Twitter-Jubiläum

15 Jahre Twitter: Zwischen Visionen und Mühlen der Politik

"Ich richte nur mein twttr ein" - vor 15 Jahren verfasste Mitgründer Jack Dorsey den ersten Tweet. Daraus wurde ein Dienst, über den sich Neuig­keiten und Ideen - und auch Lügen - ausbreiten können. Dorseys Vision ist eine Platt­form, auf der man erfährt, was gerade passiert.
Von dpa /

Twitter-Mitgründer Jack Dorsey Twitter-Mitgründer Jack Dorsey
Bild: picture alliance/dpa/AP | Francois Mori
Zum 15. Geburtstag gleicht Twitter einer großen Baustelle. Mitgründer und Chef Jack Dorsey hat eine Evolu­tion im Sinn, die Twitter weit über das gewohnte Kurz­nach­rich­ten­format bringen soll. Dazu gehören von alleine verschwin­dende Tweets mit dem Namen "Fleets", die "Spaces"-Talk­runden nach dem Muster des popu­lären Start-ups Club­house, und in der Zukunft sogar die Möglich­keit, sich Tweets von eigenen Algo­rithmen sortieren zu lassen.

Zudem testet Twitter (engli­sches Wort für "zwit­schern") die Möglich­keit, zahlenden Abon­nenten exklu­sive Inhalte oder Ange­bote verfügbar zu machen.

Dorseys Vision

Twitter-Mitgründer Jack Dorsey Twitter-Mitgründer Jack Dorsey
Bild: picture alliance/dpa/AP | Francois Mori
Twitter soll der Ort sein, an dem man erfährt, was gerade passiert - und sich darüber unter­hält. Der Weg dorthin ist steinig. Wie findet jeder die für ihn wich­tigen Tweets in der Flut von Millionen Nach­richten? Wie sorgt man als Betreiber dafür, dass der Ton zivi­lisiert bleibt? Und dass die Platt­form nicht zur Mani­pula­tion der öffent­lichen Meinung genutzt wird - wie bei der groß­ange­legten russi­schen Kampagne zur US-Präsi­den­ten­wahl 2016?

Um Letz­teres zu verhin­dern, wagte Dorsey einen radi­kalen Schnitt: Schon seit Ende 2019 lässt Twitter keine Tweets zu poli­tischen Themen mehr als Anzeigen verbreiten. Dennoch wurde das vergan­gene Jahr zur Feuer­probe für den Umgang mit kontro­versen Inhalten.

Twitter entschied sich für ein konse­quentes Vorgehen gegen Tweets mit falschen oder irre­füh­renden Infor­mationen über das Coro­navirus und zur US-Präsi­den­ten­wahl. Das trieb den Konflikt zwischen Twitter und seinem lange Zeit mäch­tigsten Nutzer - dem inzwi­schen ehema­ligen US-Präsi­denten Donald Trump - auf die Spitze.

Für Trump war das Twitter-Profil mit mehr als 80 Millionen Abon­nenten der mit Abstand wich­tigste Kommu­nika­tions­kanal. Twitter ließ ihm unter Verweis auf die zeit­geschicht­lichen Bedeu­tung seiner Tweets lange unter anderem Belei­digungen durch­gehen, für die gewöhn­liche Nutzer schnell Ärger bekommen hätten. Doch im Früh­jahr 2020 über­schritt Trump die roten Linien so weit, dass die fragile Über­ein­kunft bröckelte.

Trump behaup­tete in Tweets, dass die Brief­wahl in der Corona-Krise die Betrugs­gefahr erhöhe - und berei­tete damit den Boden für seine späteren Versuche, das legi­time Wahl­ergebnis zu kippen. Twitter versah einen Trump-Tweet nach dem anderen mit Warn­hin­weisen. Die Repu­bli­kaner zitierten Dorsey mehr­fach vor Kongress­aus­schüsse und versuchten, den Spiel­raum von Online-Platt­formen beim Vorgehen gegen Nutzer und Inhalte einzu­engen.

Twitter unter Druck

"Mr. Dorsey, wer zur Hölle hat sie gewählt und damit beauf­tragt, zu entscheiden, was die Medien berichten dürfen und was das ameri­kani­sche Volk erfahren darf?", brüllte der repu­bli­kani­sche Senator Ted Cruz den Twitter-Chef kurz vor der US-Wahl an. Nach der Attacke von Trump-Anhän­gern auf das Kapitol verbannte Twitter den damals noch amtie­renden Präsi­denten - und betonte, dass es für ihn keinen Weg zurück auf die Platt­form gebe.

Dieser Konflikt könnte Twitter noch Kopf­schmerzen bereiten, wenn die Repu­bli­kaner die Kontrolle über den US-Kongress zurück­gewinnen sollten. Auch anderswo steht Twitter unter Druck: Russ­land dros­selte jüngst den Dienst und droht mit einer Blockade.

Die Anfänge des Dienstes waren bei weitem nicht so kontro­vers. Ein Tweet am 15. Januar 2009 machte der ganzen Welt das Poten­zial der Platt­form deut­lich, bei der jeder News teilen kann. "Es ist ein Flug­zeug im Hudson", twit­terte der Soft­ware-Unter­nehmer Janis Krums sein Foto einer gerade im New Yorker Fluss notge­was­serten Passa­gier­maschine, das er auf einer Fähre im Hudson gemacht hatte.

Im "Arabi­schen Früh­ling" - den Protesten, die Ägypten, Libyen und Tune­sien verän­derten - half Twitter der Bewe­gung und wurde zu einem wich­tigen Instru­ment der Demons­tranten.

Die schnelle Twitter-Reak­tion der Keks­marke Oreo bei einem Strom­aus­fall während des Super­bowls 2013 - "Man kann auch im Dunkeln tunken" - zeigte Firmen, wie man sich schnell ins Gespräch bringt.

Twitter verdient Geld mit Werbung

Im Kern zahlt man dafür, Tweets in die Time­lines der Nutzer zu bringen. Nach einer langen Durst­strecke ist Twitter mit dem Modell inzwi­schen fest in den schwarzen Zahlen ange­kommen. Wie viele Nutzer der Dienst hat, weiß man unter­dessen nicht genau. Twitter nennt seit einiger Zeit nur noch die Zahl der tägli­chen Nutzer, die über die haus­eigene App oder das Web mit Werbung erreicht werden können. Zuletzt waren es 192 Millionen.

Mit Dorseys Perfor­mance als Twitter-Chef sind aber viele Inves­toren nicht zufrieden. Das hat nicht nur mit den vergleichs­weise geringen Umsatz­zahlen zu tun, die längst nicht mit Face­book oder Google mithalten können. Auch der Akti­enkurs hat sich nur mau entwi­ckelt.

Kritiker werfen Dorsey vor, bestimmte Inno­vati­ons­themen nur halb­herzig ange­gangen zu sein. So habe er es verpasst, den Live-Video-Strea­ming­dienst Peri­scope zum Erfolg zu führen, den Twitter im März 2015 gekauft hatte. Statt­dessen konnte das chine­sische Tech­nolo­gie­unter­nehmen Byte­dance dieses Segment mit TikTok besetzen. Die Peri­scope-App wird dagegen Ende März einge­stellt. Immerhin wurde die Live-Funk­tio­nalität in der Twitter-App selbst inte­griert.

Dorsey probiert unter­dessen noch eine ganz andere Möglich­keit aus, mit Tweets Geld zu machen. Er verstei­gert gerade eine digi­tale Kopie seiner ersten Twitter-Nach­richt. Der Tweet vom 21. März 2006 mit den Worten "just setting up my twttr" ("Ich richte nur mein twttr ein") ist die älteste Nach­richt, die auf der Platt­form verfügbar ist. Das Höchst­gebot liegt bei 2,5 Millionen Dollar (etwa 2,1 Mio Euro). Dorsey will das Geld spenden.

Die Corona-Warn-App soll bald ein neues Feature bekommen. Über einen QR-Code soll künftig der "Check-in" in Restau­rant und Co. möglich sein. Mehr dazu lesen Sie in einer weiteren News.

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