Themenspezial: Verbraucher & Service NE4-Betreiber

Statt neuer TV-Zwangsgebühr: Hausnetz-Betreiber rauswerfen

Im Rahmen der Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs halten Netz­ebene-4-Betreiber plötz­lich die Hand auf. Doch nur wenige Haus­besitzer wissen: Man kann sie einfach raus­werfen und den Vertrag kündigen.
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Netzebene-4-Betreiber im Haus einfach kündigen Netzebene-4-Betreiber im Haus einfach kündigen
Bild: Kabel Deutschland, Bearbeitung: teltarif.de
Wie bereits berichtet drohen im TV-Kabel­netz Verbrau­chern auch nach der Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs ab Juli uner­war­tete Zusatz­kosten. Darüber hatte teltarif.de ausführ­lich berichtet. Die Bundes­netz­agentur hatte dazu nur eine auswei­chende Antwort gegeben. In einem weiteren Artikel hatte teltarif.de über die Höhe der Durch­lei­tungs­gebühren berichtet, die zum Teil bis zu 17,50 Euro monat­lich zusätz­lich betragen, wenn der Haus­bewohner weiter Internet und Telefon über das TV-Kabel beziehen möchte.

Doch was wie ein unab­änder­liches Schicksal klingt ("Bezahlen oder abge­klemmt werden"), ist gar nicht so unab­wendbar wie man mögli­cher­weise denken könnte. Eine wich­tige Rolle spielen dabei aller­dings Haus­besitzer und Haus­ver­wal­tungen, die sich ihrer "Macht" in der Sache mögli­cher­weise gar nicht bewusst sind.

"Neben­kos­ten­pri­vileg durch die Hintertür"?

Unter­dessen erntet auch teltarif.de erste Kritik für seine Bericht­erstat­tung. In unseren Berichten hatten wir die saloppe Formu­lie­rung "Neben­kos­ten­pri­vileg durch die Hintertür" verwendet, wohl wissend, dass diese Formu­lie­rung juris­tisch natür­lich nicht ganz korrekt ist. Denn über die Miet­neben­kosten darf ab Juli dieses Jahres defi­nitiv gar nichts mehr abge­rechnet werden. Sowohl für die TV-Versor­gung als auch für even­tuelle Durch­lei­tungs­gebühren muss ein sepa­rater Vertrag mit dem Haus­bewohner abge­schlossen werden.

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Bild: Kabel Deutschland, Bearbeitung: teltarif.de
Mit der Formu­lie­rung wollten wir aber andeuten, dass die Netz­ebene-4-Betreiber in vielen Fällen "am längeren Hebel sitzen" und diesen aktuell auch gekonnt nutzen - für eine Art "Erpres­sung": Entweder bezahlt der Bewohner die Durch­lei­tungs­gebühr, die oft wieder eine zwangs­weise Belie­ferung mit Kabel-TV beinhaltet, oder der Anschluss des Bewoh­ners wird rigoros abge­klemmt. Und dann stehen auch Internet und Telefon über das TV-Kabel nicht mehr zur Verfü­gung. Was macht der Bewohner dann, wenn es an seinem Ort noch keine Glas­faser und nur lahmes DSL 16 gibt? Er muss wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und die Durch­lei­tungs­gebühr bezahlen, um beispiels­weise annä­hernd sinn­voll im Home­office arbeiten oder nach Feier­abend Strea­ming­dienste verwenden zu können.

Selbst­ver­ständ­lich weiß teltarif.de auch, dass es diese Durch­lei­tungs­gebühr schon länger gab. Aber erstens war sie für den Haus­bewohner bislang mehr oder weniger "unsichtbar", da sie in der monat­lichen Neben­kos­ten­pau­schale enthalten war. Zwei­tens betrug sie sicher­lich in den meisten Fällen nicht so viel wie das, was die Netz­ebene-4-Betreiber jetzt verlangen. Und drit­tens macht die Kombi­nation aus Kabel-Internet-Grund­gebühr und Durch­lei­tungs­gebühr diese Art des Internet-Anschlusses preis­lich völlig unat­traktiv, wenn man es beispiels­weise mit den Preisen für (V)DSL vergleicht.

Netz­ebene-4-Betreiber einfach kündigen

Immer wieder berichten uns Mieter, dass in Bezug auf das Ende des Neben­kos­ten­pri­vilegs und die damit verbun­denen Umstel­lungen bei ihren Haus-Eigen­tümern und Haus­ver­wal­tungen eine große Ahnungs­losig­keit herrscht. Dabei gibt es ein einfa­ches und legales Mittel, wie man dem Treiben der Netz­ebene-4-Betreiber wirksam Einhalt bieten kann: Man kann den Betreiber nämlich einfach raus­werfen, egal für welchen Zeit­raum der Vertrag einmal geschlossen worden ist. Es kann sich dabei sogar um 5- oder 10-Jahres­ver­träge handeln. Im Tele­kom­muni­kati­ons­moder­nisie­rungs­gesetz vom 23. Juni 2021 gibt es bei den Über­gangs - und Schluss­vor­schriften im § 230 den folgenden Absatz 5:

Jede Partei kann einen vor dem 1. Dezember 2021 geschlos­senen Gestat­tungs­ver­trag wegen der Beschrän­kung der Umla­gefä­hig­keit nach § 2 Satz 1 Nummer 15 Buch­stabe a und b der Betriebs­kos­ten­ver­ord­nung frühes­tens mit Wirkung ab dem 1. Juli 2024 ohne Einhal­tung einer Kündi­gungs­frist kündigen, soweit die Parteien für diesen Fall nichts anderes verein­bart haben. Die Kündi­gung berech­tigt den anderen Teil nicht zum Scha­dens­ersatz.
Es sollte also in den meisten Fällen möglich sein, dass ein Haus­besitzer oder Haus­ver­walter den bishe­rigen Gestat­tungs­ver­trag mit dem Netz­ebene-4-Betreiber einfach zum 30. Juni kündigt.

Was kommt danach?

Aller­dings stellt sich für Haus­besitzer oder Haus­ver­walter anschlie­ßend die Frage: Wie geht es mit dem Koax-Kabel­netz in meinem Haus danach weiter? Falls es Mieter gibt, die weiterhin TV über das Kabel­netz empfangen möchten, dürfte es das einfachste sein, einen Gestat­tungs­ver­trag direkt mit dem Kabel­netz­betreiber abzu­schließen. Wie bereits berichtet haben Voda­fone und die Deut­sche Telekom Infor­mati­ons­seiten, mit denen sie bewusst die NE4-Betreiber anspre­chen. Hier kann man als Haus­besitzer oder Haus­ver­walter Kontakt aufnehmen und über eine Signal­lie­ferung verhan­deln. Bei den Netz­betrei­bern ist es kaum zu erwarten, dass diese den Endkunden so etwas wie Durch­lei­tungs­gebühren aufer­legen werden.

Manch ein Haus­besitzer oder Haus­ver­walter wird sich aller­dings fragen: Wer kümmert sich im Störungs­fall um die Wartung des Haus­netzes? Denn das haben in der Vergan­gen­heit in der Regel die NE4-Unter­nehmen im Rahmen des alten Gestat­tungs­ver­trag erle­digt. Hierfür gibt es zwei Möglich­keiten: Entweder man beauf­tragt bei jeder Störung oder Wartung einen örtli­chen Elek­triker, der die Arbeiten fall­weise vornimmt.

Oder man fragt den Netz­betreiber wie beispiels­weise Voda­fone, Tele Columbus oder die Deut­sche Telekom, ob er einen Wartungs­ver­trag für das Haus­netz anbietet. Hierbei sollte man aber drin­gend auf die Vertrags­lauf­zeit schauen, die auf diesen teils schon älteren Formu­laren steht: Denn auch hier finden sich oft Vertrags­lauf­zeiten von 5 oder 10 Jahren, was ange­sichts des flächen­deckenden FTTH-Ausbaus absolut reali­täts­fern ist. Am besten dürfte es also sein, wenn sich Haus­besitzer oder Haus­ver­walter im Rahmen der ganzen Umstel­lung gleich über einen Glas­faser-Ausbau bis in die Wohnungen Gedanken machen und sich hierfür diverse Ange­bote einholen - entweder bei den Netz­betrei­bern direkt oder eben bei einem örtli­chen Elek­triker.

Wenn das Neben­kos­ten­pri­vileg ausläuft und Haus­bewohner bewusst kein Kabel-TV mehr wollen, dann schickt der Netz­betreiber oft einen Tech­niker, um den Anschluss abzu­klemmen. Aber muss man ihn über­haupt in die Wohnung lassen?

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