulteFire umgestellt, steigt mit jeder Umstellung die effektiv verfügbare Bitrate sowohl in den umgestellten Zellen, als auch in den verbleibenden W-LAN-Zellen spürbar an.

Für Firmen ist eine MulteFire- oder eLTE-Installation sicher deutlich teurer als herkömmliches W-LAN. Wenn als Vorteil jedoch die Mitarbeiter besser arbeiten bzw. in Produktiv- oder Logistik-Betrieben der Warenumschlag stabil läuft, dann dürften sich die Investitionskosten schnell amortisieren. Zu hoffen bleibt, dass die IEEE, die Hüterin des W-LAN-Standards, auf die Herausforderung reagiert und die W-LAN-Technologie im vergleichbaren Umfang upgradet. Davon profitieren dann künftig nicht nur die bei W-LAN verbliebenen Industriekunden, sondern auch die Privatkunden.

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