Zukunft

Fernsehen im Internet oder Internet auf dem Fernseher?

Fernsehsender, Netzbetreiber, Inhalte-Anbieter und Gerätehersteller diskutieren auf der Medienwoche
Von Marie-Anne Winter

Im Rahmen der IFA-Medienwoche ging es unter anderem um das Zukunftsthema Fernsehen und Internet. Hier ging es um die Fragen, ob das Internet das klassische Fernsehen in absehbarer Zeit tatsächlich überflüssig machen wird, mit welchen Geräten die Menschen in der Zukunft fernsehen werden und mit welchen Geschäftsmodellen Fernseh- und Internet-Anbieter ihre Inhalte unter die Leute bringen wollen. Hier gab es nicht nur eine lebhafte Diskussion unter den anwesenden Experten, sondern auch einige überraschende Aussagen.

Medien-Experten und Vertreter von Fernsehsendern, Netzbetreibern und der Geräte-Industrie diskutierten, auf welche Weise sie sich den neuen Herausforderungen stellen wollen. Dabei kristallisierte sich recht bald heraus, dass es unter den Anwesenden einen Konsens darüber gibt, dass Fernsehen im Internet auf dem PC nicht dasselbe ist wie Fernsehen auf dem TV-Gerät, selbst wenn es einen Internet-Zugang hat. Während das Ansehen von Clips oder Sendungen auf dem PC nur eine von vielen Möglichkeiten sei, das Internet zu nutzen, sei der Fernseher doch weiterhin in erster Linie zum Fernsehen da. Allein die Vorstellung, per Fernbedienung eine URL einzugeben und aufzurufen, löste sowohl bei den Teilnehmern auf dem Podium, wie auch im Publikum eine gewisse Heiterkeit aus.

Hier müssten andere Möglichkeiten der Interaktivität gefunden werden und Gerhard Schaas (Vorstand bei Loewe) betonte, dass es diese zumindest auf Herstellerseite auch bereits geben würde, etwa den Red Button (HbbTV), dessen Idee eigentlich sei, eine direkte Verbindung zu den im Internet hinterlegten Inhalten herzustellen, die zu der aktuell gesehenen Sendung passen. Von den Fernsehsendern würde diese Funktion bisher aber nur genutzt, auf ein Untermenü umzuleiten, in dem Inhalte der Mediathek abgerufen werden können, was ja nicht wirklich Sinn der Sache sei.

Fernsehsender mögen zeitversetztes Fernsehen nicht

HbbTV HbbTV im Ersten
Foto: dpa
Umgesetzt und gern angenommen hingegen wird bei IPTV-Angeboten die Möglichkeit, Sendungen zeitversetzt anzuschauen (Time-Shift), wie das ja auch von vielen jüngeren Nutzern im Internet getan wird. Ärgerlich gerade für private Fernsehsender ist hier allerdings der Aspekt, dass dann Werbezeit nicht mehr im herkömmlichen Schema verkauft werden kann, denn die klassische Hauptsendezeit gibt es beim zeitversetzten Fernsehen natürlich nicht mehr. Auch hier seien ganz neue Geschäftsmodelle gefragt.

Immerhin biete Interaktivität auch die Chance, andere Werbeformen zu nutzen, wie das beispielsweise Online-Händler bereits tun, die passend zu dem, was man sich gerade ansieht, bestimmte Angebote einblenden, die dann eher einen Empfehlungs- als einen Werbecharakter hätten, was die Zuschauer sicherlich auch weniger nerven würde, als Werbespots die sie sich gezwungenermaßen ansehen müssten.

Divergenz statt Konvergenz

Spannende Antworten gab es auch auf die Frage nach künftigen Geräten, auf denen Internet und Fernsehen gleichermaßen genutzt werden könnten. Hier erklärte Loewe-Vorstand Schaas, dass er statt der in den vergangenen Jahren vielbeschworenen Konvergenz vielmehr eine Divergenz sehe, denn es werde künftig sehr viel mehr verschiedene Gerätetypen geben, auf denen auch ferngesehen würde. Neben klassischen Fernsehern in allen Größen kämen Smartphones, Tablets, Smartpads und alle möglichen Zwischenformen dazu, so dass es eher ein Problem sei, die Diversität nicht zu weit zu treiben, damit nicht zu viele verschiedene Lösungen nebeneinander beständen. Hier habe man sonst wieder Interoperabilitätsprobleme, ganz zu schweigen von den Herausforderungen für die Inhalte-Anbieter.

Bemerkenswert auch die nahezu einstimmige Antwort der verschiedenen Vertreter auf die Frage, ob es denn im Jahre 2020 noch lineares Fernsehen geben würde: Aber ja. Denn Fernsehen habe Event-Charakter, hier kämen weiterhin Leute zusammen, um bestimmte Sendungen gemeinsam anzusehen. In diesem Jahr hat ja auch die Fußball-WM gezeigt, dass die Menschen zum Public Viewing zusammen kommen. Die Vorstellung, dass sich künftig tausende Menschen mit einem kleinen Bildschirmgerät im Park treffen, anstatt sich vor einer großen Videowand zu versammeln, wirkt in der Tat ziemlich skurril.

Auch der auf der IFA überall ins Auge fallende Trend zu immer größeren Bildschirmen in immer schärferen Auflösungen widerspricht dieser Überlegung. Eine andere, in dieser Runde nicht diskutierte Frage ist, wie die Infrastruktur in Deutschland mit diesen Herausforderungen Schritt halten soll. Denn wenn immer mehr hochauflösende Inhalte per Breitbandleitung abgefragt werden, statt in herkömmlichen Broadcast-Technologien, scheint der Daten-Kollaps in den Netzen vorprogrammiert.

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