Mega-Deal

Ein Jahr WhatsApp bei Facebook: Bleiben die Nutzerdaten getrennt?

Sagenhafte 22 Milliarden Dollar zahlte Facebook für den Kurzmitteilungs­dienst WhatsApp. Immer noch steht das Versprechen, dass die Daten der inzwischen 700 Millionen Nutzer nicht ausgewertet werden. Aber wie lange noch? Das fragen zumindest Daten­schützer.
Von dpa / Paulina Heinze

Logos Facebook und WhatsApp Ein Jahr nach Facebook-Deal: Wie unabhängig bleibt WhatsApp?
Bild: Whatsapp + Facebook / Montage teltarif
Es war ein Mega-Deal - doch WhatsApp-Mitgründer Jan Koum wollte die Dimension der gigantischen Offerte für den Kurz­mitteilungs­dienst herunter­spielen: "Letzte Woche habe ich eine Facebook-Freundschafts­anfrage angenommen", sagte der stets schüchtern wirkende Ukrainer vor einem Jahr. Es war die Untertreibung schlechthin. Das Geschäft, das am Ende knapp 22 Milliarden Dollar auf die Waage brachte, sicherte Facebook die Dominanz bei Messaging-Diensten - und dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Koum ein gewaltiges Vermögen. Die inzwischen 700 Millionen Nutzer bei WhatsApp merkten bisher kaum etwas vom Eigentümer­wechsel - bis vielleicht darauf, dass der Dienst seit dem Umzug auf die Facebook-Infrastruktur deutlich stabiler läuft.

Die große Frage steht aber weiter im Raum: Wie lange gilt das Versprechen von Jan Koum und Facebook-Chef Mark Zuckerberg, dass die Kundendaten von WhatsApp und Facebook unter dem gemeinsamen Konzern­dach nicht zusammen­gelegt werden? Es bleibe dabei, heißt es auf Anfragen immer wieder. WhatsApp behielt auch demonstrativ seinen Firmensitz außerhalb des Facebook-Geländes. Erst im Januar wiederholte der für Facebooks hauseigenen Kurzmitteilungs­dienst Messenger zuständige Top-Manager David Marcus: "Wir haben keine Pläne, die beiden Dienste zusammen­zuführen."

Keine saubere Trennung von Nutzerdaten

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Bild: Whatsapp + Facebook / Montage teltarif
Das Versprechen der getrennten Datensilos schaffte es aber nicht schwarz auf weiß in die gerade eben aktualisierten Datenschutz­regeln von Facebook. Dort heißt es generell, dass Daten zwischen verschiedenen Angeboten aus dem Hause Facebook ausgetauscht werden können. Prompt äußerte der Hamburger Daten­schutz­beauftragte Johannes Caspar die Befürchtung, dass Daten künftig "in großem Maßstab" auch zwischen Facebook und WhatsApp ausgetauscht werden könnten. WhatsApp betont weiterhin, möglichst wenig Daten über seine Nutzer zu sammeln, während Facebook davon lebt, Werbepartnern gezielten Zugang zu gewünschten Nutzer­gruppen zu gewähren.

Die Nutzer, von denen viele nach der Bekanntgabe von Facebooks Übernahme­plänen vor einem Jahr in heller Aufregung waren, scheinen sich für das Thema nicht besonders zu interessieren. Die erste Fluchtwelle, die konkurrierende Apps wie Threema an die Spitze der Download-Chats spülte, ebbte schnell ab. Das Wachstums­tempo bei WhatsApp nahm laut den wortkargen Mitteilungen von Koum keinen Schaden: 500 Millionen Nutzer im April, 600 Millionen im August, 700 Millionen im Januar. Das hat Tradition, denn schon in den ersten Jahren schreckten die regelmäßigen Warnungen vor Sicherheits­lücken die Kunden nicht ab. Inzwischen setzt WhatsApp sogar eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung um.

Facebook hat in seinem Messenger zusätzlich über eine halbe Milliarde Nutzer. Damit ist die Übermacht des weltgrößten Online-Netzwerks im Markt der Messaging­dienste komplett. In einigermaßen vergleichbare Dimensionen kommen kann vielleicht gerade noch Apple mit seiner SMS-Alternative iMessage, die auf allen Geräten des Konzerns zuschaltbar ist.

Neue Facebook-Messanger-Funktionen auch bei WhatsApp

Jan Koum Jan Koum
Bild: dpa
Laut Facebook-Manager Marcus können WhatsApp und der Messenger ganz gut voneinander profitieren, auch ohne Nutzerdaten auszutauschen. Man tausche sich nur regelmäßig über die Strategie aus. "Außerdem ist vereinbart, dass einige neue Funktionen, die wir testen, mit der Zeit bei WhatsApp integriert werden könnten." Das solle auch bei anstehenden Projekten zum Geldverdienen der Fall sein. Der Plan sei generell, beim Messenger stärker auf Multimedia-Funktionen zu setzen, während WhatsApp seine schlanke Struktur behalten soll. Koums ursprüngliche Idee war, WhatsApp mit einer Abo-Gebühr von einem Dollar pro Jahr zu finanzieren - was bei hunderten Millionen Nutzern auch einiges an Geld abgeworfen hätte.

Was aussteht, ist noch die von Koum ebenfalls vor einem Jahr angekündigte Sprach­telefonie über WhatsApp. Im Internet tauchten vor kurzem Berichte von Nutzern auf, die eine solche Funktion in ihren Apps auf der Android-Plattform vorgefunden hätten.

Das wäre der nächste Schritt in einer Entwicklung, in der die Macht von den Netzbetreibern zu Internet-Diensten übergeht. Nachdem ihr eigener SMS-Nachfolger Joyn von WhatsApp und Co. in die Bedeutungs­losigkeit verbannt wurde, könnte das auch die Abwanderung des klassischen Telefon­gesprächs beschleunigen. Und das, während sich die Mobilfunk-Konzerne schon seit Jahren darüber beschweren, dass die Internet-Firmen Geld in ihren Netzen verdienen, ohne an den Kosten für den Aufbau der Infrastruktur teilzuhaben. Facebook kontert, die Online-Dienste machten einen mobilen Daten­vertrag erst attraktiv.

Der 38-jährige Koum, der als Teenager mit seiner Mutter in die USA kam und in armen Verhältnissen aufwuchs, kann mit dem WhatsApp-Verkauf als Inbegriff des amerikanischen Traums gelten. Er bekam bei Abschluss der Übernahme im Oktober Facebook-Aktien im Wert von knapp zwei Milliarden Dollar. Als symbolische Geste unterzeichnete er die Verkaufs­papiere auf den Stufen des Gebäudes, in dem er einst mit Lebensmittel-Karten der Sozialbehörde anstand.

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