Kein An-Schluss

Telekom beendet 0700-Rufnummern-Hosting

Vor 20 Jahren star­tete der Dienst "persön­liche Rufnummer" unter der Vorwahl 0700. Der größte Anbieter solcher Rufnum­mern, die Telekom gibt jetzt "aus wirt­schaft­li­chen Gründen" auf.
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Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten. Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten.
Foto: contrastwerkstatt-fotolia.com, Logo: Telekom, Montage: teltarif.de
Es war eigent­lich ein nahe­lie­gender Gedanke: Eine Rufnummer auf Lebens­zeit, die man auf einem Fest­netz­an­schluss, einem Handy oder montags hier oder Sonn­tags da oder nach Uhrzeit steuern konnte und das für Jeder­mann. Die Vorwahl 0700 wurde geboren.

Start war Fehl­kon­struk­tion

Doch der Start ab dem Jahre 1998 war eine Fehl­kon­struk­tion. Denn jede Tele­fon­ge­sell­schaft konnte selbst entscheiden, zu welchen Preisen sie zu 0700 verbinden wollte. Die Preise reichen heute von 6 Cent pro Minute (zur Neben­zeit) über 12 Cent (zur Haupt­zeit) aus dem Fest­netz der Telekom bis hin zu 69 Cent pro Minute aus verschie­denen Mobil­funk­netzen, teil­weise im 60-Sekunden-Takt. Der nicht mehr exis­tie­rende Anbieter E-Plus verlangte bis zu seinem Ende sogar 99 Cent pro Minute (Minu­ten­takt) ohne rot zu werden.

0180 ist gere­gelt, 0700 nicht

Zwar wurde bei vielen Sonder­num­mern und den damit verbun­denen teuren Warte­schleifen amtlich einge­griffen, was zum weit­ge­henden Verschwinden der lange Zeit bei Hotlines beliebten Vorwahl 0180 geführt hat. Nur bei 0700 fehlt bis heute eine verbind­liche Regu­lie­rung.

So müsste man regu­lieren, dass 0700 kosten­seitig mit Verbin­dungen zu regu­lären Rufnum­mern im Fest­netz gleich­zu­stellen ist. Dann wäre für die Anrufer alles prima, bis auf wenige Anbieter, die ihren Kunden eine "Auszah­lung" verspro­chen haben, wenn die Anrufe über die 0700-Rufnummer rein­kommen. Das Verdienen an ankom­menden Anrufen ist ein Geschäfts­mo­dell bei TV-Spiel­shows oder "kosten­losen" Konzerten im Radio, die Auszah­lungen reichen von 2 bis 5 Cent die Minute. TV-Sender nehmen gerne die dafür vorge­se­hene Vorwahl 0137.

Nur noch wenige Anbieter von 0700-Rufnum­mern

Die Zahl der Anbieter, bei denen man eine 0700-Rufnummer schalten lassen konnte, ist in den letzten Jahren stark gesunken. Nun wurde eher zufällig bekannt, dass der größte Anbieter im Markt, die Deut­sche Telekom, sich vom Angebot von 0700-Rufnum­mern für ihre Kunden bis zum Jahres­ende trennen will.

Vorwahl 0700 bleibt erhalten, aber...

Der Ausstieg der Telekom bedeutet nicht, dass die Vorwahl 0700 gene­rell abge­schaltet wird, sondern nur, dass die Deut­sche Telekom selbst ihren Kunden keine 0700-Rufnum­mern mehr zur Verfü­gung stellen will. Von der Mehr­wert­dienste-Vorwahl 0900 hatte sich die Telekom schon im Jahre 2011 getrennt, weiterhin wird sie wohl die Vorwahlen 0800 und 00800 anbieten (hier der Anrufer zahlt nichts, der Ange­ru­fene dafür alles).

Ende "aus wirt­schaft­li­chen Gründen"

Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten. Die Deutsche Telekom will ihren Kunden ab Jahresende keine 0700-Rufnummern mehr anbieten.
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Die Telekom habe sich entschlossen, so wurde es uns von der Telekom-Pres­se­stelle auf Anfrage bestä­tigt, den Service 0700 aus wirt­schaft­li­chen Gründen zum 30. November 2020 einzu­stellen und werde daher die Verträge über die bei ihr geschal­teten 0700-Rufnum­mern mit Wirkung zum 30. November 2020 kündigen. Den Kunden stehe es frei, auf Service­num­mern anderer Gassen zu wech­seln oder ihre 0700-Rufnum­mern zu einem anderen Anbieter zu portieren.

Erreich­bar­keit von +49 700 gewähr­leistet?

Bei früheren Recher­chen zu diesem Thema hatte uns ein Anbieter darauf aufmerksam gemacht, dass er leider nicht garan­tieren könne, dass Anrufe aus dem Ausland zu einer deut­schen +49 700 Rufnummer zuver­lässig bei ihm ankommen würden. Die Deut­sche Telekom habe ihm die Zufüh­rung dieser Anrufe verwei­gert und erklärt, der Anbieter müsse selbst mit allen Carriern der Welt, die Tele­fon­ge­spräche nach Deutsch­land hinein vermit­teln, entspre­chende Inter­con­nect-Verträge verhan­deln.

Das war ein entschei­dender Grund für quali­täts­be­wusste Kunden, die Wert auf eine zuver­läs­sige Erreich­bar­keit legen, ihre Nummer ganz bewusst bei der Telekom hosten ließen. "Ihre Befürch­tung, dass 0700-Rufnum­mern nach der Portie­rung zu einem anderen Anbieter nicht aus allen deut­schen Netzen erreichbar sein sollen, teilen wir nicht. Die entspre­chenden Netz­be­treiber müssen ja nur durch entspre­chende Inter­con­nec­tion-Verein­ba­rungen sicher­stellen, dass alle anderen deut­schen Netz­be­treiber ihnen Verkehr zu 0700-Rufnum­mern zuführen" antwor­tete Telekom auf unsere Frage, zu inter­na­tio­nalen Verbin­dungen sagte sie nichts.

Sprachbox verschwindet schon im Juni

Aus tech­ni­schen Gründen wird die Telekom die "0700-Box", das ist eine Sprachbox (Anruf­be­ant­worter) speziell für 0700-Rufnum­mern – bereits zum 30. Juni 2020 einstellen. Dieje­nigen Kunden, welche die 0700-Box nutzen, seien darüber bereits infor­miert worden, hieß es aus Bonn. Auch diese Kunden könnten ihre 0700-Rufnummer – ohne die 0700-Box – bis zum 30. November 2020 noch weiter über die Telekom nutzen. Offenbar kam die Kündi­gung aber noch nicht bei allen betrof­fenen Kunden an.

Bei Anbie­ter­wechsel nicht selbst kündigen!

Selbst­ver­ständ­lich stehe es allen 0700-Kunden der Telekom frei, den Vertrag über ihre 0700-Rufnummer unter Einhal­tung der Kündi­gungs­frist zu einem früheren Termin als dem 30. November 2020 zu kündigen und ihre Rufnummer zu portieren, schlug die Telekom abschlie­ßend vor. Wer seine 0700-Rufnummer von der Telekom zu einem anderen Anbieter unter­bre­chungs­frei portieren möchte, muss folgendes beachten: Die Rufnummer nicht bei der Telekom kündigen, sondern beim neuen Anbieter einen Auftrag erteilen. Der neue Anbieter "holt" sich dann die Rufnummer bei der Telekom ab und kündigt dort im Auftrag des Kunden.

Wer bietet noch 0700 Rufnum­mern an?

Erste Recher­chen ergaben, dass es im Augen­blick nur noch zwei Anbieter zu geben scheint, bei denen Inter­es­senten eine 0700-Rufnummer schalten oder hinpor­tieren lassen können. Das ist der Anbieter AS-Info­dienste, wobei AS für Andreas Schlacht steht. Das ist ein kleines Unter­nehmen aus Mülheim an der Ruhr, das seit vielen Jahren im Markt tätig ist. "Wir sind mit der 0700-Rufnummer groß geworden", erklärte uns Firmen­chef und Gründer Schlacht dazu. Der Betrieb einer 0700-Rufnummer kostet dort - ähnlich wie bei der Telekom bis zuletzt - 7,74 Euro im Monat. Die Akti­vie­rung an sich ist kostenlos, wenn der Kunde einen Zugang zu Websta­tis­tiken oder einem Anruf­ma­nager im Web wünscht, werden einmalig 22,61 Euro fällig. Ankom­mende Anrufe, die zu Fest­netz­ruf­num­mern weiter­ge­leitet werden, sind kostenlos. Weiter­lei­tungen zu Mobil­funk (22 Cent/Minute) oder ins Ausland kosten Geld.

Der zweite Anbieter ist die B A J GmbH, als Abkür­zung des Firmen­chefs Stephan Bajewski. Das Unter­nehmen mit Sitz in Essen bietet die Schal­tung der Rufnummer für 5,95 Euro im Monat an. Dort kann auf maximal 9 natio­nale Fest­netz­num­mern über ein Web-Login für beliebig viele Ziel­num­mern­än­de­rungen und Statistik-Abfragen zuge­griffen werden. Es gibt keine Einrich­tungs­kosten, keinen Mindest­um­satz und keine Portie­rungs­ge­bühren. Ein Tarif­wechsel oder eine Kündi­gung ist mit einer Frist von 4 Tagen zum Monats­ende möglich.

Ankom­mende Anrufe auf der 0700-Rufnummer sind bei BAJ kosten­frei, wenn sie auf einer deut­schen Fest­netz­ruf­nummer termi­nieren, zu Mobil­funk werden 23 Cent pro Minute (alle Netze) berechnet, Weiter­lei­tungen ins Ausland kosten eben­falls extra. Für Firmen kann auch ein Büro-Service, ein Faxgerät oder weitere Dienste gegen Aufpreis nach­ge­schaltet werden. Anrufe aus dem Ausland zu 0700 kann auch BAJ nicht garan­tieren, "es kann funk­tio­nieren, muss aber nicht", verriet uns Firmen­chef Bajewksi auf Anfrage.

Wo bekomme ich eine 0700-Rufnummer?

Wer noch keine 0700-Rufnummer hat, kann diese beim eigenen Anbieter oder direkt bei der Bundes­netz­agentur bean­tragen. Die Zutei­lung der Rufnummer kostet einmalig 62,50 Euro, die an die Bundes­netz­agentur zu bezahlen sind. Die Nummer muss binnen sechs Monaten (180 Tage) nach Ertei­lung "termi­niert", also ange­schlossen und erreichbar sein, sonst kann die Netz­agentur diese Rufnummer wieder einziehen.

Persön­liche Anmer­kung

Der Autor erhielt von der Regu­lie­rungs­be­hörde für Tele­kom­mu­ni­ka­tion und Post (RegTP) dem Vorläufer der heutigen Bundes­netz­agentur im März 2000 eine 0700-Rufnummer zuge­teilt, da er die Möglich­keiten der flexible Konfi­gu­ra­tion (Abar­beiten von Ketten, Ziel­ruf­nummer nach Wochentag oder Uhrzeit) sehr schätzt. Diese 0700-Rufnummer ist eine leicht merk­bare Vanity-Rufnummer.

Das Inter­esse an 0700-Rufnum­mern wäre heute sicher­lich viel höher, wenn der Preis für einen Anruf 0700 analog zu 0180 gede­ckelt wäre oder den glei­chen Preis wie ein Anruf zu Mobil­funk oder noch besser zu regu­lären Fest­netz-Rufnum­mern kosten dürfte. Das wurde von der Politik bis heute versäumt.

Update: Es hat sich eine Inter­es­sen­ge­mein­schaft der 0700-Nutzer gebildet, die eine gesetz­liche Decke­lung des Anruf­preises zu 0700 fordert, um die Attrak­ti­vität dieser Nummern zu erhöhen.

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