Verzicht?

BNetzA-Chef Homann: Frequenzauktion erst später denkbar

Auslau­fende Mobil­funk-Frequenzen müssen irgendwie neu vergeben werden. Als Auktion oder durch eine einfache Verlän­gerung? Die Bundes­netz­agentur grübelt noch.
Von mit Material von dpa

Alle vier bis fünf Jahre darf sich der Bundes­finanz­minister über milli­arden­schwere Extra-Einnahmen freuen: Die Bundes­netz­agentur verstei­gert Mobil­funk-Frequenzen und die Netz­betreiber legen dafür "viel zu viel" Geld auf den Tisch. Gera­dezu legendär ist noch die erste Auktion aus dem Jahr 2000, als sich Tele­kom­muni­kati­ons­firmen insge­samt zur Zahlung von rund 50 Milli­arden Euro verpflich­teten - im Nach­hinein war das viel zu viel. Spätere Auktionen brachten deut­lich weniger ein, 2019 waren es aber immer noch statt­liche 6,6 Milli­arden Euro. Doch damit könnte vorerst Schluss sein, denn die Bundes­netz­agentur deutet einen Kurs­wechsel an.

Homann kann sich vorstellen, Lizenzen zu verlän­gern

Die Bundesnetzagentur hat inzwischen 24 Jahre Verantwortung für Netze. Findet der scheidende Präsident Jochen Homann die Lösung der Ausbauprobleme? Findet der scheidende Präsident Jochen Homann die Lösung der Ausbauprobleme?
Foto: Picture Alliance/dpa
Vor einer Sitzung des Beirats der Regu­lie­rungs­behörde am heutigen Montag erklärte Behör­den­chef Jochen Homann auf Anfrage, dass er sich vorstellen könne, Mobil­funk-Frequenzen „kurz­fristig und bedingt zu verlän­gern“ und ein Verga­bever­fahren erst zu einem späteren Zeit­punkt durch­zuführen. Anfang 2026 wird Spek­trum in verschie­denen Frequenz­bän­dern frei, vor allem das „Low Band“ im "nied­rigen" 800-MHz-Bereich ist heiß begehrt - diese Frequenzen sind wichtig für die Flächen­ver­sor­gung, da Signale auf nied­rigeren Frequenzen eine höhere Reich­weite haben, als auf höheren Frequenzen.

Zu wenig Spek­trum vorhanden

Doch die Lage ist vertrackt, denn im soge­nannten „Low Band“ wird nur wenig Spek­trum frei. Das war bisher in drei Frequenz­pakete aufge­teilt. Die jetzigen Nutzer sind die drei altein­geses­senen ("incum­bent") Platz­hir­sche Deut­sche Telekom, Voda­fone und Telefónica (o2). Drei für drei - bisher war das relativ einfach zu hand­haben. Doch mitt­ler­weile ist 1&1 als vierter Netz­betreiber mit von der Partie. Der Neuein­steiger baut gerade sein eigenes Netz auf und will dafür unbe­dingt Flächen­fre­quenzen haben.

Eine Vier­telung ist nicht möglich

Dass man das Spek­trum vier­telt und nicht drit­telt, kommt nach Darstel­lung der Bundes­netz­agentur nicht infrage. „Es ist tech­nisch nicht sinn­voll, das Spek­trum bei 800 MHz symme­trisch auf vier Netz­betreiber aufzu­teilen“, sagt Behör­den­chef Homann.

Traum­hafte Ergeb­nisse einer Auktion in 2023/24?

Bei der eigent­lich für 2023 oder 2024 erwar­teten Auktion hätte der Staat eine starke Posi­tion: Ein knappes Gut trifft auf großes Inter­esse. Der Aukti­ons­erlös dürfte durch die Decke gehen. Aller­dings ist auch der Bundes­netz­agentur klar, dass das nicht gut wäre für die Sache an sich - also eine gute Mobil­funk­ver­sor­gung im Digi­tal­zeit­alter samt wach­senden Daten­bedarfs. Schließ­lich hätten die Mobil­funker dann für den Netz­ausbau weniger Geld in der Kasse. Homann jeden­falls warnt davor, dass es bei der Verstei­gerung besagten Flächen­spek­trums „mögli­cher­weise zu einem starken Biet­wett­bewerb“ kommen könnte. Das, liest man zwischen den Zeilen, sollte man vermeiden.

Incumbents wollen Verlän­gerung

Was also tun? Die Platz­hir­sche sind dafür, die Anfang 2026 auslau­fenden Nutzungs­rechte um fünf Jahre zu verlän­gern. Dann stünden zusätz­liche Frequenzen bereit und es könnte eine Auktion „unter vernünf­tigen Bedin­gungen“ statt­finden, sagt ein Voda­fone-Spre­cher beispiels­weise und weiß, dass ihm Telekom und Telefónica zustimmen.

1&1 pocht auf Flächen-Frequenzen

Ganz anderer Meinung ist der neue Wett­bewerber 1&1. „Neben der Flächen­deckung außer­halb großer Städte sind die soge­nannten Low-Band-Frequenzen auch für die Versor­gung von Innen­räumen unab­dingbar“, erklärt eine Spre­cherin. „Um als vierter Netz­betreiber dauer­haft wett­bewerbs­fähig zu sein, ist es für 1&1 zwin­gend notwendig, neben den 2019 erstei­gerten 5G-Frequenzen demnächst auch Low-Band-Frequenzen im Bereich 800 MHz erwerben zu können.“

1&1 hat Zugang zum o2-Netz

Der Voda­fone-Spre­cher weist zu Recht darauf hin, dass 1&1 ohnehin schon Zugang zum Telefónica-Netz hat und diesen doch einfach weiter nutzen könne. Tatsäch­lich ist 1&1 bisher ein soge­nannter virtu­eller Netz­betreiber, der sich Kapa­zitäten anderer Netze gemietet hat, vor allem von Telefónica, auslau­fend auch von Voda­fone.

Selbst wenn 1&1 sein eigenes Netz wohl 2023 zur Nutzung frei­schalten wird, bleiben die Firmen über einen „National-Roaming“-Vertrag verbunden: Andern­falls würden die 1&1-Kunden in großen Teilen des Landes in ein Funk­loch fallen, weil ein neuer Netz­betreiber nun mal Zeit zum flächen­deckenden Ausbau braucht. Das natio­nale Roaming wird aber nur im 4G/LTE-Stan­dard möglich sein und nicht mit 5G-Geschwin­dig­keit, was ein Nach­teil für an hohen Geschwin­dig­keiten inter­essierte Kunden wäre.

Frequenzen offen, objektiv, trans­parent und diskri­minie­rungs­frei

In einem Papier der Netz­agentur, das der Deut­schen Presse Agentur (dpa) vorliegt, betont die Behörde, dass man die Frequenzen „in einem offenen, objek­tiven, trans­parenten und diskri­minie­rungs­freien Verfahren“ bereit­stellen wolle. Auch 1&1 solle die Möglich­keit haben, „neue Netze aufzu­bauen, Mobil­funk­dienste anzu­bieten und sich als Mobil­funk­netz­betreiber zu etablieren“. Wie das geschehen soll, ist noch unklar. Die Frage des chan­cen­glei­chen Zugangs zu Frequenzen für den vierten Netz­betreiber wäre zu klären, sagt Netz­agentur-Chef Homann vage.

Politik: Verlän­gerung oder Negativ-Auktion?

Aus der Politik kommen unter­schied­liche Signale. Der Vorsit­zende des Netz­agentur-Beirats, Nieder­sach­sens Umwelt­minister Olaf Lies (SPD), plädiert für eine Verlän­gerung. So heißt es in einem SPD-Papier, das auch die Haltung von Lies wider­spie­gelt, dass man die Frequenz­nehmer im Rahmen einer Verlän­gerung zu weiteren ambi­tio­nierten Auflagen verpflichten könne, „ohne den Unter­nehmen durch eine kost­spie­lige Verstei­gerung Inves­titi­ons­mittel zu entziehen“. Am Ende des Jahr­zehnts sollte dann entschieden werden, wie es weiter­geht - „dann könnte das Instru­ment der Verstei­gerung zu diesem Zeit­punkt wieder in sinn­voller Weise zum Einsatz kommen“, heißt es in dem SPD-Papier.

Der FDP-Bundes­tags­abge­ord­nete Rein­hard Houben, der eben­falls im Beirat sitzt, ist gegen eine Verlän­gerung - es sollte viel­mehr eine „Nega­tiv­auk­tion“ geben. Bei so einem Verfahren setzt sich die Firma durch, die am wenigsten staat­liches Förder­geld haben will und sich zu umfang­rei­chen Ausbau­pflichten bekennt. Mit einem „effi­zienten Aukti­ons­design“ und starken Control­ling käme man voran, so Houben.

Entschei­dung im Jahre 2023

Wohl im Jahr 2023 wird sich die Netz­agentur fest­legen, ob sie auf das bishe­rige Aukti­ons­modell, die Nutzungs­ver­län­gerung oder ein anderes Vorgehen setzt. Die Frage, wie es weiter­geht, sei „offen und noch nicht entschei­dungs­reif“, betont Behör­den­chef Homann. „Vor einer Entschei­dung ist noch eine Viel­zahl von Verfah­rens­fragen zu klären.“

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Selbst die Verfechter eines maxi­malen Wett­bewerbs erkennen inzwi­schen, dass die Qualität der mobilen Netz­ver­sor­gung im Land einfach immer noch viel zu schlecht ist, auch wenn die Netz­betreiber mehr oder weniger wie wild ausbauen. Die Formel, mehr Wett­bewerber - güns­tigere Preise, funk­tio­niert nicht unend­lich, weil der Aufbau eines flächen­deckenden Netzes einfach Geld kostet und Zeit braucht.

Was kann die Lösung sein? Mehr gegen­sei­tige Roaming-Abkommen zwischen den etablierten und künf­tigen Anbie­tern? Eine gemein­same privat­wirt­schaft­lich orga­nisierte und/oder staat­lich beauf­sich­tigte Netz­aus­bau­gesell­schaft? Oder den ehrli­chen Mut zur Ausbau-Lücke, in der Hoff­nung, dass nicht zu viele Kunden zu einem anderen Anbieter wech­seln, der besser versorgen kann und will und dafür teurer ist? Für Homanns desi­gnierten Nach­folger Klaus Müller wird es einiges zu tun geben.

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