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0700: Beliebter durch Flatrate?

Weil Anrufe zu 0700-Nummern so teuer sind, werden die Nummern kaum ange­wählt. Ergo wollen viele Anbieter aussteigen. Eine Flat­rate könnte es richten, sagt die IG0700, die Anbieter fürchten um Einnahmen.
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Die Bundesnetzagentur kann bei 0700 ohne gesetzliche Grundlage nicht eingreifen. Die Bundesnetzagentur kann bei 0700 ohne gesetzliche Grundlage nicht eingreifen.
Foto: Picture Alliance / dpa / Montage: teltarif.de
Die ange­kün­digte Aufgabe des Hostings von 0700-Rufnum­mern hat neues Leben in eine lange im Verbor­genen geführte Diskus­sion einge­haucht.

Große Reso­nanz

Die Bundesnetzagentur kann bei 0700 ohne gesetzliche Grundlage nicht eingreifen. Die Bundesnetzagentur kann bei 0700 ohne gesetzliche Grundlage nicht eingreifen.
Foto: Picture Alliance / dpa / Montage: teltarif.de
So erntete die IG0700, die sich für die Einbe­zie­hung von 0700-Rufnum­mern in die heut­zu­tage überall übli­chen Flat­rate-Tarife einsetzt, große Reso­nanz und hat verschie­dene, mit dem Thema TK-Regu­lie­rung befasste Poli­tiker ange­schrieben.

Parallel dazu hat sich teltarif.de in der Branche umge­hört und auch die Bundes­netz­agentur dazu befragt.

123.000 verge­bene Nummern, nur 15.000 ange­schlossen?

Laut eigener Statistik hat die Bundes­netz­agentur rund 123.000 Rufnum­mern mit der Vorwahl 0700 vergeben. Diese Zahl beein­druckt, doch dem Vernehmen nach sollen nur etwa 15.000 Nummern wirk­lich "scharf geschaltet" sein, wobei sich die Deut­sche Telekom und der Anbieter 1&1 in etwa den glei­chen Markt­an­teil "teilen". Ein wesent­lich klei­nerer Anteil liegt bei anderen TK-Anbie­tern.

Geschal­tete Nummern kaum aktiv?

Nur ein Drittel der erreichbar geschal­teten Rufnum­mern werde im weitesten Sinne "aktiv" genutzt. Dazu hat ein Markt­teil­nehmer alle seine eigenen Rufnum­mern gezählt, zu denen es in den letzten drei Wochen mindes­tens einen einzigen Anruf­ver­such gegeben hat. Von den rund 15.000 geschal­teten Rufnum­mern dürften, so seine Einschät­zung, höchsten 5000 wirk­lich aktiv genutzt werden.

Sowohl die Zahl der geschal­teten als auch die der aktiv genutzten 0700-Rufnum­mern sei seit Jahren deut­lich rück­läufig, genauso das darüber laufende Verkehrs­auf­kommen.

Jahre­lang stabil

Prin­zi­piell liefen die instal­lierten Vermitt­lungs-Systeme für die Vorwahl 0700 nahezu wartungs- und störungs­frei. Nun stehen aber bei einigen Markt­teil­neh­mern Inves­ti­tionen und Erneue­rungen der Infra­struktur (Stich­wort IP-Welt) an. Diese würden "empfind­lich" viel Geld kosten. Es wurde geprüft und gerechnet, sollten wir die Preise ändern? Am Ende hieß es für viele Anbieter: "Das lohnt sich eigent­lich nicht".

Sind Flat­rates eine Lösung?

Auch die Inte­gra­tion der 0700-Rufnum­mern in Flat­rates sei wohl bei verschie­denen Spie­lern intensiv disku­tiert worden. Man habe Angst vor einem weiteren Verlust von Anru­fer­ent­gelten. Denn: Wenn ein Kunde eine Flat­rate hat, zahlt er seiner eigenen Gesell­schaft nur einen festen Betrag X, egal ob er 1 Minute, 100 Minuten oder 1000 Minuten tele­fo­niert. Die Tele­fon­ge­sell­schaften rechnen aber unter­ein­ander nicht flat, sondern nach erfolgten Verbin­dungs-Sekunden ab. Bei der Einfüh­rung von Flat­rates, sei - so die Bran­chen­in­sider - mit einem weiteren Ausstieg weiterer Anbieter zu rechnen, was umge­kehrt zu spürbar stei­genden Preisen bei den verblie­benen Anbie­tern für die Inhaber der 0700-Rufnum­mern führen könnte, um den Einnah­me­ver­lust ausglei­chen zu können.

IG0700 sieht das anders

Das wird von den Vertre­tern der IG0700 anders gesehen. Eine zuneh­mende Attrak­ti­vität des Produktes durch güns­tige Anruf­preise könnte zu einer Zunahme von "neuen" Nummern und der Reak­ti­vie­rung von bereits bestehenden (nicht genutzten) Rufnum­mern führen.

TKG gibt keine Hand­habe bei Preis­stel­lung

Die eben­falls befragte Bundes­netz­agentur teilte auf Anfrage von teltarif.de mit, das Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­setz (TKG) enthalte keine Vorgaben für eine Tarif­ge­stal­tung von Anrufen zu 0700-Rufnum­mern. Auch die Frage, ob die Agentur einen Höchst­preis fest­legen dürfe, entscheide der Gesetz­geber.

Der Begriff "Flat­rate" sei nicht gesetz­lich defi­niert. Ob eine Rege­lung erfor­der­lich sei, solche Nummern einzu­be­ziehen, liege wiederum beim Gesetz­geber.

Was wäre wenn?

Falls es eines Tages keine Hosting-Anbieter von 0700-Rufnum­mern mehr gäbe, würde die Bundes­netz­agentur voraus­sicht­lich zur Zukunft der 0700er-Rufnum­mern eine öffent­liche Anhö­rung durch­führen und danach entscheiden.

Inter­na­tio­nale Erreich­bar­keit?

Die im Wett­be­werb zur Telekom stehenden Anbieter von 0700-Rufnum­mern hatten beklagt, dass die Zufüh­rung von inter­na­tio­nalen Anrufen zu +49 700 nicht garan­tiert werden könne, weil sich die Deut­sche Telekom "weigere", den inter­na­tio­nalen Verkehr zu den einzelnen Anbie­tern auszu­lie­fern. Das sollte jeder (oft sehr kleine) Netz­be­treiber mit allen in Frage kommenden inter­na­tio­nalen Carriern selbst verhan­deln.

Die Antwort der Netz­agentur dazu: "Eine Regu­lie­rungs­ver­fü­gung, die die Telekom verpflichtet, Tran­sit­ver­kehr von inter­na­tio­nalen Rufnum­mern zu natio­nalen 0700-Rufnum­mern entge­gen­zu­nehmen und zuzu­stellen, besteht nicht. Eine Verpflich­tung der Telekom würde voraus­setzen, dass sie auf dem Markt für solche Tran­sit­ver­bin­dungen über beträcht­liche Markt­macht verfügt und die wett­be­werbs­recht­liche ex post Kontrolle durch das Bundes­kar­tellamt nicht ausreicht. Nach der Märkte-Empfeh­lung der EU-Kommis­sion ist ein solcher Markt in der EU grund­sätz­lich nicht regu­lie­rungs­be­dürftig."

Natio­nale Erreich­bar­keit?

Selbst die Erreich­bar­keit von 0700-Rufnum­mern aus Deutsch­land könnte zum Lotte­rie­spiel werden. Ein einzelner 0700-Netz­be­treiber habe keine solche Verpflich­tung, die Erreich­bar­keit aus allen Netzen sicher­zu­stellen, außer "er hat seinen Kunden eine solche Erreich­bar­keit vertrag­lich zuge­si­chert". Ganz klar: "Ein Anspruch eines Anbie­ters auf Zusam­men­schal­tung gegen­über einem Tran­sit­netz­be­treiber, um eine Erreich­bar­keit einer 0700-Rufnummer zu gewähr­leisten, besteht nicht."

IG0700 lässt nicht locker

Man darf gespannt sein, ob und wie die Politik den Vorschlag der IG0700 aufgreift und umsetzt und inwie­weit diese Entschei­dung einen längst tot geglaubten Markt wieder beleben könnte. Hier ist in den letzten 20 Jahren viel versäumt worden.

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