Multiplex-Kinos: Amazon bald mit eigener Kinokette?
AMC Cinemas eröffnete 2018 das erste Multiplex-Kino in Saudi-Arabien
Foto: Faisal Al Nasser/Reuters
Das wäre wirklich ein Mega-Deal für Amazon: Laut dem Portal "Marketwatch" steht der US-Versandriese in Verhandlungen zum Kauf des US-Kinobetreibers AMC Theatres. Das Unternehmen mit Sitz in Leawood, Kansas, betreibt weltweit rund 1.000 Multiplex-Kinos, darunter auch 24 Theater unter der Marke UCI Kinowelt in Deutschland. Mit dem Kauf würde Amazon auf einen Schlag zum größten Kinobetreiber der Welt avancieren und damit insbesondere seinem Konkurrenten Netflix einen schweren Schlag versetzen. Auch der Streamer aus Los Gatos hatte nämlich bereits ins Auge gefasst, mit eigenen Filmen in dieses Geschäft zu investieren. Demzufolge müsste Netflix-Chef Reed Hastings also künftig bei Jeff Bezos anklopfen, wenn er seine Filme auf die große Leinwand bringen will.
Ideales Investment für Amazon
AMC Cinemas eröffnete 2018 das erste Multiplex-Kino in Saudi-Arabien
Foto: Faisal Al Nasser/Reuters
Für Amazon wäre der Einstieg bei der kriselnden Kinokette allerdings ein Gewinn in mehrfacher Hinsicht: Einerseits steigt das Unternehmen damit in die lukrative Kinowerbung ein und könnte Eigenproduktionen der Amazon Studios ohne "Zwischenverträge" direkt auf die Leinwand bringen. Außerdem befinden sich die AMC-Kinos fast überall in interessanten Lagen. Damit hätte Amazon zusätzlich die Möglichkeit, die Grundstücke oder Immobilien im Zweifel für andere Zwecke zu nutzen. So hatte Amazon beispielsweise auch ins Auge gefasst, den stationären Handel auszubauen.
Der Kauf bietet also durchaus einige interessante Optionen für den Großkonzern. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Wettbewerbshüter zu diesem Thema stehen. Kartellrechtliche Probleme bei der Verbindung zwischen Amazons Versandgeschäft und dem Streaming-Dienst "Prime Video" sind zu erwarten. Würde Amazon nun auch noch Kinos direkt besitzen, verfügt das Unternehmen sozusagen über die komplette Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion bei Amazon Studios über die Kino-Veröffentlichung bis hin zur On-Demand-Verwertung. Wettbewerber hätten hingegen eindeutig das Nachsehen.
Chinesischer Einfluss
Doch auch ohne Amazon läuft bei AMC Theatres nicht alles rund. Das Unternehmen ist nicht nur durch die aktuelle Corona-Krise in schwere wirtschaftliche Schieflage gekommen. Hinter AMC steht außerdem die chinesische Wanda Group. Dabei handelt es sich um ein gigantisches Konglomerat unter anderem in den Geschäftsfeldern Immobilien, Tourismus, Einzelhandel, Unterhaltung und Luxushotels. Druck kommt vor allem von der US-Regierung unter Präsident Donald Trump, welche vor dem Hintergrund anhaltender globaler Wirtschaftskonflikte das Engagement Chinas bei US-Firmen zurückdrängen will. Nicht zuletzt gilt das Kinogeschäft auch vor dem Hintergrund neuer Strategien der US-Studios als kompliziert. Diese wollen ebenfalls zunehmenden Einfluss auf die Verwertungskette gewinnen und Kinobetreiber von den hohen Umsätzen ausschließen.
Kauft Netflix Vue Entertainment?
Klar ist: Sollte Amazon AMC tatsächlich kaufen, steht Konkurrent Netflix unter Zugzwang. Der Streamer aus Los Gatos hat dann nicht mehr viele Möglichkeit, selbst ins Geschäft mit Multiplex-Cinemas einzusteigen. Eine Option wäre womöglich ein Kaufangebot für Vue Entertainment, welches in Deutschland unter anderem die Cinemaxx-Kinos betreibt. Andernfalls müsste Netflix selbst Kinos bauen oder kleinere Betreiber übernehmen, was allerdings kaum attraktiv sein dürfte. Die weitere Entwicklung ist also zweifelsohne spannend.
Seit Jahren folgen die großen US-Studios bei Filmen der klassischen Verwertungskette: Erst Kino, dann DVD und Pay-TV, zuletzt im Free TV. Das Coronavirus stellt dieses ungeschriebene Gesetz nun erstmals infrage.