Telekom beendet 0700-Rufnummern-Hosting
Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten.
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Es war eigentlich ein naheliegender Gedanke: Eine Rufnummer auf Lebenszeit, die man auf einem Festnetzanschluss, einem Handy oder montags hier oder Sonntags da oder nach Uhrzeit steuern konnte und das für Jedermann. Die Vorwahl 0700 wurde geboren.
Start war Fehlkonstruktion
Doch der Start ab dem Jahre 1998 war eine Fehlkonstruktion. Denn jede Telefongesellschaft konnte selbst entscheiden, zu welchen Preisen sie zu 0700 verbinden wollte. Die Preise reichen heute von 6 Cent pro Minute (zur Nebenzeit) über 12 Cent (zur Hauptzeit) aus dem Festnetz der Telekom bis hin zu 69 Cent pro Minute aus verschiedenen Mobilfunknetzen, teilweise im 60-Sekunden-Takt. Der nicht mehr existierende Anbieter E-Plus verlangte bis zu seinem Ende sogar 99 Cent pro Minute (Minutentakt) ohne rot zu werden.
0180 ist geregelt, 0700 nicht
Zwar wurde bei vielen Sondernummern und den damit verbundenen teuren Warteschleifen amtlich eingegriffen, was zum weitgehenden Verschwinden der lange Zeit bei Hotlines beliebten Vorwahl 0180 geführt hat. Nur bei 0700 fehlt bis heute eine verbindliche Regulierung.
So müsste man regulieren, dass 0700 kostenseitig mit Verbindungen zu regulären Rufnummern im Festnetz gleichzustellen ist. Dann wäre für die Anrufer alles prima, bis auf wenige Anbieter, die ihren Kunden eine "Auszahlung" versprochen haben, wenn die Anrufe über die 0700-Rufnummer reinkommen. Das Verdienen an ankommenden Anrufen ist ein Geschäftsmodell bei TV-Spielshows oder "kostenlosen" Konzerten im Radio, die Auszahlungen reichen von 2 bis 5 Cent die Minute. TV-Sender nehmen gerne die dafür vorgesehene Vorwahl 0137.
Nur noch wenige Anbieter von 0700-Rufnummern
Die Zahl der Anbieter, bei denen man eine 0700-Rufnummer schalten lassen konnte, ist in den letzten Jahren stark gesunken. Nun wurde eher zufällig bekannt, dass der größte Anbieter im Markt, die Deutsche Telekom, sich vom Angebot von 0700-Rufnummern für ihre Kunden bis zum Jahresende trennen will.
Vorwahl 0700 bleibt erhalten, aber...
Der Ausstieg der Telekom bedeutet nicht, dass die Vorwahl 0700 generell abgeschaltet wird, sondern nur, dass die Deutsche Telekom selbst ihren Kunden keine 0700-Rufnummern mehr zur Verfügung stellen will. Von der Mehrwertdienste-Vorwahl 0900 hatte sich die Telekom schon im Jahre 2011 getrennt, weiterhin wird sie wohl die Vorwahlen 0800 und 00800 anbieten (hier der Anrufer zahlt nichts, der Angerufene dafür alles).
Ende "aus wirtschaftlichen Gründen"
Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten.
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Die Telekom habe sich entschlossen, so wurde es uns von der Telekom-Pressestelle auf Anfrage bestätigt, den Service 0700 aus wirtschaftlichen Gründen zum 30. November 2020 einzustellen und werde daher die Verträge über die bei ihr geschalteten 0700-Rufnummern mit Wirkung zum 30. November 2020 kündigen. Den Kunden stehe es frei, auf Servicenummern anderer Gassen zu wechseln oder ihre 0700-Rufnummern zu einem anderen Anbieter zu portieren.
Erreichbarkeit von +49 700 gewährleistet?
Bei früheren Recherchen zu diesem Thema hatte uns ein Anbieter darauf aufmerksam gemacht, dass er leider nicht garantieren könne, dass Anrufe aus dem Ausland zu einer deutschen +49 700 Rufnummer zuverlässig bei ihm ankommen würden. Die Deutsche Telekom habe ihm die Zuführung dieser Anrufe verweigert und erklärt, der Anbieter müsse selbst mit allen Carriern der Welt, die Telefongespräche nach Deutschland hinein vermitteln, entsprechende Interconnect-Verträge verhandeln.
Das war ein entscheidender Grund für qualitätsbewusste Kunden, die Wert auf eine zuverlässige Erreichbarkeit legen, ihre Nummer ganz bewusst bei der Telekom hosten ließen. "Ihre Befürchtung, dass 0700-Rufnummern nach der Portierung zu einem anderen Anbieter nicht aus allen deutschen Netzen erreichbar sein sollen, teilen wir nicht. Die entsprechenden Netzbetreiber müssen ja nur durch entsprechende Interconnection-Vereinbarungen sicherstellen, dass alle anderen deutschen Netzbetreiber ihnen Verkehr zu 0700-Rufnummern zuführen" antwortete Telekom auf unsere Frage, zu internationalen Verbindungen sagte sie nichts.
Sprachbox verschwindet schon im Juni
Aus technischen Gründen wird die Telekom die "0700-Box", das ist eine Sprachbox (Anrufbeantworter) speziell für 0700-Rufnummern – bereits zum 30. Juni 2020 einstellen. Diejenigen Kunden, welche die 0700-Box nutzen, seien darüber bereits informiert worden, hieß es aus Bonn. Auch diese Kunden könnten ihre 0700-Rufnummer – ohne die 0700-Box – bis zum 30. November 2020 noch weiter über die Telekom nutzen. Offenbar kam die Kündigung aber noch nicht bei allen betroffenen Kunden an.
Bei Anbieterwechsel nicht selbst kündigen!
Selbstverständlich stehe es allen 0700-Kunden der Telekom frei, den Vertrag über ihre 0700-Rufnummer unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu einem früheren Termin als dem 30. November 2020 zu kündigen und ihre Rufnummer zu portieren, schlug die Telekom abschließend vor. Wer seine 0700-Rufnummer von der Telekom zu einem anderen Anbieter unterbrechungsfrei portieren möchte, muss folgendes beachten: Die Rufnummer nicht bei der Telekom kündigen, sondern beim neuen Anbieter einen Auftrag erteilen. Der neue Anbieter "holt" sich dann die Rufnummer bei der Telekom ab und kündigt dort im Auftrag des Kunden.
Wer bietet noch 0700 Rufnummern an?
Erste Recherchen ergaben, dass es im Augenblick nur noch zwei Anbieter zu geben scheint, bei denen Interessenten eine 0700-Rufnummer schalten oder hinportieren lassen können. Das ist der Anbieter AS-Infodienste, wobei AS für Andreas Schlacht steht. Das ist ein kleines Unternehmen aus Mülheim an der Ruhr, das seit vielen Jahren im Markt tätig ist. "Wir sind mit der 0700-Rufnummer groß geworden", erklärte uns Firmenchef und Gründer Schlacht dazu. Der Betrieb einer 0700-Rufnummer kostet dort - ähnlich wie bei der Telekom bis zuletzt - 7,74 Euro im Monat. Die Aktivierung an sich ist kostenlos, wenn der Kunde einen Zugang zu Webstatistiken oder einem Anrufmanager im Web wünscht, werden einmalig 22,61 Euro fällig. Ankommende Anrufe, die zu Festnetzrufnummern weitergeleitet werden, sind kostenlos. Weiterleitungen zu Mobilfunk (22 Cent/Minute) oder ins Ausland kosten Geld.
Der zweite Anbieter ist die B A J GmbH, als Abkürzung des Firmenchefs Stephan Bajewski. Das Unternehmen mit Sitz in Essen bietet die Schaltung der Rufnummer für 5,95 Euro im Monat an. Dort kann auf maximal 9 nationale Festnetznummern über ein Web-Login für beliebig viele Zielnummernänderungen und Statistik-Abfragen zugegriffen werden. Es gibt keine Einrichtungskosten, keinen Mindestumsatz und keine Portierungsgebühren. Ein Tarifwechsel oder eine Kündigung ist mit einer Frist von 4 Tagen zum Monatsende möglich.
Ankommende Anrufe auf der 0700-Rufnummer sind bei BAJ kostenfrei, wenn sie auf einer deutschen Festnetzrufnummer terminieren, zu Mobilfunk werden 23 Cent pro Minute (alle Netze) berechnet, Weiterleitungen ins Ausland kosten ebenfalls extra. Für Firmen kann auch ein Büro-Service, ein Faxgerät oder weitere Dienste gegen Aufpreis nachgeschaltet werden. Anrufe aus dem Ausland zu 0700 kann auch BAJ nicht garantieren, "es kann funktionieren, muss aber nicht", verriet uns Firmenchef Bajewksi auf Anfrage.
Wo bekomme ich eine 0700-Rufnummer?
Wer noch keine 0700-Rufnummer hat, kann diese beim eigenen Anbieter oder direkt bei der Bundesnetzagentur beantragen. Die Zuteilung der Rufnummer kostet einmalig 62,50 Euro, die an die Bundesnetzagentur zu bezahlen sind. Die Nummer muss binnen sechs Monaten (180 Tage) nach Erteilung "terminiert", also angeschlossen und erreichbar sein, sonst kann die Netzagentur diese Rufnummer wieder einziehen.
Persönliche Anmerkung
Der Autor erhielt von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) dem Vorläufer der heutigen Bundesnetzagentur im März 2000 eine 0700-Rufnummer zugeteilt, da er die Möglichkeiten der flexible Konfiguration (Abarbeiten von Ketten, Zielrufnummer nach Wochentag oder Uhrzeit) sehr schätzt. Diese 0700-Rufnummer ist eine leicht merkbare Vanity-Rufnummer.
Das Interesse an 0700-Rufnummern wäre heute sicherlich viel höher, wenn der Preis für einen Anruf 0700 analog zu 0180 gedeckelt wäre oder den gleichen Preis wie ein Anruf zu Mobilfunk oder noch besser zu regulären Festnetz-Rufnummern kosten dürfte. Das wurde von der Politik bis heute versäumt.
Update: Es hat sich eine Interessengemeinschaft der 0700-Nutzer gebildet, die eine gesetzliche Deckelung des Anrufpreises zu 0700 fordert, um die Attraktivität dieser Nummern zu erhöhen.