Keine Frequenz-Auktion: Die Mehrheit findet es gut
Der Vorschlag, die Frequenzen zu verlängern, findet größtenteils Zustimmung. Einige wollen noch prüfen, ob es Haken gibt.
Foto: Henning Gajek / Teltarif.de
Die Mitteilung der Bundesnetzagentur, ernsthaft auf eine teure Auktion zu verzichten, ist die Meldung des Tages. Schnell meldeten sich die Betroffenen zu Wort.
Telekom: Grundsätzlich richtig
Der Vorschlag, die Frequenzen zu verlängern, findet größtenteils Zustimmung. Einige wollen noch prüfen, ob es Haken gibt.
Foto: Henning Gajek / Teltarif.de
Der Netzbetreiber Deutsche Telekom findet, „eine Verlängerung von Frequenzen ist grundsätzlich richtig. Aber auf die Details kommt es an. Wenn im gleichen Zug die Regulierung zugunsten von Diensteanbietern weiter verschärft wird, schadet das dem Netzausbau. Unterstützt werden müssen diejenigen, die investieren. Nicht die, die sich ins gemachte Netz setzen.“
Mit den Vorgängen vertraute Personen weisen darauf hin, dass Frequenzverlängerungen in Europa inzwischen eher die Regel denn die Ausnahme seien. Beispielsweise Spanien: Dort waren zuletzt Frequenzen zu geringen Kosten verlängert worden. Deutschland hingegen habe die Gebühren für eine mögliche Verlängerung angehoben, was kontraproduktiv sei. Im Raum stehe auch die Idee eines National Roaming. Im gleichen Atemzug stelle sich die Frage, warum hier über Regelungen nachgedacht werde, obwohl 1&1 ja gerade einen Vertrag über bis zu 18 Jahre geschlossen habe, ohne bislang überhaupt ein eigenes Mobilfunknetz im Betrieb zu haben.
Vodafone: Im Detail prüfen
Der älteste private Mobilfunkanbieter in Deutschland, die Vodafone (ehemals Mannesmann) nimmt „den Vorschlag der Bundesnetzagentur zur Kenntnis“ und wird nun kritisch im Detail prüfen. „Die Grundausrichtung, die 800 Megahertz-Flächenfrequenzen zu verlängern, statt sie erneut zu versteigern, sollte hilfreich für den weiteren Netzausbau in Deutschland sein. Jedoch müssen die an die Verlängerung gekoppelten Ausbauziele für die Netzbetreiber realistisch erreichbar sein. Zudem darf durch die Verlängerung weiterer Frequenzen keine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Netzbetreibern entstehen“, betont man bei Vodafone.
o2-Telefónica: Im Sinne der Verbraucher
Markus Haas, langjähriger Chef des Netzbetreibers Telefónica (o2), hatte schon früh darauf hingewiesen, dass Gelder für eine Auktion später beim Netzausbau fehlen würden.
Haas lobt die Ankündigung der Bundesnetzagentur: „So ist echter Fortschritt in Deutschland möglich – mit 5G als Sprungbrett für alle und überall: Was der Regulierer heute bekannt gegeben hat, ist zugleich ein Richtungswechsel und Durchbruch für Mobilfunk in Deutschland – und vor allem eine gute Nachricht für 84 Millionen Menschen hierzulande: Der in Aussicht gestellte Verzicht auf eine Frequenzauktion ebnet allen Menschen den schnellen Weg für 5G im ganzen Land. Eine Verlängerung von Mobilfunklizenzen schafft noch schneller noch bessere Netze für die deutsche Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Statt Milliardensummen in Lizenzrechte stecken zu müssen wie in der Vergangenheit, können die Netzbetreiber nun begründet darauf hoffen, unmittelbar in den weiteren Netzausbau investieren und die Mobilfunkversorgung hierzulande noch weiter verbessern zu können. Die Verlängerung der Nutzungsrechte begünstigt zudem Wettbewerb zwischen Mobilfunkanbietern nach den Gesetzen des Marktes. Diese Art von Wettbewerb ist im Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern.“
1&1: Wir werden es prüfen
Zurückhaltend äußerte sich die Pressestelle des vierten Mobilfunkanbieters 1&1: "Wir werden das heute durch die Bundesnetzagentur veröffentlichte Konsultationspapier prüfen und entsprechend gegenüber der Behörde Stellung nehmen.“ Die Branche dürfte gespannt sein.
BREKO: Zustimmung, aber Diensteanbieterverpfichtung notwendig
Dr. Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbandes Breitbandkommunikation e.V. (BREKO) begrüßt für seinen Verband, dass die Bundesnetzagentur im Zuge der in Aussicht gestellten Verlängerung bestehender Nutzungsrechte für Mobilfunkfrequenzen, die Ende 2025 auslaufen, den Wettbewerb im Mobilfunk zum Wohle sowohl der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch der Geschäftskunden stärken will.
Aber: „Um den Wettbewerb im Mobilfunk nachhaltig zu stärken und die Angebotsvielfalt zu vergrößern, ist eine Angebotspflicht – sog. Diensteanbieterverpflichtung – zwingend notwendig“, findet Albers. Das aktuell bestehende Verhandlungsgebot habe sich als völlig wirkungslos erwiesen, wie die Dominanz der drei etablierten Netzbetreiber im 5G-Markt belege.“
VATM: Skepsis bis Angst
In einer umfangreichen Analyse stellt der VATM fest, dass die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur mit dem Verzicht einer Auktion "von ihrer bisherigen Bewertung im Positionspapier abweichen würde".
Erwogen werde die weitere Förderung des Dienstewettbewerbs, wobei bei genauer Betrachtung maximal die "Auferlegung einer Angebotspflicht" in Betracht komme, etwas mehr als bisher und "technologieneutraler" formuliert. Der VATM vermutet, dass die von Unternehmen und Verbänden geforderte "Diensteanbieterverpflichtung" damit vom Tisch zu sein scheint.
Bei "National Roaming“ schlage die BNetzA lediglich ein "Verhandlungsgebot" vor.
Bedenken bestehen bei den Versorgungsauflagen zur Verbesserung des Mobilfunkangebotes. Es solle die Übertragungsrate in Gebieten mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer in jedem Bundesland auf mindestens 100 MBit pro Sekunde im Download gesteigert werden und dabei eine Versorgungsquote von 98 Prozent der Haushalte erreicht werden. Dies würde mit einer weitergehenden Verdichtung und dem zusätzlichen Aufbau von Sendemasten einhergehen, stellt man beim VATM zutreffend fest.
Angst hat der Verband vor dem Verzicht der bisher üblichen "gegenseitigen Anrechnung der Versorgung" durch andere Netzbetreiber. Da nicht jeder Kunde SIM-Karten jedes Netzbetreibers zur Hand hat, würde das Gebot bedeuten, dass die Unternehmen weitaus mehr ausbauen müssen, wie der VATM richtig erkennt.
Offenbar graust es dem Verband vor einer "einseitigen stärkere Gewichtung von Nutzerinteressen gegenüber den gesamtwirtschaftlich so wichtigen essenziellen Entwicklungsmöglichkeiten einer Technologiebranche".
Der VATM kündigte eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Vorhaben an.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wer erinnert sich noch an die unglaubliche UMTS-Frequenzauktion, als etwa 51 Milliarden Euro in die Staatskasse flossen, für 6 Blätter Papier für sechs Lizenzen. Was hätte man dafür ausbauen können? Zwei Lizenzgewinner mussten aufgeben, deren Geld war futsch. In Finnland gab es eine Staatskrise, Telefónica Spanien musste viele Jahre kräftig verdauen (angeblich rund 10 Milliarden Euro), Mobilcom-Multimedia wurde in letzte Sekunde von Kanzler Schröder gerettet, Frankreich durfte die Sache ausgleichen.
Es folgte Auktion um Auktion und es bildete sich immer mehr Kritik heraus: Die Netze sind löchrig, an vielen Ecken gibt es kein Netz.
Die Bundesnetzagentur unter ihrem „neuen“ Präsidenten Klaus Müller, hat heute bemerkenswertes angekündigt: Sie könnte sich vorstellen, auf eine Auktion zu verzichten und dafür die bestehenden Frequenznutzungsrechte für einen moderaten Betrag zu verlängern. Im Gegenzug müssen sich die Netzbetreiber verpflichten, noch viel stärker und intensiver die ländlichen schwach versorgten Regionen des Landes auszubauen. Das wird viel Geld kosten, das andernfalls wieder in Auktionen geflossen wäre.
Wir haben in Deutschland wieder vier Netzbetreiber, nur dafür sind eigentlich gar nicht genügend Frequenzen da. Bei einer Auktion wäre mindestens ein Verlierer vom Platz gegangen, und der hätte dann sein Geschäftsmodell überdenken oder aufgeben müssen, keine schöne Vorstellung.
1&1, der vierte Netzbetreiber, hatte sich gerade in einem aufsehenerregenden Deal mit Vodafone verabredet und kann das komplette Vodafone-Netz mitnutzen, bis sein eigenes Netz für ihn ausreichend verfügbar ist. Von daher, so die Argumentation von Klaus Müller, sollte 1&1 damit leben können. Was Müller nicht sagt, aber in Montabaur bewusst sein sollte: 1&1 liegt mit seinem Ausbauzeitplan gewaltig zurück und möchte seine Doppelrolle als Service-Provider („Diensteanbieter“) und Netzbetreiber noch etwas länger spielen. Beides muss Klaus Müller noch genehmigen.
Das Beispiel von 1&1 und Vodafone sollte Schule machen. Mehr Netzbetreiber sollten sich ernsthaft über nationales Roaming unterhalten, verpflichtet werden sie dazu wohl nicht. Es liegt am jeweiligen Netzbetreiber, ob er selbst ein flächendeckendes Netz aufbaut und damit höhere Chancen auf Kundenzuwachs hat, als ein anderer, der jeden Sendemast lieber dreimal durchrechnet, bevor er ihn aufbaut.
Telekom und o2 begrüßen klar den Vorschlag, Vodafone hat gewaltige Bedenken, denn massiver Netzausbau kostet richtig Geld. Auch beim Verband VATM sucht man nach den Haaren in der Suppe, hat offenbar nie damit gerechnet, dass sich die Lage drehen könnte.
Dabei sollte es doch gerade für finanziell klamme Anbieter Möglichkeiten geben, sich gegenseitig viel mehr als bisher mit Netz auszuhelfen, weil es einfach keinen Sinn macht, drei oder vier ähnliche oder identische Netze über das Land auszurollen.
Gemeinsame Funktürme sind eine bewährte Praxis, gemeinsam genutzte Sender mit MOCN oder MORAN inzwischen auch kein Fremdwort mehr.
Das Ziel muss sein, dass alle Menschen in Deutschland, wo sie leben, reisen, arbeiten oder sich erholen mit Mobilfunk versorgt sind.
Bleiben die Diensteanbieter, die bei den Netzbetreibern nicht sonderlich beliebt sind, weil sie alles möglichst billig haben wollen, um ihre Position im Markt zu behaupten. Aber: Sie können 5G haben, heute schon. Nur ist es ihnen schlicht zu teuer. Bekommen die Diensteanbieter künftig alles viel billiger, fehlt wieder Geld für den Netzausbau. Das ist Kunden in gut ausgebauten Bereichen wohl eher egal, wer aber auf dem Land wohnt, braucht auch Netz und da nützen Tarife für 2,99 Euro im Monat, wofür es kein Netz gibt, wenig.
Am Dienstag Nachmittag hatte die Bundesnetzagentur einen Überraschungs-Coup gelandet.