Europa-Markt

Wird es in Europa jemals einen Streaming-Riesen geben?

Bei Strea­ming­diensten und Bewegt­bild­ange­boten wollen die etablierten TV-Konzerne ihre Kraft ausspielen. Sie setzen in euro­päi­schen Märkten auf Größe, wie jetzt das Beispiel Frank­reich zeigt.
Von dpa /

Im welt­weiten Wett­bewerb bei Strea­ming-Ange­boten bilden sich große neue Koope­rationen heraus. In den USA gab der Tele­kom­muni­kations-Riese AT&T die Abspal­tung seiner Sparte Warner­media und deren Zusam­men­legung mit dem TV-Konzern Disco­very bekannt. Nur wenige Stunden später folgte am Montag­abend eine Ankün­digung in Frank­reich, über die schon länger speku­liert worden war: Die großen TV-Sender­gruppen TF1 und M6 wollen bis Ende 2022 fusio­nieren.

Auch in Deutsch­land verfolgen TV-Konzerne das Ziel, im Inland ihre Markt­posi­tion zu verbes­sern.

"Natio­nale Cham­pions" in Europa

Die RTL Group ist in Frankreich wie auch in Deutschland oder den Niederlanden aktiv Die RTL Group ist in Frankreich wie auch in Deutschland oder den Niederlanden aktiv
Bild: picture alliance / Georg Wendt/dpa | Georg Wendt
Bertels­mann-Chef Thomas Rabe, der auch an der Spitze der zum Konzern gehö­renden RTL Group steht, plat­ziert seit geraumer Zeit den Begriff der "natio­nalen Cham­pions" in Europa. Die Idee: Im jewei­ligen Inland bilden sich Konzerne mit Strea­ming-, TV- und Bewegt­bild-Ange­boten so stark aus, dass sie lokal den inter­natio­nalen Strea­ming-Riesen wie Netflix, Disney und Amazon etwas entge­gen­setzen können.

Seit Jahren wandelt sich der Markt. Neben dem fort­lau­fenden Fern­seh­pro­gramm ist ein riesiger Strea­ming-Wett­bewerb entstanden. Es gibt Abo-Modelle, aber auch der Werbe­markt spielt eine große Rolle.

Die Produk­tion von Strea­ming-Inhalten wird dadurch ange­heizt. Das spüren in Deutsch­land auch die öffent­lich-recht­lichen Sender. Die 1920er Jahre-Krimi­serie "Babylon Berlin" von ARD, Sky und weiteren Part­nern verkaufte sich in mehr als 100 Länder.

Die neue ARD-Programm­direk­torin Chris­tine Strobl sagte unlängst im dpa-Inter­view: "'Babylon Berlin' war der erste Schritt hin zu inter­national konkur­renz­fähigen Serien-Projekten. Ich glaube, dass wir regel­mäßig diese Art von Programmen brau­chen." Die Serie habe geholfen für künf­tige inter­natio­nale Finan­zie­rungen. "Wenn Sie sagen: 'Wir haben 'Babylon Berlin' gemacht', dann hört Ihnen jemand in der Welt zu."

In der Nacht zu Dienstag gab es schon die nächsten Berichte: Amazon soll demnach über den Kauf des tradi­tions­rei­chen Holly­wood-Studios MGM verhan­deln. Mit der Über­nahme bekäme Amazon die James-Bond-Film­reihe sowie eine Biblio­thek aus mehr als 4000 Streifen wie "Rocky" und "Robocop". Über die Verhand­lungen speku­lierte unter anderem die New York Times.

"Le Pari­sien": "Erdbeben" in der Branche der audio­visu­ellen Medien

Die RTL Group ist in Frank­reich wie auch in Deutsch­land oder den Nieder­landen aktiv - und will jetzt diesen Weg einschlagen: Sie hält derzeit 48,3 Prozent der Anteile der fran­zösi­schen TV-Gruppe M6. Die RTL-Gruppe würde zunächst ihren gesamten Anteil in das neu fusio­nierte Unter­nehmen in Frank­reich einbringen und dann Anteile in Höhe von 641 Millionen Euro an TF1-Groß­aktionär Bouy­gues verkaufen - das wären 11 Prozent des neuen fusio­nierten Unter­neh­mens.

Am Ende wäre die RTL Group mit einem rund 16 Prozent großen Anteil als zweit­größter Aktionär an dem neuen Konzern betei­ligt - Bouy­gues hätte rund 30 Prozent und wäre exklu­siver Kontroll­aktionär, wie es weiter von den TV-Gruppen und den beiden großen Aktio­nären hieß.

Ziel ist es den Betei­ligten des Deals zufolge, ein Medi­enun­ter­nehmen zu schaffen, das im schärfer werdenden Wett­bewerb mit globalen Tech-Platt­formen bestehen kann. Die Regio­nal­zei­tung "Le Pari­sien" spricht von einem "Erdbeben" in der Branche der audio­visu­ellen Medien in Frank­reich.

Der neue Verbund wäre demnach im April zusammen auf Zuschau­eran­teile von zusammen 42,7 Prozent gekommen, weit vor France Télévisions mit 28 Prozent. Der neue Gigant würde über 70 Prozent des Werbe­marktes im fran­zösi­schen Fern­sehens abde­cken. Der Deal steht noch unter dem Vorbe­halt von regu­lato­rischen Geneh­migungen.

Der Umsatz des börsen­notierten Unter­neh­mens würde sich auf 3,4 Milli­arden Euro (pro-forma 2020) und der opera­tive Gewinn auf 461 Millionen Euro belaufen. Damit läge der fran­zösi­sche Medi­enriese im direkten Vergleich der Umsatz­zahlen vor der Medi­engruppe RTL Deutsch­land (Umsatz 2020: 2,13 Milli­arden Euro).

TVnow, Magenta TV und Joyn

In Deutsch­land inves­tiert die RTL Group mit Haupt­sitz in Luxem­burg und einem Jahres­gesamt­umsatz in 2020 von etwa 6,02 Milli­arden Euro zurzeit massiv in seine Strea­ming-Platt­form TVnow. Die Medi­engruppe RTL Deutsch­land ging zudem eine stra­tegi­sche Part­ner­schaft mit der Telekom und deren Strea­ming­bereich Magenta TV ein. Das beflü­gelte die Abon­nen­ten­zahlen.

Es ist auch eine engere Zusam­men­arbeit mit dem Hamburger Zeit­schrif­ten­verlag Gruner + Jahr geplant, der eben­falls zu Bertels­mann gehört. Vor allem bei den redak­tio­nellen Inhalten arbeiten die Häuser schon jetzt zusammen.

Auch Konkur­rent ProSiebenSat.1 inves­tiert in sein Strea­ming­angebot Joyn, das eine etwas andere Stra­tegie verfolgt und nicht in erster Linie auf Abo-Modelle setzt. Die Sender Sat.1 und ProSieben werden zudem neuer­dings von nur noch einem Sender­chef geführt, um Syner­gien bei den großen Enter­tain­ment-Marken zu schaffen.

Italie­nischer Medi­enkon­zern Mediaset

Die Medi­enbranche blickt seit Jahren auch gebannt auf den italie­nischen Medi­enkon­zern Mediaset von Silvio Berlus­coni, der als Groß­aktionär zuletzt wieder seine Anteile bei ProSiebenSat.1 aufstockte. Schon länger wird am Markt die Möglich­keit disku­tiert, ob Mediaset eine euro­paweite Fern­seh­allianz schaffen wolle.

WarnerMedia wird trotz Strea­ming für "Dekaden" an der Kino­aus­wer­tung fest­halten, unter­strich CEO Jason Kilar im Rahmen des MoffettNathanson Media & Commu­nica­tions Summit.

Mehr zum Thema Streaming