Prepaid-Registrierung: Recht auf Privatsphäre nicht verletzt
Die Registrierungspflicht für Prepaid-SIM-Karten verstößt nicht gegen Artikel 8 der europäischen Menschenrechtscharta, urteilte der EGMR
Foto: Picture Alliance / dpa
Heute hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR engl. ECHR) im Verfahren "Breyer gegen Deutschland" (Antrag Nr. 50001/12) die Klage mit 6:1 Stimmen abgewiesen.
Nach der Mehrheitsmeinung des Gerichts verstoßen die deutschen Prepaid-Registrierungs-Vorschriften nicht gegen Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Konvention über die Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Im dem Verfahren ging es um die Speicherung der Daten von Nutzern von Prepaid-SIM-Karten durch Telekommunikationsunternehmen.
Das Gericht stellte fest, dass die Erfassung der Namen und Adressen der Antragsteller als Benutzer von vorausbezahlten Prepaid-SIM-Karten "nur einen begrenzten Eingriff in ihre Rechte" darstellen würde. Das fragliche Gesetz enthalte zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, wo sich Betroffene an unabhängige Datenschutzbehörden wenden könnten. Deutschland habe die Grenzen seines Ermessensspielraums bei der Anwendung der Richtlinie nicht überschritten, so das Gericht. Es habe keine Verletzung der Rechte der Antragsteller durch die Datenerhebung gegeben.
Die Vorgeschichte
Die Registrierungspflicht für Prepaid-SIM-Karten verstößt nicht gegen Artikel 8 der europäischen Menschenrechtscharta, urteilte der EGMR
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Nach der Novellierung des deutschen Telekommunikationsgesetzes im Jahre 2004 mussten Unternehmen die persönlichen Daten aller ihrer Kunden speichern, einschließlich der Nutzer von Prepaid-SIM-Karten, was zuvor nicht erforderlich gewesen war. Die Antragsteller, Bürgerrechtsaktivisten und Kritiker der staatlichen Überwachung, waren
Nutzer solcher Karten und mussten ihre persönlichen Daten, wie z.B. Telefonnummer, Geburtsdatum sowie Name und Adresse bei den gewählten Dienstanbietern (Service-Providern/Netzbetreiber) registrieren lassen.
Erste Klagen 2005
Im Jahr 2005 reichten sie eine Verfassungsbeschwerde gegen verschiedene Abschnitte des Gesetzes ein, darunter die Paragrafen 111, 112 und 113, worin die Verpflichtung enthalten ist, diese Daten zu sammeln und den Behörden den Zugriff darauf zu ermöglichen, sowohl automatisch, als auch auf Anfrage.
Am 24. Januar 2012 stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass die monierten Bestimmungen mit dem Grundgesetz als "verhältnismäßig und gerechtfertigt" übereinstimmten.
Beschwerde beim EGMR im Jahre 2012
Die Antragsteller beschwerten sich über die Speicherung ihrer persönlichen Daten als Nutzer von Prepaid-SIM-Karten, unter Berufung auf Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz) und Artikel 10 (Meinungsfreiheit). Der Antrag wurde am 27. Juli 2012 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.
Das Urteil wurde von einer Kammer mit sieben Richtern aus Bulgarien (Vorsitz) Deutschland, Irland, Liechtenstein, Lettland, Aserbaidschan und Georgien gefällt.
Eine Einschätzung
Die Registrierungspflicht war gedacht, um mögliche Straftäter, die mit einer Prepaidkarte kommunizieren und sich zur Tat verabreden, einfacher finden zu können. Nur werden "schlaue" Straftäter bestimmt genau darauf achten, nur Karten zu verwenden, die nicht auf sie selbst registriert sind: Sei es, sie stammen noch aus der registrierungsfreien Zeit davor oder wurden "irgendwo" auf Flohmärkten oder im Internet erworben.
Die Registrierungspflicht hat dem Prepaid-Geschäft der Mobilfunkanbieter einen ziemlichen Dämpfer versetzt, weil eine solche Registrierung im Handyladen ziemlich zeitraubend ist und Geld kostet, was mit Prepaidkarten kaum wieder zu verdienen ist.
Wer sich auskennt, hat kaum Probleme
Wer ein topmodernes Smartphone mit guter Kamera hat, kann sich beispielsweise die Sofort-Ident-App der Deutschen Post herunterladen. Wenn es glatt läuft, ist die Videoverbindung zum Agenten stabil, kurz Personalausweis in die Kamera gehalten, gedreht und gewendet, ein paar Fragen beantwortet und das Thema ist durch. Gesamtdauer im Idealfall 15 Minuten (getestet mit Ortel Mobile). Wenn der Kartenanbieter "langsam" ist, kann es auch ein paar Stunden dauern.
Es trifft die Falschen
Nur trifft es - wie so oft - wieder die "schwächsten" Glieder der Gesellschaft. Menschen, die über kein Smartphone oder einen Computer mit Kamera und schneller Internetverbindung verfügen. Wer hat Lust, im Internetcafé die Karte anzumelden, dann das Formular auszudrucken, ein "Postamt" zu suchen, wo man sich persönlich identifizieren kann oder die Papiere per Briefpost fortzuschicken und auf Antwort (an welche Adresse?) zu warten? Auch zahlreiche Touristen aus Ländern, wo es gar keine strengen Melderichtlinien gibt, die also in ihrem Reisepass oder Ausweis beispielsweise gar keine Adresse drin stehen haben, bekommen möglicherweise Probleme.
Handyläden überfordert
Im Supermarkt oder Handyladen kann man kaum erwarten, auf ausgebildete Geografen zu stoßen, die jedes Land der Welt und seinen aktuellen politischen und rechtlichen Status kennen und wissen, wie das vorgelegte Ausweispapier zu behandeln ist. Ist der Ausweis des Kunden überwiegend in kyrillischer, griechischer, arabischer, thailändischer, chinesischer oder japanischer Schrift gedruckt, wird dieser Kunde vermutlich auch keine Karte registriert bekommen. Für den Händler ist und bleibt das Thema einfach nur lästig.
Ergo werden Touristen notgedrungen mit ihren heimischen Karten hier mehr Geld für Roaming ausgeben, als unbedingt notwendig wäre. Und die Leute, denen das "alles egal" ist, besorgen sich die Karte "irgendwo" und bleiben weiterhin nicht greifbar.
Merke: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.