1&1: Ausbau des vierten Mobilfunknetzes soll bald starten
Wie schon berichtet nimmt das vierte Mobilfunknetz in Deutschland so allmählich erste erkennbare Konturen an. Nach dem Vertragsabschluss mit dem Netzwerkausrüster Rakuten im Sommer seien die Verhandlungen mit Funkturm-Standortbetreibern, wo sich die Firma 1&1 mit ihren Antennen einmieten will, auf der Zielgeraden, bestätigte heute eine Firmensprecherin auf Anfrage der Deutschen Presseagentur (dpa): "Die Verträge sollen zeitnah abgeschlossen werden." In den kommenden Monaten wiederum werde der eigentliche Ausbau starten.
Bisher gibt es in Deutschland echte Mobilfunknetze von der Telekom (gestartet als "D1"), von Vodafone (gestartet als Mannesmann D2-Privat) und von Telefónica (o2) in Deutschland (gestartet als VIAG-Interkom). Im Jahre 2019 ersteigerte der vierte "Spieler" 1&1 (vormals Drillisch) erstmals eigene Mobilfunk-Frequenzen.
Bis Ende 2022 muss die 1&1-Drillisch mindestens 1000 eigene Basisstationen in Betrieb genommen haben - so sehen es die Auflagen der Bundesnetzagentur aus der Frequenzauktion vor. Dann muss das neue Netz von 1&1 bis Ende 2025 mindestens 25 Prozent der deutschen Haushalte erreichen und bis Ende 2030 mindestens 50 Prozent.
Wie schon berichtet will 1&1 mehr bauen: "Diese Auflagen wollen wir nicht nur erreichen, sondern deutlich übertreffen", betonte die Sprecherin gegenüber der dpa.
Migration ab 2023
Das Netz von 1&1 wird vor allen Dingen bereits bestehende Standorte der Funkturm-Gesellschaften nutzen
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Bis allerdings Kunden von 1&1, im "eigenen" Netz von 1&1-Netz online gehen können, wird es noch dauern. "Den Migrationsprozess werden wir vermutlich im Jahr 2023 starten", erläuterte die Sprecherin.
Aktuell nutzen 1&1-Mobilfunkkunden (unter zahlreichen Sub-Marken der 1&1-Drillisch AG) vor allem das o2-Netz - auch dessen 5G-Verbindungen. Einige Bestandskunden sind noch im Netz von Vodafone ("D2") eingebucht.
Sobald 1&1 aber sein eigenes 5G-Netz für seine Kunden freigibt, "erlischt" der Zugang zum 5G-Netz von o2. Damit die 1&1-Kunden dadurch nicht schlechter gestellt sind, will das Unternehmen erst ein ausreichend großes eigenes Netz zur Verfügung haben und danach den Schalter umlegen.
Roaming mit o2
Wo 1&1 noch keine eigene Stationen aufgebaut hat, werden die 1&1-Netz-Kunden dann wie gewohnt im o2-Netz "roamen" können. Erfahrene Mobilfunkkunden kenne diese Situation vom "D1-Roaming" der VIAG-Interkom. Damals öffnete die Telekom ("D1") ihr Netz für Kunden von VIAG-Interkom, um ihnen Netz bieten zu können, wo VIAG (heute o2) noch kein eigenes Netz hatte.
Vorher hatte VIAG seinen Kunden spezielle SIM-Karten gegeben, die zwei Identitäten enthielten: Die eine war eine SIM-Karte von VIAG-Interkom selbst, die andere nutzte eine Kennung der Schweizer Swisscom. Damit konnten die sich Kunden durch Eingabe der PIN gefolgt von einer "1" als Schweizer Reoaming-Kunden in alle Konkurrenz-Netze von damals Telekom (D1), Vodafone (D2) und E-Plus (damals noch eigenständig) einloggen.
Vodafone fand das "nicht lustig" und erschwerte schnell die Zugänge. Wegen hoher Kosten und Abrechnungsproblemen schaltete VIAG diese Funktion relativ kurzfristig ab und wechselte zur Telekom.
United Internet und 1&1 stellen Zahlen vor
Neben E-Mail, Internet-Zugang, Domains und Festnetz steht 1&1 künftig auch für ein eigenes Mobilfunknetz
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1&1 gehört zum Telekommunikationskonzern United Internet, dessen Chef der Unternehmer Ralph Dommermuth ist. Heute stellte das Unternehmen seine Quartalszahlen vor: Sowohl United Internet als auch 1&1 steigerten in den ersten neun Monaten des Jahres Umsatz und operatives Ergebnis.
Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg der Gruppenumsatz nach Firmenangaben um 4,6 Prozent auf knapp 4,17 Milliarden Euro. Davon blieben 955,1 Millionen Euro als operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen übrig und damit gut 4,3 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Mit Blick auf das Jahresende bestätigte der Vorstand die Prognosen beider Unternehmen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Nun sollte es auch den Skeptikern klar sein: Die 1&1 wird ihr eigenes Netz aufbauen und vermutlich im übernächsten Jahr damit für ihre Kunden starten. Zu Anfang wird das Angebot eine Spielwiese für Freaks, Fans und Pioniere, die den Start eines neuen Anbieters im eigenen Netz erleben wollen und sich dabei bewusst sind, dass es zu Beginn "knirschen" kann und wird.
Dazu werden sich die Internet-hungrigen Anwender gesellen, denen die bisherigen Angebote der drei großen Anbieter zu teuer und zu unflexibel sind. Sie erhoffen sich eine "All-you-can-eat"-Surf-Flatrate, womit man grenzenlos und möglichst schnell am liebsten überall ins Netz gehen kann, ohne Angst vor abgelaufenem Datenvolumen und zu möglichst niedrigsten Preisen.
Ob diese Träume erfüllt werden können, wird man sehen. Die etablierten Anbieter werden sich das genau anschauen und ihre Tarife und Konditionen anpassen, bevor die große Abwanderungsbewegung beginnt.
Im Zuge der Umstellung ist es auch durchaus denkbar, dass der eine oder andere bislang zufriedene Drillisch-Kunde das Abenteuer "Netzwechsel und Neubau" nicht mitmachen mag und zu einem der etablierten Anbieter wechselt. Es bleibt - wir ahnen es schon - spannend.
Wer bei 1&1 einen DSL-Vertrag abschließt, kann unter Umständen einen 55 Zoll-Fernseher dazu bekommen.