Viertes Netz

5G-Streit: 1&1-Drillisch ruft Bundesnetzagentur um Hilfe

Damit der vierte Netz­betreiber erfolg­reich starten kann, braucht er Flächen­deckung. Das ginge vorerst nur durch Roaming-Abkommen. Doch die sind dem Heraus­for­derer viel zu teuer. Die Netz­agentur soll helfen.
Von mit Material von dpa

United-Internet (1&1-Drillisch)-Chef Ralph Dommermuth hat die Bundesnetzagentur um Hilfe gebeten. United-Internet (1&1-Drillisch)-Chef Ralph Dommermuth hat die Bundesnetzagentur um Hilfe gebeten.
Foto: Picture Alliance / dpa
Seit der letzten Frequenz­auk­tion im Jahre 2019 haben wir wieder vier Mobil­funk-Netz­betreiber in Deutsch­land. Doch "Netz Nummer 4", das der 1&1-Dril­lisch (United-Internet) "gehört", muss erst noch aufge­baut werden.

Die erstei­gerte Lizenz sieht vor, dass bis Ende 2022 mindes­tens 1000 Stück 5G-Stationen von 1&1-Drilisch aufge­baut und in Betrieb genommen werden müssen und bis Ende 2025 mindes­tens jeder vierte deut­schen Haus­halt (25 Prozent) mit schnellem Internet versorgt werden muss.

Start­phase mit wenigen Netz-Inseln

United-Internet (1&1-Drillisch)-Chef Ralph Dommermuth hat die Bundesnetzagentur um Hilfe gebeten. United-Internet (1&1-Drillisch)-Chef Ralph Dommermuth hat die Bundesnetzagentur um Hilfe gebeten.
Foto: Picture Alliance / dpa
Es ist logisch, dass 1&1-Dril­lisch in der Start­phase riesige weiße Flecken haben würde. Die Pionier­kunden des 5G-Netzes würden also nur dort tele­fonieren oder surfen können, wo schon 1&1-Dril­lisch-Stationen laufen. Aktuell sind das wenige Test­sta­tionen in Monta­baur und in Karls­ruhe, wie aufmerk­same Netz­beob­achter ermit­telt haben.

Nur kommt man dort aktuell gar nicht rein. Selbst wenn man bei einem der unzäh­ligen Dril­lisch-Marken-Anbieter schon Kunde ist und das passende 5G-Handy hat, geht das derzeit noch nicht, da diese Stationen für die "Öffent­lich­keit" noch "gesperrt" sind.

Knüller: Natio­nales Roaming mit allen?

Die nahe­lie­gende Idee von 1&1-Dril­lisch ist nun, mit Telekom, Voda­fone und Telefónica (o2) Abkommen zu schließen, welche die Nutzung derer Netze durch den neuen Anbieter erlauben würde. Eine solche SIM-Karte von 1&1-Dril­lisch wäre dann auf einen Schlag sehr attraktiv für die Mobil­funk­kunden, die momentan darunter leiden, dass im einen Ort "Netz 1" und im anderen Ort "Netz 2" funk­tio­niert und an einer dritten Stelle viel­leicht nur "Netz 3" funk­tio­niert.

Folg­lich bekäme 1&1-Dril­lisch von diesen Kunden sicher Zulauf, die dann im Gegenzug ihre bishe­rigen Verträge bei "Netz 1", "Netz 2" oder "Netz 3" kündigen könnten. Dadurch würden den etablierten Netz­betrei­bern wich­tige Einnahmen wegbre­chen, um den Netz­ausbau "tief in der Provinz" finan­ziell stemmen zu können.

Ohne Natio­nales Roaming nur ein Nischen­netz

Gäbe es kein natio­nales Roaming wären 5G-Verträge von 1&1-Dril­lisch nur etwas für hart­gesot­tene Fans oder Nutzer, die sich nur eng begrenzt in einem 1&1-Ausbau­gebiet aufhalten. 1&1-Dril­lisch müsste eine lange Durst­strecke durch­stehen, bis sich das Enga­gement viel­leicht irgend­wann in ferner Zukunft einmal rechnet (oder auch nicht).

Gespräche ohne greif­bare Ergeb­nisse

Gespräche zwischen 1&1-Dril­lisch und der Telekom, bzw. mit Voda­fone fanden schon statt. Die aufge­rufenen Preise gefallen der 1&1-Dril­lisch nicht, weil sie die Idee vom attrak­tiven Preis­bre­cher in uner­reich­bare Ferne verschieben würden.

Bei der Telekom hat man ohnehin die Vermu­tung, dass 1&1-Dril­lisch möglichst wenig eigenes Netz bauen möchte, weil das nur Geld kostet und daher unat­traktiv ist. Bei Voda­fone erklärte man die Verhand­lungen für "ruhend", dürfte aber ähnliche Gedanken, wie in Bonn hegen.

Dommer­muth ruft BNetzA um Hilfe

1&1-Dril­lisch Gesamt­chef Ralph Dommer­muth wurde das nun zu bunt und er hat sich höchst offi­ziell an die Bundes­netz­agentur gewandt, wie die Behörde auf Anfrage bestä­tigte. Nun muss die Bundes­netz­agentur als Schieds­richter einspringen und macht natür­lich erst einmal eine Anhö­rung.

Die Hoff­nung in Monta­baur, dem Haupt­sitz von 1&1-Drilisch-United-Internet, ist klar: Die Bundes­netz­agentur verdon­nert die etablierten Netz­betreiber dazu, natio­nales Roaming zu möglichst güns­tigen Preisen anbieten zu müssen, damit der neue Spieler attrak­tive Ange­bote machen kann, die seine Stamm­kunden und neue Kunden zum Wechsel zum neuen Anbieter animieren könnten.

Eine bessere Netz­abde­ckung als die Konkur­renz (weil dann viel­leicht alle Netze nutzbar wären) wäre ein wich­tiges Argu­ment für künf­tige Kunden des "neuen" Netzes.

Krach mit dem "Notnagel" Telefónica

Selbst wenn es mit Telekom und Voda­fone nichts wird, bleibt noch die Zusam­men­arbeit mit Telefónica (o2), weil die beiden Firmen ja schon beim 4G/LTE-Netz mitein­ander zusam­men­arbeiten. Aller­dings gibt's da derzeit auch "Krach", weil Telefónica die Preise erhöht hat und 1&1-Dril­lisch-United-Internet diese Preise als "viel zu hoch" empfindet. Das machte eine Gewinn­war­nung seitens 1&1-Dril­lisch/United-Internet notwendig und ließ den Börsen­kurs um 25 Prozent einbre­chen.

Mit der Bundes­netz­agentur als "Waffe" erhofft sich der neue Anbieter eine bessere Posi­tion beim Kampf um güns­tigere Preise.

Was will 1&1-Drililsch wirk­lich?

Bran­chen­kenner haben aber Zweifel, ob Dril­lisch tatsäch­lich Kapa­zitäten von Telekom oder Voda­fone kaufen will oder diese Gespräche nur aus Verhand­lungs­taktik sucht: Um Telefónica (o2) zu signa­lisieren, dass man anderswo viel­leicht billiger einkaufen könnte. Ein Voda­fone-Spre­cher sagte gestern, die Verhand­lungen seien "ruhend" gestellt - Dril­lischs Forde­rungen seien bisher wirt­schaft­lich nicht tragbar gewesen. Man sei aber "nach wie vor offen für einen Deal, dessen Ergebnis beiden Seiten gerecht wird".

Für 1&1-Dril­lisch schwelt es ein weiteres Problem: Wenn der ameri­kanisch-chine­sische Dauer­kon­flikt weiter eska­liert und auf Deutsch­land "über­springt", könnte man nicht bei ZTE (wie geplant) oder Huawei einkaufen, sondern müsste sich beim wesent­lich teureren Netz-Technik-Anbieter Ericsson oder Nokia mit Mate­rial "einde­cken" gehen und auf die kosten­güns­tigere Open-RAN-Initia­tive hoffen, womit weitere Technik-Anbieter ins Spiel kommen könnten. Das würde die Kalku­lation auch schwie­riger und wohl teurer machen.

Was springt für den Kunden heraus?

Für Endkunden bleibt die Frage durchaus wichtig, ob Dril­lisch es wirk­lich zum vierten deut­schen Mobil­funk-Netz­betreiber schafft. Experten rechnen damit, dass sich der Wett­bewerb durch den neuen Markt­teil­nehmer "verschärft" und die Ange­bote sich "verbes­sern" könnten.

Risiken und Neben­wir­kungen

Die Neben­wir­kung der güns­tigeren Preise könnte aber leicht sein, dass die großen Netz­betreiber ihren Netz­ausbau verlang­samen oder ganz einstellen und auf noch mehr staat­licher Hilfe beim Ausbau bestehen. Dann würden die Preise für den Endkunden viel­leicht nochmal sinken, aber die staat­lichen geför­derten Netz­aus­bau­kosten müssten über stei­gende Steuern und Abgaben wieder einge­sam­melt werden.

Ob ein kombi­niertes 1&1-Dril­lisch-o2-Mobil­funk­netz (ohne Telekom und Voda­fone) beson­ders viele Kunden zum Wechsel zu 1&1-Dril­lisch bewegen dürfte, ist eine große Frage. Da könnte maximal noch der Preis eine Rolle spielen. Das weniger einge­nom­mene Geld würde Telefónica (o2) später beim Netz­ausbau fehlen, zumal die Mutter Telefónica SA (Spanien) auch drin­gend finan­ziellen Nach­schub zur Tilgung gewal­tiger Schulden benö­tigt.

Das kann dauern

Schnelle Entschei­dungen sind nicht zu erwarten. Denkbar wäre, dass 1&1-Dril­lisch das Aben­teuer "Netz­betreiber" ein für alle Mal aufgibt und seine 5G-Frequenzen an die drei verblie­benen Anbieter verkauft und weiterhin als Reseller im o2-Netz (und viel­leicht auch weiterhin im Voda­fone oder gar wieder im Telekom-Netz) auftritt.

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