IRT erprobt Rundfunkausstrahlungen über Mobilfunknetze
Bildaussetzer beim Streaming adé: Das IRT erprobt eine neue Technologie
Bild: Sky
Es ist schon Glückssache, den Live-Stream eines Fußballspiels der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien unterwegs störungsfrei via Mobilfunk am Smartphone zu genießen. Überlastete Funkzellen und Probleme beim "Handover" (Funkzellenwechsel) sorgen beim klassischen Streaming manchmal für längere Bildausfälle. Auch Nutzer von mobilem Internetradio kennen das Problem: Trotz voller Feldstärke des Mobilfunksignals setzt das Signal beim Funkzellenwechsel des Öfteren aus.
Das Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT [Link entfernt] ) erprobt jetzt einen neuen digitalen Rundfunkstandard, der sowohl Konkurrenz als auch Ergänzung für erdgebundene Netze wie DVB-T/DVB-T2 beim Fernsehen oder DAB/DAB+ beim Hörfunk werden könnte und gleichzeitig die aktuellen Probleme beim Streaming löst. Im Projekt IMB5 (Integration von Mobilfunk und Broadcast in LTE/5G) erforscht ein Konsortium bestehend aus Fraunhofer IIS, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nokia, Rohde & Schwarz und den assoziierten Partnern Bayerischer Rundfunk (BR) und BMW Forschung und Technik unter der Leitung des IRT einen Standard, der sowohl die Übertragung von Rundfunk- als auch von Mobilfunkdiensten in technisch und wirtschaftlich effizienter Weise ermöglicht. Das auf 24 Monate angelegte Forschungsprojekt wird dabei von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert.
Zunächst erstellen die Kooperationspartner laut IRT ein Konzept, wie eine Netzinfrastruktur über die Sendeanlagen des Bayerischen Rundfunks in München sowie beim Fraunhofer IIS in Erlangen gestaltet werden kann. Anschließend seien Feldtests geplant, um die Entwicklungsfähigkeit des bestehenden, standardisierten Dienstes eMBMS innerhalb von LTE hinsichtlich der Anforderungen des Rundfunks zu evaluieren.
Dienst Multimedia Broadcast Multicast Service als Grundlage
Bildaussetzer beim Streaming adé: Das IRT erprobt eine neue Technologie
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Hinter dem neuen möglichen Übertragungsstandard steht Multimedia Broadcast Multicast Service (MBMS), ein Punkt-zu-Mehrpunkt-Dienst im Mobilfunkstandard UMTS, der es erlaubt, Multimedia-Streams und -dateien (Push-Anwendungen) an viele Nutzer gleichzeitig zu übertragen.
Für die im Rahmen des Mobilfunkstandards LTE erfolgte Weiterentwicklung evolved Multimedia Broadcast Multicast Service (eMBMS) werden deutlich höhere Übertragungsraten gegenüber dem früheren Standard erwartet. eMBMS-fähige Endgeräte nach dem 3GPP-Standard sind des Weiteren in der Lage neben der Point-to-Multipoint- auch Point-to-Point-Verbindungen, wie etwa E-Mail-Dienste zu nutzen.
Bislang gab es bei Streaming-Abrufen eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Sender und Empfänger (Unicast). Dabei stiegen für den Hörfunk- oder Fernsehveranstalter die Kosten mit jedem Streamabruf. Dies würde mit der neuen Multicast-Technik der Vergangenheit angehören, der Hörfunk- oder Fernsehveranstalter zahlt nur einmal, egal wie viele User die Streams abrufen. Eine wichtige Funktionalität von eMBMS sei laut IRT zudem die Übertragung in einem Gleichwellennetz, bei dem mehrere Basisstationen synchronisiert und zu Funkzellen-Gruppen zusammengefasst werden. Damit können in mehreren Zellen gleiche Inhalte auf einer Frequenz gleichzeitig übertragen werden. Das Prinzip entspricht dem im Rundfunk bekannten Gleichwellenbetrieb, den es etwa bei DVB-T/T2 oder DAB/DAB+ gibt. Damit entfallen auch die bisher auftretenden Aussetzer beim Funkzellenwechsel.
Zweifel an Wirtschaftlichkeit
Es gibt allerdings auch Zweifler vor allem an der Wirtschaftlichkeit eines solchen Systems: Auf dem Digitalradio-Tag beim Bayerischen Rundfunk (BR) monierten Podiumsteilnehmer, dass bei einer solchen Multicast-Lösung prinzipiell jede Mobilfunk-Basisstation eines jeden Netzbetreibers "rundfunktauglich" gemacht werden müsste. Alleine in Kleinstädten müssten oft jeweils acht und mehr Sendeanlagen aufgerüstet werden. Daher sei die Verbreitung über klassische Rundfunktechnologien wie DVB-T oder DAB+ mit weit weniger Sendern und weit höheren Sendeleistungen wesentlich kostengünstiger und effektiver.
Ein Mobilfunk-Multicast könnte jedoch im Rahmen eines hybriden Systems erdgebundene Netze sinnvoll ergänzen. Wo kein DVB-T- oder DAB+-Empfang möglich ist, könnte Rundfunk über Mobilfunknetze den terrestrischen Empfang von Radio und Fernsehen gewährleisten. Für das Multicast-System spricht in jedem Fall die hohe Zahl potenziell erreichbarer User. Denn jedes handelsübliche Smartphone oder Tablet der kommenden Mobilfunkgeneration 5G sowie andere IP-taugliche Endgeräte wären geeignet.
Das IRT verweist aber auch darauf, dass sich die Ansätze gegenwärtig noch in einem sehr frühen Forschungsstadium befänden und sich daher nicht mittelbar auf Techniken wie DAB/DAB+ oder DVB-T oder die bevorstehende, geplante Einführung von DVB-T2 in Deutschland auswirken würden. Die gemeinsame Beteiligung von Vertretern der Rundfunk- und der Mobilfunkseite zeige jedoch die Aufgeschlossenheit auf beiden Seiten, nach neuen Wegen zu suchen, um die Herausforderungen der Zukunft im Bereich der modernen, mobilen Mediennutzung zu meistern, heißt es.