5G-Ausbau

Spätstarter beim 5G-Ausbau: Die große Aufholjagd von o2

Eine Zeit lang sah es so aus, als ob es nur zwei 5G-Netz­betreiber in Deutsch­land geben würde. Doch nun ist Telefónica/o2 in den Ring gestiegen und startet zunächst einmal mit hohen Frequenzen.
Von mit Material von dpa

Sage und schreibe 6,6 Milli­arden Euro legten Deutsch­lands Mobil­funk­kon­zerne 2019 auf den Tisch, um begehrte Frequenzen für den fünften Mobil­funk­stan­dard (5G) zu bekommen. Inzwi­schen ist der Ausbau in vollem Gange. Ab nächster Woche ist auch Telefónica (o2) mit von der Partie.

Der Mobil­funk­ausbau für den neuen Über­tra­gungs­stan­dard 5G geht weitaus schneller als von Vielen vermutet. Als dritter deut­scher Netz­betreiber startet Telefónica in diesen Tagen mit seiner Marke "o2" am 3. Oktober - wie berichtet - seine ersten 150 5G-Stationen im eigenen Netz. Die Haupt-Konkur­renten Voda­fone und Deut­sche Telekom sind da schon deut­lich weiter, denn sie waren schon 2019 mit dem Netz­ausbau gestartet.

o2 mit fünf Städten

Die von o2 auf 5G aufge­rüs­teten Sende­masten mit etwa 450 Antennen (an 150 Stand­orten) finden sich in den fünf Städten Berlin, Hamburg, München, Frank­furt und Köln und funken zunächst auf 3600 MHz (Band n78). Zunächst decken die Sender dort nur einen relativ kleinen Teil des Stadt­gebiets ab. Der weitere Ausbau soll bei Telefónica in den kommenden Monaten aber zügig weiter­gehen, betont das Unter­nehmen.

Deutsch­land-Chef Markus Haas hat vor bis zum Jahr 2022 vier Milli­arden Euro in den Ausbau des o2-Netzes inves­tieren, das Geld soll in kombi­nierte 4G (LTE)- und 5G-Sender fließen. "5G ist für die digi­tale Zukunft dieses Landes entschei­dend".

Der o2-Technik-Chef (CTO) Mallik Rao erklärt (Englisch) den 5G-Netz­ausbau bei o2.

Wirt­schaft setzt große Hoff­nungen in 5G

Tatsäch­lich sind mit dem neuen Mobil­funk­stan­dard große Hoff­nungen verbunden. Die Wirt­schaft hofft auf einen Inno­vati­ons­schub, damit sie ihre teil­weise riesigen Daten­mengen besser nutzen kann. Immer wieder wird betont, dass die 5G-Tech­nologie bis zu 100 Mal schneller als LTE sein könnte. Dazu braucht man aber viel Band­breite und die gibt es nur auf hohen Frequenzen. Die hohen Frequenzen haben einen Nach­teil, eine geringe Reich­weite, was für die Indus­trie "egal" ist, denn sie möchten ihre Produk­tions­stand­orte vernetzen und da kommt es weniger auf große Reich­weiten an.

Durch den Aufbau von 5G-Netzen in Fabriken und Betrieben für Firmen­kunden, erhoffen sich die Netz­betreiber stei­gende Umsätze. "5G wird die Digi­tali­sie­rung der deut­schen Wirt­schaft entschei­dend beschleu­nigen", ist Haas sich sicher.

Wenn man genau hinschaut, wird schnell klar: Private Anwender spielen bei der fünften Mobil­funk­genera­tion bislang nur eine unter­geord­nete Rolle. Für die aller­meisten mobilen Anwen­dungen reicht der aktu­elle Stan­dard 4G (LTE), sofern das Signal ausrei­chend stark vorhanden und die genutzte Funk­zelle nicht über­lastet ist. Gerade bei o2-Stationen sind die Signal­zufüh­rungen oft "erwei­terungs­fähig".

5G für Echt­zeit­spiele und große Down­loads inter­essant

o2-LTE-Antenne in ländlicher Region. LTE ist die Basis für 5G-NSA o2-LTE-Antenne in ländlicher Region. LTE ist die Basis für 5G-NSA
Foto: Telefónica
Für Echt­zeit-Handy­spiele oder für das Streamen bezie­hungs­weise Down­loaden von hoch­auf­lösenden Videos dürfte auf kurz oder lang die 5G-Tech­nologie von Vorteil sein. Dann wird 5G in der Zukunft wohl auch für Privat­nutzer wichtig werden, wenn immer mehr daten­inten­sive Apps auf den Markt drängen.

Die bald erhält­liche 5G-SA-Netz-Technik (SA = StandAlone) wird der Geschichte dann noch weiteren Schub verleihen. Im Moment funken die aufge­bauten 5G-Stationen noch in 5G-NSA-Technik (Non-Stand-Alone) und benö­tigen 4G als Grund­lage.

5G-Ausbau: Telekom liegt vorne

Wir erin­nern uns: Vier Mobil­funk-Firmen hatten im Juni vergan­genen Jahres 5G-Frequenzen für insge­samt 6,6 Milli­arden Euro erstei­gert. Am weitesten mit dem 5G-Ausbau ist die Deut­sche Telekom. Sie liegt inzwi­schen bei gut 10 000 Stand­orten mit mehr als 30 000 5G-Antennen.

Und etwa die Hälfte der Bevöl­kerung wohnt nach Firmen­angaben in Reich­weite dieser Anlagen - bis Jahres­ende sollen es sogar zwei Drittel der Bevöl­kerung sein.

Voda­fone auf Platz 2, Telefónica ist recht spät

Voda­fone hat inzwi­schen gut 400 Stand­orte mit etwa 1200 Antennen ans 5G-Netz gebracht und kann damit in etwa 2,6 Millionen Menschen errei­chen. Bis zum Jahres­ende möchte Voda­fone 8000 Antennen akti­viert haben. die dann zehn Millionen Menschen errei­chen könnten.

Warum legt Telefónica erst so spät den Schalter um, erst gut 15 Monate nach Ende der Frequenz­auk­tion? Ein Grund könnte der gene­relle Nach­hol­bedarf beim sepa­raten 4G-Ausbau sein. Hier hatte das Unter­nehmen seine Verpflich­tungen zur Abde­ckung aus einer Frequenz­ver­gabe von 2015 nicht gleich einhalten können und muss daher erst noch 4G-Funk­löcher stopfen. Ein weiterer Grund dürften Fort­schritte bei der 5G-Netz­technik sein. Hersteller haben bereits erste Erfah­rungen und stei­gende Stück­zahlen bedeuten auch sinkende Preise, was sich in den Baukosten für viele Stationen spürbar nieder­schlägt.

Ein Telefónica-Spre­cher beant­wor­tete die Frage nach dem Grund für den späten Start mit einem Verweis auf den Handy­markt: 2019 habe es nur wenige Modelle gegeben, die 5G-kompa­tibel sind. Inzwi­schen habe der Kunde eine viel größere Auswahl an 5G-fähigen Handys. Außerdem wird in wenigen Wochen das erste iPhone mit 5G erwartet, das der Geschichte weiteren neuen Schub verleihen dürfte.

Wie schnell ist 5G bei o2?

o2 nennt eine Down­load-Geschwin­dig­keit von "bis zu 300 MBit/s" bei 5G. Kundige Beob­achter erstaunt das, weil tech­nisch gesehen auf 3600 MHz mit 5G-NR-NSA ohne weiteres Geschwin­dig­keiten von 800-1000 MBit/s möglich sind, wenn sich das Handy nahe und in direkter Sicht zur 5G-Sende­antenne befindet und nicht zu viele Nutzer zugleich einge­bucht sind.

Mögli­cher­weise begrenzt o2 die mögli­chen Geschwin­dig­keiten, um einer vorzei­tigen Netz­über­last vorzu­beugen. Even­tuell sind auch die Kapa­zitäten der Signal­zufüh­rungen zu den o2-5G-Stationen noch limi­tiert.

Und wo bleibt Nummer vier?

Drei Netz­betreiber? Da gibt es noch ein viertes Mobil­funk­unter­nehmen, das 2019 bei der Auktion der Bundes­netz­agentur zugriff. Es heißt 1&1-Dril­lisch und gehört zum United-Internet-Konzern.

Dort ist die Akti­vie­rung eines eigenen 5G-Netzes noch Zukunfts­musik: Der Konzern verhan­delt mit den drei etablierten Netz­betrei­bern, ob sie ihn gegen Miet­ent­gelt auf deren 4G/5G-Netz lassen, wo er selbst noch keine Antennen hat. Die Gespräche verlaufen schlep­pend oder liegen auf Eis. Für 1&1-Dril­lisch ist dieser Zugang Voraus­set­zung, um mit dem Ausbau eigener 5G-Antennen anfangen zu können.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wer sich für Mobil­funk-Technik inter­essiert, wer möglichst auf dem neuesten Stand sein möchte, der wird sich bestimmt schon nach einem 5G-fähigen Gerät umge­schaut haben. Zu beachten ist, möglichst die neueste Technik zu kaufen, sonst ist das Gerät schon beim Heraus­tragen aus dem Geschäft rettungslos veraltet. Nicht alle "5G-fähigen" Geräte verstehen bereits die bei Telekom und Voda­fone einge­setzte 5G-DSS-Technik oder kommen schon mit verschie­denen "Anker­bän­dern" klar. Denn 5G-NSA braucht 4G unbe­dingt als Grund­lage und nicht überall wird nur auf das "C-Band" oder "n78" (in Deutsch­land 3,4-3,7 GHz) gesetzt.

Die Deut­sche Telekom hat beim 5G-Ausbau ein rasantes Tempo vorge­legt und ist längst dabei, tief in der Provinz 5G auszu­rollen, wo teil­weise Voda­fone oder Telefónica noch gar nicht (=0G) oder viel­leicht nur mit 2G (GSM) versorgen. Voda­fone folgt der Telekom mit gewal­tigem Abstand und zielt eher auf Ballungs­gebiete, wo zahlungs­kräf­tige Indus­trie­kunden ihre Ange­bote nach­fragen könnten. Darüber hinaus setzen die großen Drei auf Campus-Lösungen auf exklu­siven Frequenzen für die Indus­trie.

Keine Angst: Auch o2 wird 5G bauen und muss das auch tun. Man sollte aber keine Ausbau­wunder in Licht­geschwin­dig­keit erwarten. Der 5G-Netz­ausbau bei o2 wird Geld kosten. Unter­nehmen, die höhere Preise nehmen (können), haben jetzt mehr Geld in der Kasse, um schneller und mehr zu bauen.

Die Mehr­heit der o2-Kunden aber legt Wert auf möglichst güns­tige Tarife und bekommt hier für relativ wenig Geld schon einiges geboten. Wer aber Premium-Klasse will oder braucht, muss sich auch mit Premium-Preisen anfreunden.

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