Themenspezial: Verbraucher & Service Unklarheit

Neue Extra-Gebühr für TV-Kabel: BNetzA windet sich

Wegen neuer Durch­lei­tungs­gebühren der Netz­ebene-4-Betreiber im TV-Kabel droht Verbrau­chern ein neues Neben­kos­ten­pri­vileg. Und was sagt die BNetzA dazu? Sie windet sich.
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TV-Kabel: Das sagt die BNetzA zu den neuen Zusatzgebühren TV-Kabel: Das sagt die BNetzA zu den neuen Zusatzgebühren
Bild: teltarif.de
Neben­kos­ten­pri­vileg durch die Hintertür titelte teltarif.de Anfang Februar: Durch immer mehr Rück­mel­dungen von Lesern und Verbrau­cher­schüt­zern zeigt sich, dass vielen Verbrau­chern die aktu­elle Eigen­tümer­struktur der TV-Kabel­netze im Rahmen der Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs nun negativ auf die Füße fällt. Viele Betreiber der Netz­ebene 4 inner­halb des Hauses verlangen eine monat­liche Durch­lei­tungs­gebühr, also einen Pflicht­bei­trag, um den Anschluss über­haupt geschaltet zu lassen. Bezahlt der Kunde diesen nicht, wird der Anschluss abge­schaltet oder abge­klemmt - und dann gibts weder TV-Signal noch Internet oder Telefon über den Kabel­anschluss.

Wir haben die Bundes­netz­agentur um eine Stel­lung­nahme zu diesem Geschäfts­gebaren gebeten und gefragt, ob das über­haupt recht­mäßig ist und es sich denn nicht um eine Wieder­auf­lage des gesetz­lich eigent­lich abge­schafften Neben­kos­ten­pri­vilegs handelt. Die Antwort der Behörde fällt sehr ernüch­ternd aus.

Wie viele NE4-Betreiber gibt es?

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Bild: teltarif.de
Zunächst wollten wir einmal wissen, wie viele NE4-Betreiber es aktuell in Deutsch­land gibt und ob der BNetzA hierzu ein komplettes Verzeichnis vorliegt. Dazu schreibt ein Spre­cher der BNetzA: "Ein Verzeichnis speziell zu Netz­ebene 4 wird von der Bundes­netz­agentur nicht geführt. Die Bundes­netz­agentur veröf­fent­licht regel­mäßig ein Verzeichnis der nach § 5 Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz gemel­deten Unter­nehmen (URL: www.bundesnetzagentur.de/DE/Fach­themen/Tele­kom­muni­kation/Unter­neh­mens­pflichten/Melde­pflicht/start.html). Das Verzeichnis enthält Namen und Anschriften der gemel­deten Unter­nehmen sowie eine Kurz­beschrei­bung der gemel­deten Tätig­keit."

Dieses von der BNetzA erwähnte "Verzeichnis der gemel­deten Unter­nehmen" ist eine herun­ter­lad­bare Excel-Datei, die 300 kB groß ist, und mit Stand 2. Februar insge­samt 3152 Einträge hat. NE4-Betreiber sind dort in der Tat nicht separat markiert. Es gibt Anbieter, die in der Spalte "Tele­kom­muni­kati­ons­netze" das Stich­wort "Koaxi­alkabel" vermerkt haben, es ist aber nicht klar, ob das wirk­lich bei allen zutref­fenden Unter­nehmen drin­steht.

Kosten für Breit­band­anschlüsse und einzelne Dienste

Als nächstes erfragten wir bei der BNetzA, ob es regu­lato­risch erlaubt ist, dass der NE4-Betreiber direkt vom Endkunden/Haus­bewohner ein Durch­lei­tungs­ent­gelt verlangen darf. Bei DSL-Anschlüssen gibt es das schließ­lich auch nicht. Für den Fall, dass ein derar­tiges Durch­lei­tungs­ent­gelt erlaubt sein sollte, wollten wir wissen: Konter­kariert das denn nicht die Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs? Der Endkunde/Haus­bewohner ist ja diesem vom Haus­eigen­tümer bestimmten NE4-Betreiber quasi "ausge­lie­fert".

Hierzu schreibt die Behörde: "Mit Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs dürfen Vermieter monat­liche laufende Grund­gebühren für Breit­band­anschlüsse nicht mehr über die Neben­kosten abrechnen (vgl. dazu § 2 Nummer 15 Betriebs­kos­ten­ver­ord­nung). Die bishe­rige Kopp­lung an einen Miet­ver­trag entfällt zum 1. Juli 2024. Bislang über Breit­band­anschlüsse eines Vermie­ters genutzte Tele­kom­muni­kati­ons­dienste können vom Mieter - sofern ein Vermieter dies anbietet - weiter genutzt werden. [Die] Abrech­nung von Kosten für Breit­band­anschlüsse und einzelne Dienste erfolgen dann geson­dert."

Durch­lei­tungs­gebühren wohl nicht regu­liert

Eine Frage, die viele Verbrau­cher und auch uns beschäf­tigt ist, ob die Höhe derar­tiger Durch­lei­tungs­gebühren von Endkunde/Haus­bewohner an den NE4-Betreiber irgendwo regu­liert ist und ob es hierfür eine regu­lierte Ober­grenze gibt. Konkret erfragten wir, was passiert, wenn der Endkunde/Haus­bewohner kein TV-Signal über das TV-Kabel wünscht, dafür aber Internet über das TV-Kabel? Darf die Durch­lei­tungs­gebühr dann zusätz­lich zu den Internet-Kosten verlangt werden? Es erschließt sich beispiels­weise nicht, warum der NE4-Betreiber die Durch­lei­tungs­gebühr nicht dem NE3-Betreiber berechnet, also beispiels­weise Voda­fone oder Pyur/Tele Columbus?

Alle diese Fragen beant­wortet die BNetzA zusam­men­gefasst so: "Der Umfang von Zahlungs­ver­pflich­tungen für eine Nutzung von haus­internen Tele­kom­muni­kati­ons­anschlüssen (einschließ­lich Haus­ver­kabe­lung bis in die Wohnung) in Mehr­fami­lien­häu­sern ergibt sich aus den im Einzel­fall tatsäch­lich bestehenden Vertrags­bezie­hungen. Gesetz­liche Einschrän­kungen können sich aus dem Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz (vgl. § 145 Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz) und aus der miet­recht­lichen Betriebs­kos­ten­ver­ord­nung ergeben."

Zu den von uns ange­spro­chenen Gebühren heißt es in dem ange­spro­chenen § 145 TKG aber ledig­lich: "Wer über Netz­infra­struk­turen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzen­tra­tions- oder Vertei­ler­punkt eines öffent­lichen Tele­kom­muni­kati­ons­netzes verfügt, hat allen zumut­baren Mitnut­zungs­anträgen [...] zu fairen und diskri­minie­rungs­freien Bedin­gungen, einschließ­lich der Mitnut­zungs­ent­gelte, statt­zugeben, wenn eine Dopp­lung der Netz­infra­struk­turen tech­nisch unmög­lich oder wirt­schaft­lich inef­fizient ist." Der HÜP, meist im Keller eines Hauses Der HÜP, meist im Keller eines Hauses
Bild: Unitymedia

Sperren oder Abklemmen erlaubt?

Zum Themen­bereich Sperren oder Abklemmen des Anschlusses fragten wir, ob der NE4-Betreiber den Anschluss des Endkunden/Haus­bewoh­ners einfach abklemmen darf, wenn dieser die Durch­lei­tungs­gebühr nicht bezahlt. Dieser Fall war für uns insbe­son­dere dann inter­essant, wenn ein Kunde aktuell bereits Internet und Telefon über das TV-Kabel nutzt, aber kein Kabel-TV wünscht. Also auch hier die Frage: Darf der NE4-Betreiber dem Endkunden/Haus­bewohner dann über­haupt den Anschluss abklemmen?

Hier ist die Antwort der Bundes­netz­agentur recht klar: "Auch ein Vermieter kann Verein­barungen über Tele­kom­muni­kati­ons­dienste nach Ablauf der Mindest­ver­trags­lauf­zeit kündigen (und den Anschluss ggf. sperren)."

Koax-Durch­lei­tungs­gebühr höher als bei Glas­faser?

Den § 149 Abs. 5 TKG verstanden wir als Nicht-Juristen bislang so, dass der NE4-Betreiber eine Mitnut­zungs- bzw. Durch­lei­tungs­gebühr vom Endkunden/Haus­bewohner nur verlangen kann, wenn er seit Inkraft­treten des Gesetzes Inves­titionen an der NE4 vorge­nommen hat (z. B. Glas­faser­ausbau im Haus), nicht aber für die bestehende und teils Jahr­zehnte alte Koax­kabel-Instal­lation. Hierzu wollten wir von der BNetzA wissen, ob diese Ausle­gung des Gesetzes richtig ist.

Dieser Frage zu den alten Koax­kabel-Instal­lationen wich die BNetzA aller­dings aus, sie schrieb zu der Frage ledig­lich: "Eine Rege­lung zur Höhe des sog. Glas­faser­bereit­stel­lungs­ent­gelts enthält § 72 Tele­kom­muni­kati­ons­gesetz." Dieser Passus ist aber zu unserer Frage nicht rele­vant, da es darin um die erst­malige Ausstat­tung mit einer Netz­infra­struktur geht, die voll­ständig aus Glas­faser­kom­ponenten besteht.

Inter­essant in dem Passus ist aller­dings: Das Glas­faser­bereit­stel­lungs­ent­gelt darf im Jahr höchs­tens 60 Euro und in der Summe (Gesamt­kosten) höchs­tens 540 Euro je Wohn­ein­heit betragen. Dies ist also der Preis, den der Gesetz­geber für die Mitfi­nan­zie­rung eines neuen FTTH-Anschlusses durch den Bewohner für ange­messen hält. Das, was die NE4-Betreiber aber aktuell an Durch­lei­tungs­gebühr für die alten Koax-Kabel­netze von den Haus­bewoh­nern verlangen, liegt nach bishe­rigen Beob­ach­tungen der teltarif.de-Redak­tion deut­lich über 5 Euro, teils sogar bei 10 bis 13 Euro pro Monat.

Eine erste Einschät­zung (von Alex­ander Kuch)

Zusam­men­fas­send muss man sagen, dass unsere Fragen von der Behörde nur sehr dürftig und vorsichtig beant­wortet worden sind. Es drängt sich wieder einmal der Verdacht auf, dass die Behörde jede Art einer endgül­tigen juris­tischen Fest­legung zu Gunsten der Verbrau­cher vermeiden möchte und das den Verbrau­cher­schüt­zern und letzt­end­lich den Gerichten über­lässt.

In einigen Abschnitten weisen die Antworten aber in eine klare Rich­tung: An keiner Stelle bean­standet die Behörde, dass über­haupt Durch­lei­tungs­gebühren durch die NE4-Betreiber von den Haus­bewoh­nern verlangt werden. Schade ist, dass die Behörde keine Einschät­zung dazu abge­geben hat, ob es rech­tens ist, dass ein Bewohner, der tatsäch­lich nur Internet und Telefon, aber kein TV über den Anschluss möchte, mit der Durch­lei­tungs­gebühr doch wieder für das TV-Kabel­signal mitbe­zahlen muss. Es bleibt also abzu­warten, was Gerichte zu diesem "Neben­kos­ten­pri­vileg durch die Hintertür" sagen werden.

Auch das Schweigen der BNetzA zur Höhe der Koax-Durch­lei­tungs­gebühren ist bedau­erlich. Immerhin gibt die Behörde mit Verweis auf das neue Glas­faser­bereit­stel­lungs­ent­gelt von höchs­tens 5 Euro monat­lich, vor dessen Berech­nung ja wirk­lich ein Glas­faser­ausbau bis in die Wohnung statt­gefunden haben muss, einen unver­hoh­lenen Hinweis. Denn seit der Umrüs­tung der TV-Koax­kabel­netze auf Rück­kanal­fähig­keit vor 10 bis 15 Jahren dürfte an den meisten Koax-Haus­netzen nur noch wenig moder­nisiert worden sein. Das sich die NE4-Betreiber dafür nun bis zu 13 Euro monat­liche Zusatz­gebühr geneh­migen - das sollte dann auch aller­schnells­tens von den Verbrau­cher­ver­bänden vor Gericht gebracht werden.

Letzt­end­lich stellt sich die Frage, ob sich der Gesetz­geber bei der sicher gut gemeinten Abschaf­fung des Neben­kos­ten­pri­vilegs dieser Proble­matik mit den NE4-Betrei­bern bewusst war. Diese hatten bislang ja sichere Einnahmen durch die Zwangs­gebühr, nutzen jetzt aber offen­sicht­lich ihren Spiel­raum dazu, die Verbrau­cher zur Kasse zu bitten. Die ganze Sache dürfte für die meisten Verbrau­cher insge­samt teurer und damit auch ärger­licher werden.

teltarif.de hat aufge­deckt, dass aufgrund der Struktur der TV-Kabel­netze für viele Bewohner auch nach Juli eine TV-Zwangs­gebühr droht. Wir fassen nun in einem nach­fol­genden Artikel zusammen, welche Mittei­lungen Bewohner beispiels­weise erhalten haben.

Die Aufklä­rung scheint gewirkt zu haben: Nach einer neuen Umfrage kann nun mehr als die Hälfte der Deut­schen etwas mit dem Begriff "Neben­kos­ten­pri­vileg" anfangen. Und: Die Hälfte dieser Nutzer würde den Verbrei­tungsweg ändern.

teltarif.de Talk: Viele offene Fragen zum Kabel-TV

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