Nervig

"Smishing": Nervige SMS-Welle rollt

Ein wich­tiges Paket droht verloren zu gehen, wenn man nicht den Link klickt und eine Soft­ware instal­liert. Hier ist erhöhte Vorsicht geboten, sonst wird das eigene Handy zur gefähr­lichen Spam-Schleuder.
Von mit Material von dpa

Kennen Sie "Smis­hing"? Viel­leicht noch nicht. Aber "Phis­hing" ist Ihnen sicher ein Begriff. Sie müssen nur einmal ihre E-Mails durch­schauen, speziell den Spam-Ordner. Da finden sich "drin­gende" E-Mails, die Sie auffor­dern, sofort in Ihrem Online-Konto Ihres E-Mail-Anbie­ters, bei Ihrer Bank, oder der Kredit­kar­ten­gesell­schaft etc. sich einzu­loggen, weil sonst irgendwas Schlimmes passiert, beispiels­weise das eigene Konto gesperrt wird.

Das Abgreifen der Daten findet auf Webseiten statt, die teil­weise den Original-Seiten täuschend ähnlich sehen, aber auf Servern der Betrüger laufen. Wer dort seine Daten eingibt, liefert Betrü­gern die Zugangs­daten, womit die dann auf dem eigenen Konto für Durch­ein­ander oder Schaden sorgen können.

Die Smis­hing-Welle rollt

Vorsicht, wenn eine SMS zum Klicken eines obskuren Links auffordert. Das könnte Smishing sein. Vorsicht, wenn eine SMS zum Klicken eines obskuren Links auffordert. Das könnte Smishing sein.
Foto: Picture-Alliance /dpa
Smis­hing ist ähnlich wie Phis­hing, kommt aber per SMS, daher der Name. Wer ein Smart­phones nutzt, bekommt eine SMS: Ein Paket komme an, müsse abge­holt oder vor dem Zurück­schi­cken bewahrt werden. Über einen mitge­schickten Link soll es möglich sein, einen Termin für die Zustel­lung zu verein­baren oder eine Paket-Sendung zu verfolgen. Derzeit sind beson­ders viele solcher Mittei­lungen in Umlauf.

All diese Handy-Kurz­mit­tei­lungen haben oft eines gemeinsam: Diese Liefe­rungen sind nicht real. Es handelt es sich um eine Betrugs­masche, die gerade im Internet Hoch­kon­junktur hat. Die Behörden sind alar­miert.

Botnetze und geka­perte Handys verschi­cken SMS

Krimi­nelle verschi­cken diese SMS über soge­nannte "Botnetze" (das sind geka­perte Handys oder Computer), weil sie Daten abgreifen möchten, um sich daran zu berei­chern oder ander­wei­tigen Schaden zu verur­sachen. Klickt man auf die mitge­schickten Links, landet man auf Fake-Webseiten. Deren Inhalt kann unter­schied­lich sein, das hängt davon ab, ob man mit einem Android-Smart­phone oder eine iOS-Apple-Gerät darauf klickt.

Apple-Nutzer sind weniger gefährdet

iOS-Apple-Nutzer werden "nur" auf Webseiten geleitet, wo viel­leicht (nicht exis­tie­rende) einsame Damen nach Frei­zeit­kon­takten suchen oder man habe angeb­lich im Gewinn­spiel gewonnen, müsste dazu aber noch viele persön­liche Daten eingeben. Der Grund: Bei Apple-Smart­phones kann sich eine Schad­soft­ware nicht so einfach "einnisten". Daher werden sie nur auf Werbe- oder Phis­hing-Seiten umge­leitet. Bei Android kann sich die Schad­soft­ware hingegen leichter im System veran­kern.

Android-Nutzer sollen eine gefähr­liche App down­loaden

Bei Android geht es gerne um eine vermeint­liche Sendungs­ver­fol­gung, wofür der Down­load einer App beispiels­weise von "Fedex" oder "UPS" nötig wäre. Nur: Diese Apps sind nicht von diesen Dienst­leis­tern! Wer sie instal­liert, wird unter Android noch gewarnt (Anwen­dung aus fremden Quellen instal­lieren?) und wer dem zustimmt, holt sich gewal­tigen Ärger ins Haus: Die Apps entpuppen sich als Schad­soft­ware und "entführen" das Handy.

Mit Instal­lation dieser Apps wird eine "Prozess­kette" in Gang gesetzt: Sämt­liche Kontakte des Adress­buchs erhalten eine entspre­chende SMS-Nach­richt. Das ist ein "Schnee­ball­system", wie es ein Telekom-Spre­cher erläu­tert. Die Täter hätten mitt­ler­weile ihre Technik verfei­nert. "So benutzt die Schad­soft­ware in der aktu­ellen Welle scheinbar die Vornamen der Kontakte, um die SMS zu perso­nali­sieren. Dadurch wirken die SMS noch vertrau­ens­wür­diger."

Und wenn die App instal­liert wurde?

Was tun, wenn man achtlos war und doch die Soft­ware runter­geladen und instal­liert hat? Ruhe Bewahren. Das Handy sofort in den Flug­modus versetzen und damit offline gehen. Dann über ein USB-Daten­kabel wich­tige Daten (Bilder, Videos, Doku­mente, Texte) auf den PC sichern und danach das Handy auf Werks­ein­stel­lungen zurück­setzen. Dabei wird das Smart­phone komplett geleert und muss dann komplett von vorne einge­richtet werden.

Das kann eine Zeit dauern, weil unend­lich viele Updates vom Handy­betriebs­system und den instal­lierten Apps geladen werden müssen. Wer vorher eine Siche­rung seiner Fotos und Kontakte bei Google einge­schaltet hatte, wer das Chat-Backup für WhatsApp akti­viert hat, bekommt diese Inhalte relativ einfach wieder.

Helfen Sicher­heits-Apps?

Einige Netz­betreiber bieten (kosten­pflich­tige) Sicher­heits­pro­dukte an, die das Herun­ter­laden von Schad­soft­ware blockieren sollen - bei Voda­fone nennt sich das "SecureNet Service", die Telekom setzt auf eine Sicher­heits­lösung von Norton. Ob man diese Pakete wirk­lich braucht, ist unter Fach­leuten umstritten. Wer unter Android die Funk­tion "Herun­ter­laden aus fremden Quellen" auslässt (Werks­ein­stel­lung), erspart sich viel Ärger und wer die SMS mit selt­samen Links gleich wieder löscht, hat erst recht nichts zu befürchten. Wer eine App instal­lieren möchte, sollte das nur aus dem offi­ziellen Google Play Store tun und vorher noch die Bewer­tungen studieren, ob die App wirk­lich das tut, was sie soll.

Eins können diese teuren Sicher­heits-Apps nicht: Verhin­dern, dass man solche nervigen SMS-Nach­richten über­haupt zuge­schickt bekommt.

Netz­betreiber sind sich des Problems bewusst

Was sagen die Netz­betreiber dazu? Die Zahl der Phis­hing-SMS nehme zu, bestä­tigt die Deut­sche Telekom. Laut einer Anti-Betrugs-Arbeits­gruppe der Mobil­funk­anbieter wurden deutsch­land­weit von Januar bis März bei allen Anbie­tern 200.000 solcher Fälle fest­gestellt. Vor einem Jahr war der Vergleichs­wert deut­lich nied­riger, weil das Phänomen massen­hafter Botnetz-SMS laut Tele­kom­spre­cher erst Ende 2020 in Europa begann.

Genaue Netz­beob­ach­tung

Die Fall­zahlen kennen die Netz­betreiber etwa durch den Einsatz von Miss­brauch­ser­ken­nungs­soft­ware, die unge­wöhn­liches Kunden­ver­halten meldet: Werden von einer Kunden­nummer in einem Monat plötz­lich Tausende SMS-Nach­richten versendet, wird nach­gefragt. Die Netz­betreiber schreiten dann ein und sperren Verbin­dungen zu den Links, die in den Botnetzen die Runde machen. Allein im April hat die Telekom bisher 55.000 solcher Verbin­dungs­ver­suche unter­drückt und damit verhin­dert, dass Kunden sich verse­hent­lich eine Schad­soft­ware runter­laden.

Bei Voda­fone ist eben­falls von einer neuen "Phis­hing-Welle" die Rede.

Kosten­risiko ohne SMS-Flat­rate

Schlimm dran ist, wer keine SMS-Flat­rate hat. Dem können hohe SMS-Kosten durch den unge­wollten Massen-Versand drohen. Auf verseuchten Handys könnte die gefähr­liche App im nächsten Schritt einen Trojaner nach­laden, um Bank­daten zu stehlen.

BSI hat Lage im Blick

Auch beim Bonner Bundesamt für Sicher­heit in der Infor­mati­ons­technik (BSI) hat man das Thema im Blick. "Aktuell werden häufig SMS-Nach­richten über das Android-Schad­pro­gramm "FluBot" verbreitet, das seit etwa November 2020 im Umlauf ist", sagt ein Behör­den­spre­cher.

Staats­anwalt­schaft besorgt

In Köln gibt es die Zentral- und Ansprech­stelle Cyber­crime (ZAC NRW) der dortigen Staats­anwalt­schaft. Dort sieht man die Entwick­lung mit Sorgen­falten. "Wir spre­chen von einer Welle", erklärt Staats­anwalt Chris­toph Hebbe­cker die Lage. Anzeigen gegen Unbe­kannt wurden erstattet, deutsch­land­weit haben diverse Poli­zei­behörden vor den Betrugs-SMS gewarnt - im thürin­gischen Gotha oder im saar­län­dischen Saar­brü­cken, ferner warnte das Landes­kri­minalamt Rhein­land-Pfalz.

Staats­anwalt Hebbe­cker stellt fest, dass sich Cyber­kri­minelle gerne aus Ausnah­mesi­tua­tionen Profit schlagen. Bei den Corona-Sofort­hilfen für Unter­nehmen hatten Firmen unwis­sent­lich Anträge auf Fake-Webseiten gestellt. Deren Betreiber wiederum nutzten mitunter die Daten für Anträge auf den rich­tigen Behör­den­web­seiten und bekamen die staat­liche Hilfe - die tatsäch­lichen Antrag­steller hingegen schauten zunächst in die Röhre.

Die Ausnah­mesi­tua­tion beim "Smis­hing" nennt sich "Online-Boom in Coro­nazeiten": Weil so viele Pakete bestellt werden, erscheint es Verbrau­chern durchaus plau­sibel, angeb­lich eine Sendung zu bekommen. Entspre­chend niedrig ist die Hemm­schwelle, um auf die Links zu klicken. Die skur­rilen Namen der Webseiten aller­dings sollten die Verbrau­cher stutzig machen.

Eine Sicher­heits­lücke in WhatsApp erlaubt Angrei­fern fremde WhatsApp Konten zu stören oder zeit­weise außer Betrieb zu setzen.

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