Handynetze: o2-Chef Haas fordert mehr Frequenzen
Damit die Handynetze den rasant steigenden Datenbedarf auf lange Sicht stemmen können, hat sich o2-Chef Markus Haas für eine Freigabe weiterer Frequenzbänder ausgesprochen. "Es sind leistungsstarke Netze nötig, die eine wachsende Nutzung der Cloud und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz möglich machen", sagte Haas der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in München.
Mehr Aktivitäten in der Cloud
Markus Haas plädiert für eine Freigabe von Frequenzen bei 6 GHz für den Mobilfunk. Er spricht für die gesamte Branche
Foto: Picture alliance/dpa
Mit "Cloud" sind externe Server gemeint, auf denen Internetnutzer ihre Daten speichern. Derzeit seien nur zehn Prozent der Daten in der Cloud, dieser Anteil werde künftig angesichts der sich wandelnden Nachfrage deutlich steigen. Daher seien höhere Netzkapazitäten in zusätzlichen Funkbändern nötig, sagt der Manager.
Aus seiner Sicht eignet sich das 6-Gigahertz-Band für einen Echtzeit-Transport der riesigen Datenmengen. Bisher ist dieses Band nur für WLAN und für Satellitenbetreiber reserviert.
Entscheidung bei Weltfunkkonferenz
Bei der Weltfunkkonferenz in Dubai (WRC-23) beraten Behördenvertreter aus der ganzen Welt derzeit, wie die Funkfrequenzen langfristig genutzt werden sollen. Die Weltgemeinschaft spricht sich hierbei ab, damit die Standards überall gleich sind und Handynutzer nicht nur in eigenen Region Empfang haben, sondern auch auf Reisen in anderen Regionen.
Auch für den Flugverkehr sind einheitliche Vorgaben wichtig. Die Konferenz läuft noch bis zum 15. Dezember. Dann wird sie aller Voraussicht nach Empfehlungen an die einzelnen Staaten und Organisationen aussprechen, die diese dann umsetzen können.
6 GHz ab 2030 nutzbar?
Haas hofft auf ein Signal aus Dubai, dass die bisherige Frequenznutzung umgestaltet werden soll. Ab 2030 könnte beispielsweise das 6-Gigahertz-Band freigegeben werden, sagt der Firmenchef. Bei Tests habe o2-Telefónica in diesem Funkband sehr gute Ergebnisse erzielt. "Eine 2-Gigabit-Übertragung ist machbar." Bisher kommen die meisten Antennen in Deutschland, die in niedrigeren Funkbändern senden, nur auf 0,1 Gigabit pro Sekunde (= 100 MBit/s).
Je höher, desto je schneller
Die Funkbänder haben unterschiedliche Stärken. Grundsätzlich gilt: Je höher die Sende-Frequenz ist, desto niedriger ist die Reichweite und desto höher der Datendurchsatz. Auf hohen Frequenzen ist eine Echtzeit-Verbindung möglich, also ohne Verzögerungen. Diese Antennen funken aber nicht weit, daher sind für eine lückenlose Abdeckung viel mehr Masten nötig als auf niedrigen Frequenzen. Mit Blick auf die Notwendigkeit der Nutzung höherer Frequenzen sagt Haas, dass sich das Netz aus Masten und Dachstandorten verdichten werde - es werde künftig also deutlich mehr Antennenstandorte geben müssen als bisher.
Trotz der geringen Funkreichweite von weniger als einem Kilometer hält Haas das 6-Gigahertz-Band für geeignet. "Es ist sehr leistungsfähig und es wird kaum genutzt: Es hat sehr hohe Bandbreiten, die eine mobile Standleitung ermöglichen."
Bedarf wird steigen
Der Datenbedarf im Mobilfunk werde in den kommenden Jahren stark anziehen. "Für das vernetzte Fahren von Autos, Lastwagen oder Zügen müssen wir unglaubliche Datenmengen möglichst in Echtzeit bewegen können." Als Funkstandard werde dann aller Voraussicht nach 6G zur Geltung kommen - diese Technologie wird derzeit noch entwickelt, Ende des Jahrzehnts dürfte sie auf den Massenmarkt kommen und 5G allmählich ablösen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Eigentlich hätte die Branche gerne Frequenzen bei 600 MHz, um mit möglichst wenig frei stehenden Sendern möglichst viel Fläche (z.B. tief in der Provinz) erreichen zu können. Doch dort funken noch analoge oder digitale TV-Sender und die Mikrofone von Bühnen (Theatern) oder Film-Teams, weswegen man sie auch "Kulturfrequenzen" nennt. Und da hat sich in Europa bereits extremer Widerstand gebildet. Das wird also so schnell nichts.
Die Frequenzen bei 6 GHz ergeben durchaus Sinn. Haas spricht auch für die Telekom oder Vodafone, die das wie o2 schon selbst ausprobiert haben. WLAN ist zwar aus Nutzersicht cool, weil "kostenlos" nutzbar, aber stabile und zuverlässige Netze sind damit nicht zu machen. Aufgrund der geringen Reichweiten bei 6 GHz sollte es keine größeren Probleme geben, einen Teil des 6-GHz-Bandes für Mobilfunk freizuschaufeln. Bis wir das auch im Alltag nutzen können, wird es noch dauern, da die Gerätehersteller erst einmal die passenden Chips bestellen und einbauen müssen.
"6G", die nächste Generation, ist schon in der Ferne "sichtbar" und vermutlich schneller da, als viele heute glauben mögen. Dann werden Frequenzen oberhalb von 6 GHz notwendig und viele neue, kaum sichtbare Mini-Sender könnte es in Straßenlaternen, Straßenbegrenzungen und unter Hausnummern oder Türschildern geben.
In einer weiteren News lesen Sie: Digitalminister Wissing: 1&1-Netzstart ist historischer Tag.