Streit um Leerrohre: Telekom hat 2023 Angebot vorgelegt
Wir haben berichtet, dass das Verwaltungsgericht Köln mit Eilbeschluss vom 1. März die Deutsche Telekom "verdonnert" hat, ihren Wettbewerbern zunächst den Zugang zu ihren Kabelanlagen, Masten oder Trägersystemen zu öffnen.
Beim flüchtige Lesen mag man denken, "klar, die Telekom will keinen Wettbewerb". Offenbar ist die Geschichte doch etwas anders gelagert und deutlich komplizierter.
VATM: Ausbau wird teurer als er sein müsste
Streitpunkt: Was darf die Miete von Leerrohren kosten?
Foto: Picture Alliance/dpa
Dr. Frederic Ufer, neue Geschäftsführer des Wettbewerber-Verbandes VATM sieht das so: „Durch den fehlenden Zugang zum Leerrohrnetz der Telekom erfolgt der Glasfaser-Ausbau deutlich langsamer als er sein könnte. Er ist teurer, als er sein müsste. Und er ist mit deutlich mehr Baustellen verbunden, als notwendig wären, weil die ausbauenden Wettbewerber nicht auf dieses Netz zugreifen können.“
Damit trifft Ufer, anders als gedacht, den Punkt, um den es geht. Die Telekom sagt, natürlich könnten die Wettbewerber Zugriff bekommen, aber zu anderen (= höheren) Preisen, als sich das die Wettbewerber vorstellen.
Streitfrage: Was darf ein Leerrohr kosten?
Denn "wer seine Glasfaser zu Spottpreisen in die Leerrohre der Konkurrenz schieben könnte, spart den kostenintensiven Tiefbau", stellt die Telekom fest und begründet das wie folgt: "Für die ausbauenden Unternehmen würde das aber eine Entwertung ihrer Investitionen und weniger Anreize für neuen Ausbau bedeuten."
Logisch, dass die gesamte Telekommunikationsbranche die Umsetzung der regulatorischen Verpflichtung der Telekom, standardisierten Zugang zu neu gebauten Leerohren anzubieten, mit Spannung beobachtet.
Bundesnetzagentur prüft Angebot seit 2023
Tiefbau für die Glasfaserverlegung ist generell aufwendig und teuer. Da gibt es "Kabelführungssysteme", besser bekannt als "Leerrohre", die bereits unter der Straße liegen können. Was die Nutzung dieser Leerrohre kosten darf, ist des Pudels Kern. Die Telekom möchte diese Leerrohre so teuer wie möglich vermieten, die Wettbewerber wollen am Ende beim Kundentarif preislich unter den Angeboten der Telekom liegen.
Bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) laufen aktuell Verfahren zur "Umsetzung der neuen regulatorischen Verpflichtung für die Telekom", die den standardisierten Zugang zu sogenannten „baulichen Anlagen“ betreffen. Dazu zählen beispielsweise die Leerrohre, aber auch oberirdische Masten, wo Glasfaserkabel aufgehängt werden könnten.
Standardangebot für Leerrohre seit Juli 2023
Die Telekom war nicht untätig und hat schon im Juli 2023 ein standardisiertes Angebot dafür vorgelegt. Weil die Telekom marktmächtig ist, werden die dazugehörigen Preise von der Bundesnetzagentur im Rahmen eines Entgeltgenehmigungsverfahrens bestimmt, das dauert.
Was darf es kosten, wenn ein ausbauendes Unternehmen die Leerrohre der Telekom auf Basis des Standardangebots vom Juli 2023 mitnutzen möchte?
Geschäftspläne für Preisfindung wichtig
Die Verpflichtung, Zugang zu Leerrohren zu gewähren, ist nicht neu. Alle Telekommunikationsunternehmen und übrigens auch die "Versorger" (Gas, Wasser, Strom, Wärme) sind bereits verpflichtet, im Rahmen des Glasfaserausbaus Zugang zu mitnutzbarer Infrastruktur zu gewähren. Das erfolgt auf Basis kommerzieller Vereinbarungen.
Die Bundesnetzagentur greift nur dann ein, wenn es Streit gibt. Die neue Verpflichtung der Telekom gilt "zusätzlichen zu den bisherigen Verpflichtungen". Bei der Telekom sieht man es als "problematisch", wenn sich der teure Bau von Leerrohren nicht mehr rechnen würde, weil diese dann unter den Bau- und Betriebskosten vermietet werden müssten. Die Folge: Niemand hätte noch große Lust, selbst Leerrohre zu verlegen.
Jedes Unternehmen, das vernünftig plant, muss diese Kosten vorher berücksichtigen. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) sieht eine Entgeltfestlegung und seine Auswirkungen auf den Geschäftsplan ausdrücklich vor.
Die Telekom hatte einen Vorschlag vorgelegt. Die beantragten Entgelte lägen in einem Rahmen, den die Branche bei bisherigen Verhandlungen schon abgesteckt habe.
Bundesweiter Festpreis für Glasfaser-Leerrohre der Telekom
Der Zugang zu Leerrohren von Netzbetreibern und Versorgern für den Glasfaserausbau ist durch das Telekommunikationsgesetz (Paragraf 138) reguliert. Die Preise werden dabei zwischen der Eigentümerin des Leerrohrs und dem Unternehmen, das diese anfragt, verhandelt. In Streitfällen kann die BNetzA eine bindende Entscheidung für den jeweiligen Einzelfall treffen. Dadurch haben sich Preise eingependelt, die die Branche als "fair und angemessen" ansieht, sagt die Telekom. Beispielsweise würde der Konkurrent Vodafone seit Jahren Leerrohre aufgrund dieser Regelungen nutzen.
Aktuell wird ein bundesweit geltender Preis diskutiert, den die BNetzA überprüft und notfalls anpasst. Weil diese Preise für die Branche existenziell sind, prüft die Netzagentur offenbar sehr genau, was Zeit braucht.
Äpfel und Birnen bei Leerrohren?
Nun sind Leerrohre nicht einfach Leerrohre. Die Preismodelle können sich auf laufende Meter, auf Quadrat- oder Kubikzentimeter oder längenunabhängig für ein Rohr beziehen. Weiter spielen Mietdauer oder Volumen eine Rolle. Mit der Mietzahlung können Leistungen abgegolten sein, die in anderen Verträgen möglicherweise noch extra bezahlt werden müssten. Die Größe oder der bautechnische Zustand dieser Leerrohre sei ein weiterer Preisfaktor.
Gerne hätte die Branche bundesweit vergleichbare Preise. Doch die Definition sei aufwendig, und davor schreckten alle Beteiligten zurück. Kann man Leerrohre in Berlin mit Leerrohren in Hinterwinkeldorf vergleichen?
Vorwurf: Telekom verlangt "Mondpreise"?
Wo es ums "Eingemachte" geht, taucht schnell der Vorwurf auf, die Telekom würde „Mondpreise“ verlangen und "in anderen Ländern ist das deutlich günstiger". Stimmt und stimmt auch wieder nicht, sagt die Telekom. Strenge deutsche Regulierungs- und Bauvorschriften erzeugten einen Preis von durchschnittlich ca. 1500 Euro, um einen Haushalt ans Glasfasernetz anzuschließen. In anderen europäischen Ländern seien es lediglich 300 Euro, rechnet die Telekom vor. Was man leicht sieht: Schauen wir uns eine Hausverkabelung in Barcelona (Spanien) an, wo Glasfaserleitungen kostengünstig einfach kreuz und quer an der Hauswand verspannt werden, das wäre in Deutschland absolut undenkbar.
So wird die Glasfaserinstallation extrem günstig: Gefunden im Zentrum von Barcelona
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Selbst einschlägige Beratungsunternehmen verglichen die Preise nur ungern, sagt die Telekom, "weil die Komplexität viel zu groß ist".
Welche Rohre sind nutzbar?
Die Leerrohre, um deren Preise es geht, seien vor allem die neuen, seit 2006 verlegten Strecken für Glasfaserkabel, insgesamt rund 750.000 km. Die waren nicht billig, und "verschenken" mag die Telekom diese nicht, denn sie gibt für den Glasfaserausbau in Deutschland jedes Jahr mehrere Milliarden Euro aus. Bis 2030 sieht die Telekom hier Investitionen von 30 Milliarden Euro vor.
Der Konter der Gegenseite: Mit den Mietkosten für Leerrohre oder Leitungen "finanziere" die Telekom ihren eigenen Ausbau. Nur wurde das Geld zum Bau der Mietobjekte schon ausgegeben.
Die alten Kabelkanalanlagen des Kupfernetzes seien laut Telekom "nur in Einzelfällen für den FTTH-Ausbau nutzbar". Und die würden auch vermietet, sofern sie nicht schon "komplett belegt" sind.
Informationen zu Leerrohren liegen der BNetzA vor
Vodafone hatte behauptet, dass die Telekom keine Informationen über die Lage ihrer Leerrohre preisgebe. Die Telekom kontert mit "schlicht falsch", denn die Telekom sei rechtlich verpflichtet "umfangreiche Informationen" an die BNetzA zur Verfügung zu stellen.
Telekom klagte gegen "doppelte Regulierung"
Am 4. März hat das Verwaltungsgericht Köln eine Klage der Telekom aus dem Juli 2022 abgelehnt. Der Fall bezieht sich auf eine Regulierungsverfügung, welche die Grundlage für die beiden aktuell bei der BNetzA laufenden Verfahren (Standardangebot und Entgelte) ist. Sie betrifft die gleiche Infrastruktur wie auch der § 138 TKG (alte und neu gebaute Infrastrukturen). Grundlage sowohl zu den Verpflichtungen zu den baulichen Anlagen als auch zu § 138 seien zwei unterschiedliche europäische Regelungen.
Die Telekom empfand es als "völlig überflüssig", zwei Regulierungen zum gleichen Sachverhalt zu haben. Dem Vorschlag einer "Bürokratiebereinigung" sei das Verwaltungsgericht Köln leider nicht gefolgt.
Überschriften wie „Telekom wird verdonnert, Konkurrenz auf Kabelkanäle zu lassen“, seien irreführend, weil bereits aktuell die Telekom dazu verpflichtet sei.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Der "Geburtsfehler" des TK-Wettbewerbs ist möglicherweise, dass Mitbewerber nur im Markt bestehen können, wenn sie "günstiger" als die Telekom sind. Bessere Service-Qualität im Netz und in der Fläche, modernere, bessere und stabilere Technik sind dahingegen viel zu selten sichtbar. Solange die "Deutsche (Bundes)Post" noch richtig hohe Preise aufrief, war Wettbewerb sehr leicht möglich. Doch die Zeiten sind vorbei, und jetzt wird es richtig eng.
Beim bundesweiten Ausbau mit Glasfaser geht es eigentlich um eine möglichst flächendeckende Versorgung der Bevölkerung, was im Wettbewerb "schwierig" bis stellenweise unmöglich sein könnte. Deswegen muss der Staat mit Fördermitteln nachhelfen.
Die Alternative einer staatlichen Regulierung "du baust hier und du baust da" wäre wohl zu langsam und zu schwerfällig. Gleichwohl würde man sich wünschen, wenn die Wettbewerber der Deutschen Telekom mehr mit ihr zusammenarbeiten würden, anstatt sich andauernd untereinander zu streiten. Der Kunde draußen will endlich schnelleres zuverlässiges Internet, und diese Streitigkeiten schrecken nur ab. Zudem: Viele Kunden wollen ihren gewohnten Anbieter nicht wechseln, weil sie den alternativen Anbietern nicht trauen. Zu Recht?
Auch bei der Diensteanbieterverpflichtung geht es im Kern um günstige(re) Preise.