Warum Motorola für Google so lieb und teuer ist
Google hat einen hohen Preis für Motorola gezahlt.
Montage: teltarif.de
Der Mobilfunk-Pionier Motorola hat schwere Zeiten hinter sich: Vom einstigen Kult-Hersteller,
der mit dem DynaTAC 8000X im Jahr 1983 das erste kommerzielle Mobiltelefon
auf den Markt brachte, 1999 mit dem Timeport L7089 ein erstes Triband-Handy
anbot und mit dem ultraflachen Klapp-Handy RAZR im Jahr 2004 einen echten
Design-Knüller landete, stieg Motorola schmerzhaft schnell zum Sanierungsfall ab. Am Ende zerlegte sich der Netzwerkausrüster selbst, um wieder auf die Beine zu kommen.
Google hat einen hohen Preis für Motorola gezahlt.
Montage: teltarif.de
Inzwischen geht es aber wieder aufwärts: Mit seinem ersten Tablet, dem Motorola
Xoom, und den neuen Smartphone-Modellen mit dem Betriebssystem Android konnte der US-Hersteller zuletzt wieder punkten. Nun hat der Suchmaschinen-Gigant Google zugeschlagen und die Mobilfunksparte Motorola Mobility für 12,5 Milliarden Dollar gekauft - das ist ein stolzer Kaufpreis
für einen verlustreichen Handyhersteller, dessen Glanzzeiten vorbei sind. Aber Google legt trotzdem einen solchen Betrag auf den Tisch. Warum, das erklärt vielleicht eine US-Börsenmitteilung vom
späten Dienstag: Hierin gibt Motorola Einblicke in die
Verhandlungen. Demnach wollte Google anfänglich gute drei Milliarden
Dollar weniger zahlen. Doch Motorola feilschte erfolgreich, das behauptet zumindest das Management. Google äußerte sich nicht dazu.
Nach Motorolas Version der Geschichte war der für Googles Mobilfunkgeschäft zuständige Manager Andrew Rubin Anfang Juli auf Motorola-Chef Sanjay Jha zugekommen, um Patent-Themen mit ihm zu diskutieren. Patente werden im Wettbewerb der Handyhersteller manchmal schon mit Atomwaffen zu Zeiten der nuklearen Abschreckung im "Kalten Krieg" verglichen. Je mehr Patente ein Unternehmen hat, desto geringer ist die Gefahr, wegen der Verletzung von geschützten Ideen von einem Rivalen verklagt zu werden.
Vom Urgestein zum Patent-Steinbruch
Motorola besitzt als Urgestein der Branche rund 17 000 Patente und 7 500 Patentanträge sowie eine Entwicklungsabteilung, die immer wieder neue Ideen produziert - auch wenn das für ein paar Jahre offenbar nicht so gut funktioniert hat. Google mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android ist dagegen ein Neuling im Mobilfunkbereich und reichlich ungeschützt. Vor allem der iPhone-Hersteller Apple bombardiert Google-Partner wie Samsung und HTC derzeit mit Klagen. Deshalb lotete Google-Manager Rubin aus, ob Motorola nicht Patente verkaufen wolle. Doch Motorola-Chef Jha lehnte ab, denn dann stünde Motorola ja unbewaffnet da.
Laut den Schilderungen von Motorola reifte Ende Juli die Idee, dass Google doch Motorola komplett schlucken könne. Und am 1. August kam Google dann tatsächlich mit einem Angebot von 30 Dollar um die Ecke. Doch das Motorola-Management lehnte die Summe als viel zu niedrig ab und verlangte 43,50 Dollar. Google bot am 9. August 37 Dollar, Motorola verlangte 40,50 Dollar. Noch am gleichen Tage erhöhte Google auf 40 Dollar - und das Feilschen wie auf dem Basar hatte ein Ende. Der Verwaltungsrat von Motorola willigte ein.
Doch warum ließ sich Google überhaupt auf diese Feilscherei ein, wo doch schon das erste Angebot über dem Börsenkurs lag und auch kein rivalisierender Bieter auszumachen war? Der deutsche Patentexperte Florian Müller glaubt, die Antwort zu kennen: Hätte Google nicht zugeschlagen, so schreibt er in seinem Blog Foss Patents, hätte die Gefahr bestanden, dass Motorola das Android-Betriebssystem schwer beschädigt. Das nun veröffentlichte Dokument bestärkt ihn nach seinen Worten noch in dieser These.
Android wird von einer ganzen Reihe von Handyherstellern verwendet, Motorola zählt zu den bedeutendsten. Müller ist der Auffassung, dass Motorola auch zu Microsoft und deren Windows Phone 7 hätte umschwenken können. Zudem hätte Motorola den Frieden innerhalb der Android-Gemeinde brechen und andere Nutzer mit Patentklagen überziehen können, um deren Geräte teurer zu machen. Bei der Übernahme sei es also weniger darum gegangen, Android nach Außen hin abzusichern. "Die 12,5 Milliarden Dollar sind sozusagen ein Schutzgeld, aber anders als die meisten Leute denken."