Zukunftspakt soll Mobilfunkausbau in Hessen beschleunigen
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und seine Digitalministerin Kristina Sinemus (beide CDU) haben heute in Wiesbaden zusammen mit den drei Mobilfunknetzbetreibern Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone den Zukunftspakt Mobilfunk für Hessen unterzeichnet. Die Vereinbarung ist die Fortsetzung des hessischen Mobilfunkpakts aus dem Jahr 2018.
Ausbau nochmal beschleunigen
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (rechts) und seine Digital-Ministerin Kristina Sinemus stellen gemeinsam mit Telekom, o2 und Vodafone den aktuellen Mobilfunkpakt vor
Foto: Staatskanzlei Hessen / Ministerium für Digitales
Die neue Vereinbarung hat wie die alte das Ziel, den Mobilfunkausbau in Hessen bis Ende 2024 nochmal zu beschleunigen und die Versorgung mit aktuellen und zukünftigen Mobilfunkstandards deutlich zu verbessern. Sie basiert nach Angaben der hessischen Landesregierung auf vier zentralen Säulen: Der „Mobilfunkversorgung und Netzqualität“, der „Verfahrensbeschleunigung“, „Dialog und Transparenz“ sowie den „politischen Rahmenbedingungen“. Weitere 4000 Maßnahmen wurden vereinbart.
Eine leistungsfähige Mobilfunkinfrastruktur sei unerlässlich für das reibungslose Funktionieren wirtschaftlicher Prozesse, für effektive Arbeit im Homeoffice und für die private Kommunikation, betonte Bouffier. Mit dem Mobilfunkpakt seien mittlerweile zahlreiche weiße Flecken geschlossen worden. Dieser Prozess werde mit der neuen Vereinbarung fortgesetzt.
Mit Stand Dezember 2021 seien insgesamt 5758 Mobilfunkstandorte neu errichtet oder umfassend modernisiert worden, erklärte Sinemus. Alle diese Standorte sendeten mindestens mit dem schnellen LTE-Standard.
Bei 95 Prozent parallel verfügbar?
Mit Stand Ende 2021 bestehe laut Landesregierung inzwischen auch eine parallele Verfügbarkeit aller drei Netze für mehr als 95 Prozent der hessischen Haushalte. Das sei eine Steigerung um 20 Prozentpunkte innerhalb von zwei Jahren.
1754 aktive 5G-Standorte im Land
Beim 5G-Mobilfunkstandard sei eine hohe Ausbaudynamik zu verzeichnen, erklärte die Ministerin. Das 5G-Netz schaffe durch größere Kapazitäten der Datenübertragung und schnellere Netzgeschwindigkeit die Grundlage für die weitreichende intelligente Vernetzung von Maschinen, Geräten und Menschen.
Es gebe in Hessen mit Stand Ende 2021 mittlerweile 1754 aktive 5G-Standorte. Damit sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt worden. Welcher Netzbetreiber davon wie viele genau betreibt, sagte sie nicht.
Wenig Neubauten, bereits geplante neue Masten abgesagt?
Die SPD-Fraktion im Landtag kritisierte, die neue Vereinbarung sei lediglich eine Weiterführung des Mobilfunkpakts, der eine freiwillige Selbstverpflichtung der Netzbetreiber und des Digitalministeriums sei. Im Rahmen des Pakts sei es zur Modernisierung einiger bereits bestehenden Mobilfunkmasten gekommen, von denen aber nur ganz wenige tatsächlich neu errichtet worden seien.
Berichte aus der Fläche zeigten, dass bereits zugesagte Masten wieder abgeschrieben würden, erklärte der Abgeordnete Bijan Kaffenberger. Wie es dazu kommen konnte, sei für ihn unklar und ärgerlich.
Telekom lobt gute Zusammenarbeit
Walter Goldenits, Geschäftsführer Technologie der Telekom Deutschland, betonte die gute Zusammenarbeit mit dem Land zum bedarfsgerechten Ausbau der Mobilfunknetze. Im Rahmen des Mobilfunkpakts habe die Deutsche Telekom über 2400 Maßnahmen zur Verbesserung des Mobilfunknetzes in Hessen umgesetzt. „Bereits heute erreichen wir 98,9 Prozent der Bevölkerung und 89,4 Prozent der Fläche in Hessen mit breitbandigem mobilen Internet sowie knapp 93,8 Prozent der Haushalte mit nutzbarem 5G.“ 2022 seien weitere 100 Neubaustandorte in Hessen geplant.
o2 verstärkt im ländlichen Raum
Valentina Daiber, Vorstandsmitglied der Telefónica (o2), erklärte, das Unternehmen habe auch verstärkt schnelles Internet in den ländlichen Raum gebracht und gleichzeitig den 5G-Ausbau vorangetrieben. Bis Ende 2024 sollen insgesamt rund 1800 Ausbaumaßnahmen in Hessen umgesetzt und bis 2025 alle Haushalte im Bundesland mit 5G erreicht werden. Daiber begrüßte, dass die Landesregierung die Baugenehmigungen beschleunigt und sich auf Bundesebene für alternative Frequenzvergabeverfahren eingesetzt habe.
Vodafone nennt "tausende" Stationen
Der Deutschland-Chef von Vodafone, Hannes Ametsreiter, sagte, dass seit der Unterzeichnung des ersten Mobilfunkpakts tausende Stationen in Hessen neu errichtet oder modernisiert worden seien. Mit dem LTE-Netz von Vodafone würden mittlerweile 98,6 Prozent der Bevölkerung des Bundeslandes erreicht. 3,1 Millionen Menschen würden mit 5G in Hessen erreicht. Bis Ende 2025 sollen es nahezu 100 Prozent sein.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Das Land Hessen hat die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber wieder an einen Tisch geholt und den Mobilfunkpakt für Hessen erneuert und verlängert. Das ist gut.
Nur: Die offiziellen Erklärungen sind leider wenig bis nichtssagend. Zwar werden viele Grafiken und Zahlen vorgelegt, fantastische Versorgungswerte und Ausbauprojekte genannt. Die Zahl der echten Neubauten in bislang überhaupt nicht erschlossenen Gebieten ist immer noch viel zu gering. Und offenbar wurden dringend benötigte Masten vor Ort auch wieder abgekündigt. Warum?
Es fehlt dem interessierten Beobachter eine konkrete Liste von Orten und Terminen, wann genau welcher Netzbetreiber zu welchem Datum in welchem Ort seinen Sender einschalten und ob von diesem Standort vielleicht auch konkurrierende Anbieter mitfunken dürfen (MOCN machts möglich). In dieser Liste darf auch ruhig drin stehen, wenn es Probleme oder Widerstände gibt, sei es von Bürgerinitiativen, Bauämtern oder fehlenden Genehmigungen für Zufahrten, Leitungen oder was auch immer. Solange es diese Liste gar nicht gibt oder sie aus Angst nicht prominent veröffentlicht wird, ist das ganze Spektakel wenig glaubwürdig.
Wer sich am Wochenende ins Auto setzt und ein bisschen durch Hessen fährt, wird auf Anhieb kilometerlange Strecken finden, wo nichts, aber auch rein gar nichts zu empfangen ist. Die Botschaft sollte endlich verstanden sein. Es müssen alle öffentlich befahrbaren Straßen und Bahnstrecken mit Mobilfunk versorgt werden, was alleine schon der Sicherheit aller am Verkehr beteiligten dient. Das ist eine Mammutaufgabe und das wird es nicht zum Discount-Tarif geben. Je früher die Beteiligten Ross und Reiter und auch die damit verbundenen Kosten nennen, desto besser.
Deutschland ist nicht allein. Der EU-Rechnungshof rügt den mangelhaften Netzausbau bei 5G in Europa.