0700: Muss die Telekom Auslands-Anrufe weiterleiten?
Die persönliche Rufnummer "0700" leidet seit dem Ausstieg der Deutschen Telekom unter einem gewaltigen Handicap. Zwar gibt es unzählige kleine Anbieter, die teilweise zu weitaus günstigeren Preisen als die Telekom eine 0700-Rufnummer schalten und betreuen. Wer auf Anrufe aus dem Ausland hofft, hofft oft vergebens.
Solche Anrufe werden beispielsweise mit dem Hinweis: "Die gewählte Rufnummer ist nicht vergeben" oder "Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar" oder mit Verbindungsabbruch oder dauerhaft besetzt quittiert.
Telekom sieht seit 2006 keine Pflicht mehr
Anrufe zu 0700 kosten seit 1. Dezember maximal 9 Cent. Anrufe aus dem Ausland mag die Deutsche Telekom nicht zustellen
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Die Deutsche Telekom betont auf Nachfrage von teltarif.de, dass sie Transitleistungen mit internationalem Ursprung zu 0700er-Rufnummern schon
seit 2006 nicht mehr anbietet, nachdem die Regulierungsbehörde diese Leistung aus der Zugangsregulierung entlassen hatte.
Man begründet das mit dem geringen Verkehrsaufkommen, dem "ein unverhältnismäßig hoher Angebotsaufwand" gegenüber stehe, sodass die Deutsche Telekom aktuell kein derartiges Transitangebot plane. Neben der Deutschen Telekom seien aber alternative internationale Transitanbieter am Markt, die solche Verkehre ebenso zuführen könnten.
Die sind aber offenbar international nicht so gut vernetzt, dass sie alle ankommenden Anrufe auffangen könnten. Wer bei der Telekom landet, wird "abgeworfen", wie das im Technik-Jargon heißt.
Könnte eine Flatrate zu 0700 das Problem lösen?
Selbst wenn die Vorwahl 0700 in einer Festnetz-Flatrate integriert werden würde, würde sich das Problem nach Ansicht der Telekom nicht lösen, denn: "Die mit den 0700er-Rufnummern verknüpften Zusatzmerkmale führen zu einer erhöhten Auszahlung auf Vorleistungsebene an die 0700er-Anbieter, sodass eine Einbeziehung in Flatrate-Tarife gegenüber Endkunden keine Option darstellt."
Sprich: Die 0700-Anbieter bekommen für die zugestellten Anrufe offenbar mehr Geld, als für einen Anruf an eine "normale" Rufnummer im Festnetz. Den Schritt, die 0700-Rufnummer den "normalen" Rufnummern gleichzustellen, wollte offenbar keiner gehen, weil die Verwaltung und Schaltung dieser Nummern einen gewissen Mehr-Aufwand darstellt.
Eine Integration der 0700-Rufnummern in Flatrates scheint folglich den Experten der Telekom nicht der richtige Weg zu sein, denn der damit einhergehende Verlust der Anruferentgelte würde die wirtschaftliche Attraktivität der Gasse 0700 für die verbleibenden Anbieter weiter reduzieren, findet man in Bonn und sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit den Ausstieg weiterer Anbieter und drastisch steigende Preise für die Inhaber der 0700-Rufnummern.
Die Argumentation ist sogar nachvollziehbar: Bislang ist es möglich, dass die Hoster von 0700-Rufnummer ihren Kunden einen Teil der ankommenden Interconnect-Entgelte auszahlen. Damit sollen die Inhaber der Nummer motiviert werden, mehr Traffic auf die 0700-Rufnummer zu lenken, etwa durch intensive Bewerbung dieser Rufnummer auf Briefpapier, in Zeitungsanzeigen oder Radio- und TV-Werbung.
Das mögen zwar pro Anruf nur Bruchteil-Beträge von wenigen Cent sein, aber in der großen Menge bleibt da am Ende schon etwas übrig. So finanzieren populäre Radio-Sender ihre Gewinnspiele über 0180-Rufnummern, wo vor dem 1. Dezember 2021 teilweise bis zu fünf Cent pro Minute ausbezahlt wurden.
Neue Gesetzeslage könnte Änderung erzwingen
Doch inzwischen gilt der europäische Telekommunikations-Codex. Die Antwort der parallel informierten Bundesnetzagentur ist aufschlussreich: "Die Problematik ist der Bundesnetzagentur bekannt", schrieb uns die oberste Fernmeldebehörde und weiß, dass derzeit geprüft wird, ob "über eine Regelung zur sogenannten "Any-to-Any-Kommunikation" nach § 108 Absatz 5 des neuen Telekommunikationsgesetzes, die am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, und eine analoge Regelung in Artikel 97 Absatz 1 des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation eine Lösung herbeigeführt werden kann." Soll heißen, dann könnte die Telekom unter Umständen doch dazu verpflichtet werden, diese Verkehre wieder zuzustellen. Ob das so ausgeht, möchte die Bundesnetzagentur aktuell noch nicht sagen, weil die Prüfung noch laufe. Sie fügte aber die entsprechenden Vorschriften bei.
Neues TKG setzt europäische Vorgaben um
Demnach muss die Bundesnetzagentur, "sofern der angerufene Endnutzer Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten nicht aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat", die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass 1. die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Europäischen Union zu erreichen und zu nutzen und 2. die Endnutzer in der Lage sind, unabhängig von der vom Betreiber verwendeten Technologie und der von ihm genutzten Geräte alle in der Europäischen Union bestehenden Rufnummern, einschließlich der Nummern in den nationalen Nummernplänen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie universeller internationaler gebührenfreier Rufnummern, zu erreichen."
Und im Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation "stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden oder anderen zuständigen Behörden im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten, sofern der angerufene Endnutzer nicht Anrufe aus bestimmten geografischen Gebieten aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt hat, alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass a) die Endnutzer in der Lage sind, Dienste unter Verwendung geografisch nicht gebundener Nummern in der Union zu erreichen und zu nutzen, und b) die Endnutzer in der Lage sind, unabhängig von der vom Betreiber verwendeten Technologie und der von ihm genutzten Geräte alle in der Union bestehenden Rufnummern, einschließlich der Nummern in den nationalen Nummerierungsplänen der Mitgliedstaaten sowie universeller internationaler gebührenfreier Rufnummern (UIFN) zu erreichen."
Was das bedeuten könnte
Das bedeutet vermutlich: Ein Angerufener 0700- (oder 0800 oder 00800 etc.) Teilnehmer kann sagen, "ich will von dort keine Anrufe, weil mir das zu teuer ist", die Telefongesellschaft kann das Zustellen aber nicht verweigern, darf dafür aber extra Geld verlangen.
Einerseits ist das Argument der Telekom "Leute, das lohnt sich doch gar nicht", nicht ganz von der Hand zu weisen. Andererseits ist die Deutsche Telekom was internationalen Verkehr betrifft, sicherlich weiterhin "marktmächtig" und muss damit rechnen, dass der Regulierer sich das Thema genauer anschaut.
Die Telekom könnte dann dazu verpflichtet werden, darf dann aber für die Weiterleitung vom Hoster und damit indirekt vom 0700-Kunden eine Gebühr verlangen, die pro Minute bei wenigen Cent liegen könnte. Dann hat der 0700-Kunde wiederum das Recht, diese Gebühr zu akzeptieren (und wäre international wieder erreichbar) oder nicht, dann bliebe es beim bestehenden Zustand.
Sicherheitshalber zwei Nummern angeben
Bis das Thema geklärt ist, sollten Inhaber von 0700-Rufnummern in ihrer Kommunikation sicherheitshalber noch parallel eine "normale" Rufnummer (aus dem regulären Festnetz oder Mobilfunk) nennen, um auch international erreichbar zu bleiben. Die Idee der persönlichen Rufnummer war eigentlich eine andere.